Laryngorhinootologie 2025; 104(12): 819-823
DOI: 10.1055/a-2695-9719
OP-Techniken

Eingriffe an Hals, Ösophagus und Mediastinum

Autoren

  • J. A. Werner

  • J. P. Windfuhr

Chirurgie der Schilddrüse

Präoperative Diagnostik

Anamnese

Klinische Zeichen der Über- oder Unterfunktion, Augenproblematik (Exophthalmus), Schluckbeschwerden, Globusgefühl, Medikamenteneinnahme (Thyreostatika, Schilddrüsenhormone), Voroperationen im Halsbereich (HWS, Halsarterien, Schilddrüse), Bestrahlungen im Halsbereich, Aufenthalt in radioaktiv belasteten Gebieten, Malignome.


Untersuchungsgang

  1. prinzipiell

    • Inspektion (Haut, Hautfalten)

    • Palpation (Knoten, Schluckverschieblichkeit)

    • B-Sonografie

    • aktueller Hormonstatus (Thyreoidea-stimulierendes Hormon [TSH]: meist ausreichend)

    • Laryngoskopie

    • aktuelle Medikation (Hormonsubstitution, Thyreostatika)

  2. selektiv

    • Kalzium, Calcitonin, Vitamin D

    • freies Trijodthyronin (fT3) und freies Thyroxin (fT4)

    • Antikörper (TSH-Rezeptor-Antikörper [TRAK]; Thyreoperoxidase-Antikörper [TPOAK])

    • Dopplersonografie

    • Elastografie

    • Szintigrafie (Tc-99m-Pertechnetat-Szintigrafie bei Knoten > 10 mm Durchmesser, Verdacht auf fokale oder disseminierte Autonomie, TSH-Suppression < 0,3mU/l)

    • Tc-99m-MIBI (bei kalten Schilddrüsenknoten)

    • CT (bei intrathorakaler Ausbreitung; cave: jodhaltige Kontrastmittel)

    • MRT

    • Feinnadelpunktion (Zytologie)

    • Molekulargenetik (BRAF-Mutation; B-Isoform der Proteinkinase rapidly accelerated fibrosarcoma)


OP-Prinzip

  • totale Thyreoidektomie

  • Hemithyreoidektomie

  • near total Thyreoidektomie

  • vollständige Resektion einer Seite mit subtotaler Resektion der Gegenseite (Dunhill-Operation)

  • Isthmusknotenresektion

  • subtotale Thyreoidektomie einseitig/beidseits

  • Knotenresektion



Operation der benignen Struma

Die Operationsschritte in der Schilddrüsenchirurgie sind unabhängig vom Krankheitsbild weitgehend identisch, einschließlich der Fälle von Rezidivstruma und malignen Tumoren. Beschrieben wird hier die einseitige Resektion, in der alle notwendigen Schritte dargelegt werden, die auch bei anderen Operationen anzuwenden sind. Bei der beidseitigen Thyreoidektomie empfiehlt sich eine frühzeitige Durchtrennung des Isthmus und anschließend im Regelfall zunächst die Entfernung des größeren oder des sonografisch auffälligeren Schilddrüsenlappens. Grundsätzlich sollte bei einer Knotenstruma abgewogen werden zwischen kompletter Resektion aller knotigen Strukturen und einem endokrinologisch zu verantwortenden Ergebnis. Weiterhin muss bei der Abwägung der Ausdehnung einer Schilddrüsenresektion das Patientenalter berücksichtigt werden. Bei Malignitätsverdacht sollte bereits beim Ersteingriff immer die komplette Resektion der befallenen Schilddrüse angestrebt werden, denn intraoperative Schnellschnittuntersuchungen können nicht in jedem Fall eine Malignität nachweisen. Der Morbus Basedow erfordert immer eine vollständige, beidseitige Resektion der Schilddrüse und ist eine besondere Herausforderung in der Schilddrüsenchirurgie.

Indikationen

  • Knotenstruma

  • Verdacht auf Malignität (Sonografie, maligne, unklare Befunde in der Feinnadelpunktion)

  • autonome Knoten

  • Morbus Basedow (Kinder und Kleinkinder, Frauen im gebärfähigen Alter, Wunsch des Patienten), große Strumen nach thyreostatischem Versuch

  • lokale Beschwerden (Globus), mechanische Behinderungen der Atmung

  • dystope Lage

  • diffuse Hyperthyreose (Alternative zur Radiojodtherapie)

  • Thyreotoxikose


(Relative) Kontraindikationen

  • symptomlose und unverdächtige Knotenstruma (vor allem im höheren Alter)

  • schwerwiegende Erkrankungen

  • Einnahme von Antikoagulanzien


Spezielle Patientenaufklärung

  • Heiserkeit bzw. Stimmstörung durch vorübergehende oder permanente Schädigung des Nervus laryngeus recurrens und/oder Nervus laryngeus superior

  • Luftnot durch beidseitige Schädigung des Nervus laryngeus recurrens mit gegebenenfalls notwendiger Tracheotomie, Glottis-erweiternder Operation oder lebenslangem Tragen einer Trachealkanüle

  • Tetanie durch Schädigung der Epithelkörperchen (postoperativer Hypoparathyreoidismus), gegebenenfalls lebenslange Einnahme von Kalzium und aktiviertem Vitamin D, Nephrokalzinose, Katarakt

  • Nachblutung

  • Trachealverletzung

  • Luftembolie

  • postoperative Schmerzen (HWS, lagerungsbedingter Schmerz)

  • lebenslange Einnahme von Schilddrüsenhormonen

  • regelmäßige Nachsorge

  • Rezidiv bzw. Knotenneubildung in nicht reseziertem Schilddrüsengewebe, deswegen Rezidivoperation

  • störendes kosmetisches Ergebnis, hypertrophe Narbe/Keloid

  • Abbruch der Operation bei nicht stimulierbarem Nervus laryngeus nach Abschluss der Operation auf einer Seite, deswegen eventuell Zweiteingriff im Intervall

Rezidivoperationen und Operationen wegen entzündlicher Schilddüsenerkrankungen sind mit einer erhöhten Komplikationsrate verbunden.


Spezielle Instrumente

Unverzichtbar:

  • Vergrößerungssysteme: Lupe, Endoskop, Mikroskop

  • Neuromonitoring des Nervus laryngeus recurrens bei der beidseitigen Thyreoidektomie

Hilfreich:

  • Neuromonitoring des Nervus laryngeus recurrens bei der einseitigen Thyreoidektomie und zur Identifikation des Ramus externus des Nervus laryngeus superior

  • Gefäßversiegelungssysteme (thermisch, ultraschallbasiert) statt der üblichen Methoden der Gefäßligatur

  • Babcock-Klemme, Tonsillenfasszange, Mini-Overholt, Präparierklemme


Anästhesie

  • Intubationsnarkose (Tubus mit Elektroden für Neuromonitoring)


OP-Technik (einseitige totale Thyreoidektomie)

OP-Team und Aufbau

Der Anästhesist befindet sich am Fußende. Der Operateur steht bei den konventionellen Zugängen auf der Seite der zu operierenden Schilddrüse, bei den minimalinvasiven zervikalen Zugängen steht er meist auf der kontralateralen Seite. Die instrumentierende OP-Schwester steht am Kopfende des OP-Tisches.


Lagerung

Flache Rückenlagerung mit Kopflagerung in einem Ring ohne besondere Kopfreklination. Bei unklarer anatomischer Lage oder länger zurückliegender Untersuchung ist eine nochmalige sonografische Darstellung der Schilddrüse in Rückenlage vor der OP sinnvoll.


Hautinzision

Neben der typischen zervikalen Hautinzision werden seltener auch extrazervikale Inzisionen angewandt. Weiterhin wird zwischen konventionellen und minimalinvasiven Zugängen unterschieden ([Tab. 1]). Die minimalinvasiven Zugänge können mit und ohne endoskopische Videoassistenz durchgeführt werden. Im Folgenden wird das Vorgehen der minimalinvasiven, nicht endoskopischen Technik (Minet) beschrieben, die zu jedem Zeitpunkt des Eingriffs individuell erweitert werden kann.

Tab. 1

Aktuelle Zugänge in der Schilddrüsenchirurgie.

konventionell

minimalinvasiv (− scar)

zervikal (> 4 cm?)

zervikal (< 4 cm?)

  • Mivat (minimalinvasive videoassistierte Thyreoidektomie)

  • Minet (minimalinvasive nicht endoskopische Thyreoidektomie)

extrazervikal

  • ABBA (axillary bilateral breast approach)

  • BA (breast approach)

  • (transoral)

  • (retroaurikulär)

  • (ROBOT)

Die Hautinzision kann grundsätzlich entlang jeder Hautfalte im Bereich des mittleren Halses erfolgen, meist wird sie in Höhe des Krikoids ausgeführt. Von hier aus lässt sich die anatomisch schwierige Region im cricotrachealen Winkel exzellent darstellen. Die kosmetischen Resultate sind im Vergleich zum heute auch noch empfohlenen „Kocher-Kragenschnitt“ deutlich unauffälliger und Keloide sehr viel seltener. Nach Anzeichnen des Hautschnittes und Infiltrationsanästhesie (Lidocain, Ropivacain) wird die Haut mit einem Skalpell über eine Länge von maximal 4 cm Länge inzidiert, das Platysma dargestellt und dessen Ränder so präpariert (Schlüsselmuskel für eine gute Kosmetik), dass sie zum Ende der Operation gut identifiziert werden können.


Gerade Halsmuskulatur

Darstellen der Linea alba und der begleitenden Venen. Bei voluminösen Venen können diese mit der Gefäßversiegelung ligiert und durchtrennt werden, um eine akzidentelle intraoperative Blutung zu vermeiden. Längsspaltung der Linea alba mit der oberflächlichen und mittleren Halsfaszie je nach Größe der Schilddrüse. Eine Querdurchtrennung von M. sternothyreoidus und M. sternohyoideus ist meist nicht erforderlich und sollte auch möglichst vermieden werden. Falls unvermeidbar, sollten Durchtrennungen möglichst weit kranial erfolgen, um die von kaudal erfolgende Innervation zu schonen. Bei bilateralen Operationen empfiehlt sich der Operationsbeginn auf der linken Seite, soweit nicht andere Aspekte dagegensprechen. Ablösen der geraden Halsmuskulatur mit der mittleren Halsfaszie von der Capsula propria der Schilddrüse im gefäßlosen Spatium von lockerem Bindegewebe (Spatium chirurgicum de Quervain) und Darstellen des Isthmus.


Isthmus und Lobus pyramidalis

Aufsuchen des Unterrandes des Isthmus mit den hier austretenden medialen Schilddrüsenvenen. Diese werden von der Trachea abgehoben, ligiert und durchtrennt. Bei beidseitigen Thyreoidektomien empfiehlt sich die anschließende Isthmusdurchtrennung mit simultaner Gefäßversiegelung nach stumpfer Dissektion von der Trachea.


Darstellung des kaudalen Pols

Die am kaudalen Pol austretenden Venen werden mit der Overholt-Klemme separiert und schilddrüsennah durchtrennt. Darstellen der Arteria thyreoidea inferior und der unteren Nebenschilddrüse. Der Nervus recurrens kann auf der linken Seite direkt neben der Trachea identifiziert werden (Neuromonitor). Auf der rechten Seite ist die Lage des Nervs häufig inkonstanter (s. o.).


Laterale Präparation mit Identifikation des Nervus vagus

Auslösen der Schilddrüse von lateral, Darstellen der lateral austretenden (Kocher-)Venen, die mittels Miniklemme („Mini-Overholt“) präpariert und danach mit Gefäßversiegelungsinstrumenten durchtrennt werden. Identifikation der vorderen Grenzlamelle. Diese wird punktuell zur Darstellung des Nervus vagus eröffnet. Stimulation des Nervus vagus zur Kalibrierung des Neuromonitoringsystems. Auf der vorderen Grenzlamelle kann die Schilddrüse jetzt gut von lateral ausgelöst werden.


Darstellung des kranialen Pols und Lobus pyramidalis

Nach Abpräparieren der geraden Halsmuskulatur Einsetzen der Wundhaken und stumpfe Dissektion der Schilddrüse vom Musculus cricothyreoideus. Hier kann häufig mit dem Neuromonitor der Ramus externus des Nervus laryngeus superior identifiziert werden (avascular space of Reeve). Danach weiteres Auslösen des oberen Pols von lateral und medial. Im Anschluss wird der obere Pol mit einer (Babcock-)Zange gefasst und luxiert. Durch die Luxation und nach kaudal wird u. a. die Möglichkeit der Schädigung des Nervus laryngeus superior minimiert. Freilegen der oberen Schilddrüsengefäße und Unterfahren der Gefäße mit dem Mini-Overholt. Nach Ausschluss einer Kreuzung mit dem Nervus laryngeus superior (Neuromonitor) werden die Gefäße schilddrüsennah ligiert und durchtrennt. Der obere Pol wird jetzt weiter luxiert. Dabei kann im Regelfall die obere Nebenschilddrüse identifiziert werden. Ein eventuell vorzufindender Lobus pyramidalis wird bis zu seinem kranialen Rand dargestellt, in toto ausgelöst und von der Schilddrüse abgesetzt (cave: starke arterielle Versorgung). Im Bereich des cricotrachealen Winkels erfolgt die weitere Mobilisation der Schilddrüse (cave: Arteria cricothyreoidea).


Präparation von Schilddrüsenhilus, Berry-Ligament und Nervus laryngeus recurrens

Die Präparation des Schilddrüsenhilus ist der komplizierteste Teil der Schilddrüsenoperation mit den meistens Komplikationsmöglichkeiten. Durch die enge Verbindung zum Nervus recurrens, zur Glandula thyreoidea und zu den Ästen der Arteria thyreoidea inferior werden bei der Präparation große Anforderungen an den Schilddrüsenchirurgen gestellt. Nach vollständiger intrakorporaler Mobilisation der Schilddrüse hängt diese nur noch im Bereich des Schilddrüsenhilus fest. Der Schilddrüsenlappen wird mit einer Fasszange vor die Haut verlagert, was gelegentlich erschwert ist. In Einzelfällen lassen sich zuvor größere Knoten von der Schilddrüse ablösen und getrennt entnehmen. Gelegentlich ist eine Querinzision der geraden Halsmuskulatur und/oder Erweiterung der Hautinzision erforderlich. Nach Luxation der Schilddrüse vor die Haut wird der Nervus laryngeus recurrens direkt paratracheal aufgesucht. Als konstante Landmarke dient das Zuckerkandl-Tuberkulum. Der Nerv unterkreuzt das Tuberkulum und verläuft bis in den cricotrachealen Winkel (cave: Nervteilung in den ventralen und posterioren Ast). Nach Sichtidentifikation des Nervus recurrens werden die in die Schilddrüse eintretenden arteriellen Äste der Arteria thyreoidea inferior schilddrüsennah aufgesucht, unterbunden bzw. mit Gefäßversiegelungsinstrumenten koaguliert und durchtrennt. Damit liegt der Nerv vollständig frei. Nicht immer lässt sich der Nervus recurrens eindeutig von arteriellen Gefäßen unterscheiden. Hier ist in vielen Fällen das Neuromonitoring hilfreich.


Entnahme des Schilddrüsenlappens, postoperative Dokumentation der Nervenfunktion

Die Durchtrennung des Berry-Ligaments kann häufig nur scharf erfolgen. Dabei muss beachtet werden, dass nahezu regelmäßig ein oberer Ast der Arteria thyreoidea inferior den Nervus recurrens unterkreuzt und zwischen Nerv und Trachea in die Schilddrüse hineinzieht. Dieser arterielle Ast sollte auf jeden Fall rechtzeitig identifiziert und unterbunden werden. Ein Einriss führt häufig zu einer heftigen Blutung in einer chirurgisch/anatomisch sehr ungünstigen Situation mit Retraktion des Gefäßes und sehr schwieriger Blutstillung, die zu einer Schädigung des Nervus laryngeus recurrens führen kann. Nach Versorgung der Arterie kann dann die Schilddrüse scharf von der Trachea abgetrennt werden. Sollte es noch zu nervennahen Blutungen kommen, können diese entweder durch Koagulation bei gleichzeitigem Schutz des Nervus recurrens mit einem feuchten Tupfer oder durch ein Kollagenvlies gestillt werden. Nach subtiler Wundinspektion obligates Neuromonitoring des N. vagus. Nur bei unauffälliger Antwort auf die Nervenstimulation darf die Gegenseite operiert werden!


Inspektion des Schilddrüsenresektats, Autoimplantation der Nebenschilddrüsen

Das entnommene Schilddrüsenresektat wird vor Abgabe zur histologischen Untersuchung subtil unter optischer Vergrößerung auf sich möglicherweise in der Kapsel oder gar in der Schilddrüse befindliche Nebenschilddrüsen untersucht. Eigene Untersuchungen haben gezeigt, dass sich in einem hohen Prozentsatz der entnommenen Schilddrüsen noch intakte Nebenschilddrüsen befinden, die auf jeden Fall reimplantiert werden müssen. Die während der Operation oder bei der Inspektion der Schilddrüse entnommenen Nebenschilddrüsen werden nach vollständiger Befreiung vom Bindegewebe in kleine Teile portioniert, in eine trockene Tasche in den Musculus sternocleidomastoideus eingebracht und diese durch Übernähen gesichert.

Wegen der erheblichen, das Leben stark beeinträchtigenden Nebenwirkungen eines Hypoparathyreoidismus sollte jede nicht sicher vitale Nebenschilddrüse während der OP entnommen und kurzfristig reimplantiert werden. Bei der Operation des Morbus Basedow sollte immer versucht werden, zumindest eine Nebenschilddrüse zu reimplantieren.


Wundverschluss

Die Einlage einer Redon-Drainage ist im Regelfall nicht erforderlich. Der Wundverschluss beginnt mit der Naht der Linea alba. Diese sollte lediglich im oberen Anteil, d. h. über dem Kehlkopf und dem Krikoid, erfolgen, da die Linea alba auch physiologisch nach unten auseinanderweicht. Zu beachten ist auch, dass eine völlig vernähte Linea alba im Fall einer Blutung die Ausweichmöglichkeiten für das ausgetretene Blut einschränkt und somit die Gefahr einer möglicherweise sogar letalen Kompression der Trachea deutlich erhöht ist. Der weitere Wundverschluss erfolgt in 3 Schichten. Als Erstes ist auf die subtile Naht des anfangs der Operation sauber präparierten Platysmas zu achten. Danach folgt eine streng subkutan bzw. intrakutan geführte Naht. Die Verwendung eines Hautklebers garantiert einen sicheren und belastbaren Hautverschluss.

Risiken und Komplikationen
  • Nachblutung
    Diese Komplikation tritt in über 90 % der Fälle innerhalb der ersten 24 Stunden auf. Bei der Nachblutung handelt es sich immer um eine lebensgefährliche Situation. Die wichtigste Maßnahme ist die sofortige Eröffnung des Halses zur Hämatomentlastung, in vital bedrohlichen Fällen mit dem Finger oder einer Schere.

  • Läsion des Nervus laryngeus recurrens
    Die Lähmung des Nervus laryngeus recurrens tritt häufiger auf als gemeinhin in der Literatur berichtet wird. Die Anwendung von optischen Vergrößerungshilfen und das Neuromonitoring haben dazu beigetragen, die Rate dieser Komplikation zu reduzieren. In den meisten Fällen ist sie auf wohl präparatorisch bedingte Schwellungen (Neurapraxie) zurückzuführen und damit in der Regel reversibel, was in einzelnen Fällen viele Monate erfordern kann. Bei intaktem, aber beim Neuromonitoring nicht reagiblem Nerv ist die Operation der Gegenseite obsolet.

  • Im Falle einer Nervdurchtrennung sollte eine sofortige Nervennaht unter dem Operationsmikroskop erfolgen. Dies soll postoperativ zu einem besseren stimmlichen Ergebnis führen. Bei einseitiger Rekurrensparese ist eine logopädische Therapie nicht immer zwingend. Für die extrem seltenen Fälle einer beidseitigen Rekurrensparalyse finden sich Empfehlungen in Kapitel 5 dieser Operationslehre.

  • Läsion des Nervus laryngeus superior
    Die Schädigung des Nervus laryngeus superior macht sich typischerweise dadurch bemerkbar, dass hohe Töne nicht phoniert werden können. In manchen Fällen klagen die Betroffenen aber auch über Schluckbeschwerden und Aspiration. Eine spezielle Therapie dieser Lähmungsform gibt es nicht, weswegen der Schonung des Nervs eine besondere Bedeutung zukommt.

  • Postoperativer Hypoparathyreoidismus
    Der permanente Hypoparathyreoidismus ist das eigentliche, große Risiko bei der beidseitigen Thyreoidektomie und wird bei der bilateralen Thyreoidektomie in bis zu 8 % der Fälle beobachtet. Neben der Neigung zu tetanischen Anfällen aufgrund einer Hypokalzämie findet sich eine Hyperphosphatämie. Beides geht mit einer Nephrolithiasis/Nephrokalzinose, einem Katarakt und Depressionen einher und erfordert lebenslang die tägliche, zeitgenaue Einnahme von Kalzium und aktiviertem Vitamin D. Deswegen ist der schonende Umgang mit den Nebenschilddrüsen dringend geboten. Dabei kommt es nicht darauf an, alle Nebenschilddrüsen zu sehen, sondern keine zu übersehen! Bei dem geringsten Zweifel sollte eine Autotransplantation zumindest einer Nebenschilddrüse erfolgen. In Studien konnte gezeigt werden, dass diese Vorgehensweise das Risiko eines postoperativen Hypoparathyreoidismus deutlich minimiert.

  • Postoperative Hypokalzämie
    Die akute Therapie der postoperativen Hypokalzämie besteht in der Gabe von oralem Kalzium (Brause oder Tabletten). Wegen der Neigung zu Durchfällen werden im Regelfall nicht mehr als 4 g Kalzium oral pro Tag toleriert. In seltenen Fällen ist bei postoperativ starkem Kalziumabfall oder Unverträglichkeit von oraler Kalziummedikation die vorübergehende i. v. Gabe von Kalzium erforderlich (10 Ampullen Kalziumgluconat in 500 ml Glukose 5 %/12 Stunden als Perfusorgabe).

  • Trachealverletzung
    Eine Trachealverletzung kann akzidentell bei brüsker Präparation, Verwachsungen oder Tumorinfiltration auftreten. Angezeigt ist die primäre Naht oder die Abdeckung mit einem Muskel-Patch.

  • Hypothyreose
    Eine beidseitige Thyreoidektomie ist obligat von einer Hypothyreose gefolgt, die sich aber in Einzelfällen auch nach unilateraler Thyreoidektomie entwickeln kann. Es ist bei der OP-Planung darauf zu achten, dass eine bleibende Hypothyreose, die den Patienten lebenslang an eine Hormonersatztherapie bindet, nach Möglichkeit vermieden wird.

  • Infektionen
    Infektionen nach Schilddrüsenoperationen sind extrem selten. Bei persistierender Infektion ist immer auch an ein Corpus alienum zu denken.



Nachbehandlung

Duschen ist bei geklebter Haut bereits am nächsten Tag möglich. Die erste TSH-Kontrolle erfolgt etwa 3 Wochen nach dem Eingriff.

Nach einer beidseitigen Thyreoidektomie ist eine Kalziumkontrolle am ersten und zweiten postoperativen Tag indiziert. Bei einer möglichen Hypokalzämie muss die Kalziumsubstitution rechtzeitig erfolgen (Halbwertszeit von Parathormon: 3 Minuten). Die Substitution mit Schilddrüsenhormonen sollte postoperativ eingeleitet werden, ist aber wegen der langen Halbwertszeit von T4 (190 Stunden) nicht dringlich. Thyreostatika sollten postoperativ abgesetzt werden.

Zitierweise für diesen Artikel

Rettinger G, Hosemann W, Hüttenbrink KW, Werner JA (Hrsg.). HNO-Operationslehre – Mit allen wichtigen Eingriffen. Stuttgart: Thieme 5., vollständig überarbeitete Auflage 2017. doi:10.1055/b-004-140287

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Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
01. Dezember 2025

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