Dtsch Med Wochenschr 1948; 73(1/02): 22-24
DOI: 10.1055/s-0028-1118041
Klinik und Forschung

© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Glykolvergiftungen mit tödlichem Ausgang

Günther Dotzauer - Assistent am Institut
  • Institut für gerichtliche Medizin und Kriminalistik der Universität Hamburg (Direktor: Prof. Dr. E. Fritz)
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Publication Date:
02 June 2009 (online)

Zusammenfassung

Bericht über vier Fälle einer Vergiftungsserie mit dem zweiwertigen Alkohol Äthylenglykol nach peroraler Zufuhr von etwa 45—90 ccm der unverdünnten Substanz. Die mikroskopische Untersuchung eines Falles, der tödlich endete, brachte unterschiedlich gelagerte Mikroextravasate im Gehirn, der Brücke und im verlängerten Mark in der weißen wie in der grauen Substanz, weiter den Befund einer Glomerulonephrose mit der histologischen Sicherung von Oxalaten, welche die Abbauverhältnisse des Glykols in den Nieren über die Oxalsäure aufzeigen. Chemische Blutbefunde erwiesen sich dagegen als negativ. Ferner wurden die klinischen Symptome dreier Überlebender gebracht.

Besonderes Interesse erweckt die Glykolvergiftung augenblicklich, da der zweiwertige Alkohol als Ausweichprodukt von Wert geworden ist. Man liest von verstärkter Anwendung des Glykols als pharmazeutisches Lösungsmittel. Nach privater Mitteilung von Herrn Prof. Hesse wird Glykol als Glyzerinersatz zur Zahnpastaherstellung erwogen; hiergegen wird bei der geringfügig angebotenen und evtl. auch zu resorbierenden Menge nichts vom toxikologischen Standpunkt aus einzuwenden sein. — Glykol-bzw. Triaethylenglykoldämpfe werden z. B. von Robertson zur Desinfizierung der Luft von pathogenen Keimen verwendet.

Wenn im Schrifttum wegen der Seltenheit der Glykolvergiftungen und damit einer Gelegenheit zur tödlichen Dosierung dieselbe nur eine geringe Erwähnung findet, so nur deshalb, weil in sogenannten normalen Zeiten derartige zum Tode führende und zudem unverdünnt genossene Quantitäten dem menschlichen Organismus nicht zugeführt werden. Die Nachkriegszeit zeigt immer wieder, daß alles, was nur alkoholähnlich ist, getrunken wird und daß dadurch dem Körper chemische Mittel in Mengen einverleibt werden, mit denen sich derselbe hat früher kaum auseinandersetzen müssen.

Nach Abschluß der Arbeit gelangte mir ein Referat zur Kenntnis über 18 Glykoltodesfälle aus den USA. (Pons und Custer). Die letale Dosis beläuft sich auf etwa 100 ccm. Der Tod erfolgte entweder nach Stunden im Koma oder bei verzögertem Verlauf an Niereninsuffizienz. Histologisch sind enzephalitische und meningitische Prozesse gesehen worden.

Die Medizinalgesetzgebung hat sich ebenfalls mit dem Glykol auseinandergesetzt, und zwar ist nach einem Erlaß des R.M. d. I. vom 10. 8. 1942 die Verwendung von Glykol und Glykolverbindungen im Lebensmittelverkehr — Limonaden- wie Liköressenzen, Backaromen — als Lösungsmittel wegen der giftigen oder zumindest gesundheitlich bedenklichen Einwirkung verboten, so daß mit diesem Erlaß den Gesundheitsorganen auch die rechtliche Handhabe gegeben ist, um gegebenenfalls einschreiten zu können.

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