Gesundheitsökonomie & Qualitätsmanagement 2009; 14(5): 243-244
DOI: 10.1055/s-0028-1109823
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Vielfalt präventiver Ideen und Gestaltung in Dresden – der 3. Nationale Präventionskongress

Variations of Preventive Ideas and their Arrangement in Dresden – the Third National Prevention CongressR. Rychlik1 , W. Kirch2
  • 1Institut für Empirische Gesundheitsökonomie, Burscheid
  • 2Institut für klinische Pharmakologie, Technische Universität, Dresden
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Publication Date:
22 October 2009 (online)

Seit 2000 wird der Präventionsgedanke von der Gesundheitspolitik wieder verstärkt vorangetrieben. Dazu tragen der demografische Wandel und die damit steigende Zahl chronisch kranker und versorgungsbedürftiger Menschen ebenso bei, wie die Verknappung finanzieller Ressourcen im Gesundheitssystem. Zugleich zeigen neue Erkenntnisse der Public-Health-Forschung, dass sowohl gesellschaftliche Lebensbedingungen als auch individuelle Lebensgewohnheiten maßgeblichen Einfluss auf die Gesundheit nehmen.

Aber auch für den Ökonomen spielt die Prävention eine entscheidende Rolle. Durch Prävention können Behandlungskosten verringert werden. Im Einzelnen zielt Prävention auf eine ganze Reihe von Effekten ab: Sie kann Krankheiten verhüten und Krankheitsrisiken reduzieren; vorzeitige Todesfälle vermeiden; Behandlungskosten einsparen helfen; eine rechtzeitige Therapie erleichtern; Behinderungen vorbeugen; Arbeitsfähigkeit erhalten; Frühverrentung verhindern oder hinauszögern; chronische Krankheiten ins höhere Lebensalter verschieben oder vermeiden; die Lebensqualität steigern; den allgemeinen Gesundheitszustand einer Bevölkerung verbessern. Inwieweit Prävention zu Einsparungen im Gesundheitswesen beitragen kann, wird kontrovers diskutiert. So könnten Präventionsmaßnahmen einerseits die direkten Behandlungskosten sowie die indirekten Folgekosten verringern, die beispielsweise durch Arbeitsunfähigkeit und Frühverrentung in der Folge vieler Erkrankungen entstehen. Andererseits müssen Präventionsmaßnahmen ihrerseits bezahlt werden. Auch führt die Verlagerung von Krankheiten ins höhere Lebensalter möglicherweise in diesen Altersgruppen zu steigenden Therapiekosten.

Die gesetzlichen Krankenkassen sind nach dem Fünften Sozialgesetzbuch zu Prävention und Gesundheitsförderung verpflichtet. Bewegung, Stress und richtige Ernährung sind die häufigsten Themen bei Präventionskursen der Krankenkassen.

Trotzdem ist die Teilnahme an präventiven und gesundheitsfördernden Maßnahmen in der deutschen Bevölkerung insgesamt eher gering. Allerdings lassen sich geschlechts-, alters- und sozialstrukturabhängige Unterschiede beobachten. So nehmen beispielsweise insbesondere Frauen bis zum Alter von 50 Jahren die Möglichkeiten zur Krebsfrüherkennung zu über 50 % wahr, die Beteiligung erreicht teilweise fast 65 %. Die starke Inanspruchnahme steht in dieser Altersgruppe wahrscheinlich mit den häufigen Besuchen bei der Frauenärztin oder dem Frauenarzt in Zusammenhang. In höheren Altersklassen, in denen insgesamt die meisten Krebsleiden auftreten, sinkt dagegen die Beteiligung der Frauen an der Krebsfrüherkennung. Bei Männern überschreitet die Inanspruchnahme von Krebsfrüherkennungsmaßnahmen erst nach dem 60. Lebensjahr die 20-Prozent-Marke. Auch gesundheitsfördernde Maßnahmen, wie beispielsweise Präventionskurse der Krankenkassen, nehmen Männer weniger wahr als Frauen. Zudem sind sie schlechter über Gesundheitsthemen informiert, lassen sich jedoch leichter für Präventionsmaßnahmen gewinnen, wenn diese keinen zusätzlichen Aufwand mit sich bringen und beispielsweise am Arbeitsplatz oder bei ohnehin stattfindenden Arztbesuchen erfolgen. Sozial benachteiligte Männer und Frauen nehmen insbesondere an gesundheitsfördernden und Krebsfrüherkennungsmaßnahmen seltener teil. Dies weist zum einen auf höhere Zugangsbarrieren in der unteren Sozialschicht hin. Zum anderen könnten Informationsdefizite die geringere Nachfrage von Präventionsangeboten mit bedingen.

Grund genug, die Vielfalt präventiver Ideen und Gestaltungsmöglichkeiten auf dem 3. Nationalen Präventionskongress in Dresden vorzustellen.

Adem Koyuncu aus Köln weist darauf hin, dass „die Bedeutung der Prävention im Gesundheitswesen” zunimmt. Dies ist Folge der knapper werdenden Ressourcen in den sozialen Sicherungssystemen und der demografischen Entwicklung. Es wurde zuletzt zweimal versucht, die Prävention im Gesundheitswesen durch ein eigenes „Präventionsgesetz” zu stärken und zu einer „vierten Säule” im Gesundheitswesen neben Kuration, Rehabilitation und Pflege aufzubauen [Deutscher Bundestag 2005].” Nach seiner Auffassung „dürfte eine stärkere gesetzliche Bündelung der Prävention dabei helfen, Prävention als vierte Säule des Gesundheitswesens zu etablieren. Die momentane Vielgleisigkeit der juristischen Regelungen zur Prävention sowie das Nebeneinander von Präventionsleistungen über mehrere Sozialgesetzbücher hinweg ist auch aus gesundheitsökonomischer Sicht ineffektiv und zu teuer”. Sein Fazit lautet „Es bedarf weiterer Forschung dazu, wie die Qualität, Wirksamkeit und der (medizinische und gesundheitsökonomische) Nutzen von Präventionsmaßnahmen im Alltag aussehen. Auch bei der Prävention darf die gesundheitsökonomische Seite nicht außer Acht bleiben, sodass die Kosten-Nutzen-Effektivität von Präventionsmaßnahmen kontinuierlich evaluiert werden muss – neben der parallelen Steigerung der Kosten-Nutzen-Effektivität der juristisch-administrativen Verankerung der Prävention.”

Evgeny Idelevich und Kollegen stellen die Bedeutung von Omega-3-Fettsäuren für verschiedene medizinische Disziplinen heraus. Für die Autoren ist die ausreichende Zufuhr essenziell. Dazu gehören neben der Ernährung (Fisch) auch Nahrungsergänzungsmittel und Arzneimittel.

Wolfgang Böcking und Kollegen weisen auf neue Chancen für Apotheker in der Prävention hin „Seit 2002 nimmt sowohl die Anzahl der Apotheken als auch der Apothekenschließungen zu. Gleichzeitig sinken die Roherträge der Apotheken; der Wettbewerb im Apothekenmarkt gewinnt demnach an Intensität (ABDA 2008)”. Die öffentlichen Mittel für Präventionsmaßnahmen sind seit Jahrzehnten begrenzt ohne Anzeichen einer kurzfristig deutlichen Anhebung. Allerdings scheint eine Bereitschaft in der Bevölkerung zu bestehen, für Bequemlichkeit, Service und Extraleistung privat zu zahlen. Insofern bietet sich hier die Chance für Apotheken, in der Prävention eine aktivere Rolle einzunehmen. Schließlich sind Fachwissen und Erfahrung über Krankheiten und Wirkungen von Arzneimitteln ausreichend vorhanden. Auch Kundennähe und gute Erreichbarkeit sind durch die vergleichsweise hohe Apothekendichte gegeben. Zudem gibt es bisweilen lang andauernde „Kundenbeziehungen”, die aber noch vergleichsweise selten umfassend genutzt werden. Dies ist in anderen EU-Ländern, aber auch in anderen Branchen wie z. B. Optikern bereits intensiver gegeben.” Voraussetzung ist natürlich, dass „die lokalen Rahmenbedingungen” stimmen.

Martin Thoenes und Kollegen geben eine Kurzübersicht über die Behandlungsqualität von Patienten mit arterieller Hypertonie. Sie konstatieren eine nach wie vor mangelhafte Blutdruckkontrolle bei hypertensiven Patienten weltweit und damit die Notwendigkeit, im Rahmen der Prävention diesem Missstand zu begegnen.

Festzustellen bleibt, dass die Bemühungen um eine effektive Prävention in Deutschland weiter fortgesetzt werden müssen.

Burscheid, Dresden Oktober 2009

Prof. Dr. Dr. med. Reinhard Rychlik Prof. Dr. Dr. W. Kirch

R. Rychlik

W. Kirch

Prof. Dr. Dr. R. Rychlik

Institut für Empirische Gesundheitsökonomie

Am Ziegelfeld 28

51399 Burscheid

Email: reinhard.rychlik@ifeg.de

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