Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/a-2693-7025
Research
Diagnose von Kreuzbandrupturen
Lever Sign nur von beschränktem klinischen Nutzen
Wissenschaftlich gesehen haben bei der körperlichen Untersuchung von Patienten mit Verdacht auf eine vordere Kreuzbandruptur (VKB-Ruptur) der Pivot-Shift-Test und der Lever-Sign-Test die höchste klinische Genauigkeit. Der Lever-Sign-Test (Syn.: Lelli-Test, Hebelzeichen) wurde 2005 publiziert. Er prüft die anterioposteriore Kniestabilität, indem die untersuchende Person eine geschlossene Faust unter die proximale Wade legt (drei Querfinger distal einer Markierung der Tuberositas tibiae), während sie gleichzeitig einen mäßigen Druck auf den distalen Oberschenkel ausübt ([ Abb. 1 ]). Das Testresultat ist dichotom: Hebt sich die Ferse beim Druck auf den Oberschenkel, ist der Test negativ (VKB intakt), bleibt sie auf der Unterlage liegen, ist der Test positiv (VKB-Ruptur). Obwohl gezeigt wurde, dass der Lever-Sign-Test eine nahezu perfekte Interrater-Reliabilität aufweist, wurde darauf hingewiesen, dass die methodische Qualität früherer Studien durch zahlreiche Faktoren beeinträchtigt sein könnte. Diese verzerren möglicherweise das Testergebnis und überschätzen somit den klinischen Nutzen.


Das primäre Ziel dieser Studie bestand darin, die Interrater-Reliabilität und die konkurrierende Validität des Lever-Sign-Tests zur Diagnose von totalen VKB-Rupturen zu untersuchen. Der Test wurde sowohl auf harten als auch auf weichen Unterlagen durchgeführt, da angenommen wird, dass unterschiedliche Unterlagen das Testergebnis beeinflussen können. Die Testung erfolgte durch zwei Physiotherapeuten, wobei einer der Untersucher verblindet gegenüber allen klinischen Informationen und den Ergebnissen des Referenzstandards war. Das sekundäre Ziel bestand darin, den Zusammenhang zwischen Testvariablen (u. a. Position der Faust und verwendete Unterlage) und den Testergebnissen zu untersuchen.
Um sicherzustellen, dass die Zielpopulation möglichst gut derjenigen entspricht, bei der der Test in der Praxis angewendet wird, wurden Patienten einer ambulanten Akutklinik für Knieverletzungen als Studienpopulation herangezogen. Aufeinanderfolgende Patienten, die zur Nachkontrolle in die Klinik zurückkehrten und bereits eine MRT-Untersuchung erhalten hatten, wurden direkt angesprochen und als einschlussfähig betrachtet, wenn sie mindestens 18 Jahre alt waren und bereit und in der Lage waren, zuzustimmen (Informed Consent). Nicht eingeschlossen wurden Patienten, die eine MRT-bestätigte Teilruptur des vorderen Kreuzbandes erlitten hatten.
Das MRT wurde als Referenzstandard verwendet, da dies mit hoher Wahrscheinlichkeit den Status des VKB korrekt klassifiziert. Der verblindete Untersucher war ein Physiotherapeut mit 8 Jahren klinischer Erfahrung, der ebenso lang Erfahrung mit dem Lever-Sign-Test hatte. Der andere Untersucher war 21 Jahre im Beruf und hatte 9 Jahre Erfahrung mit dem Test. Die Testungen wurden auf einer gepolsterten Untersuchungsliege durchgeführt, einmal mit und einmal ohne Kissen. Insgesamt wurden 111 Teilnehmende für die Studie rekrutiert, 10 von ihnen wurden ausgeschlossen. Von den 101 eingeschlossenen Personen hatten 53 (52,5 %) eine im MRT diagnostizierte VKB-Ruptur (35 Männer, 18 Frauen), und 48 (47,5 %) wiesen ein gesundes Kreuzband auf (34 Männer, 14 Frauen).
Bei der Auswertung der Studie war die Interrater-Reliabilität auf der harten Unterlage gering (κ = 0,258; 95 %-KI: 0,071–0,445), auf der weichen Unterlage moderat (κ = 0,529; 95 %-KI: 0,368–0,691). Für den verblindeten Untersucher lag die Wahrscheinlichkeit für eine totale VKB-Ruptur auf der harten Unterlage bei 58 % (95 %-KI: 41–74 %) bei einem positiven Testergebnis und bei 51 % (95 %-KI: 45–56 %) bei einem negativen Ergebnis. Auf der weichen Unterlage betrug die Wahrscheinlichkeit nach positivem Test 67 % (95 %-KI: 56–77 %) und nach negativem Test 40 % (95 %-KI: 32–49 %). Nach Umpositionieren der Faust änderten sich auf harter Unterlage 47–82 Ergebnisse (47–81 %), auf weicher Unterlage 56–76 Ergebnisse (55–75 %).
Fazit. Unter klinischen Bedingungen hat der Lever-Sign-Test eine begrenzte Aussagekraft zur Diagnose totaler VKB-Rupturen. Die Validität war auf harten und weichen Unterlagen vergleichbar, jedoch war die Interrater-Reliabilität auf weicher Unterlage höher. Unterlage und Faustposition beeinflussten das Testergebnis deutlich.
Diese Studie verdeutlicht, wie stark einfache Faktoren – insbesondere Unterlage und Faustposition – das Testergebnis beeinflussen können. Die relativ große Stichprobe (n = 101), die Rekrutierung aus der klinischen Praxis und das wiederholte Testen unter variierenden Bedingungen verleihen den Ergebnissen hohe Aussagekraft. Auch wenn die Unterlage das Resultat nur moderat beeinflusste, zeigte sich insgesamt eine geringere Validität des Lever-Sign-Tests als in früheren, weniger differenzierten Studien. Besonders auffällig war, dass die Positionsänderung der Faust in über der Hälfte der Fälle zu einem veränderten Testergebnis führte – ein Aspekt, der in der praktischen Anwendung künftig stärker beachtet werden sollte.
Design: Kohortenstudie (diagnostisch)
Teilnehmer: 101 Patienten mit akuter Totalruptur des VKB
Parameter: Lever-Sign-Test
Resultate: begrenzte Aussagekraft zur Diagnosestellung
Dr. Martin Ophey
Norris R, Price A, Byrne J et al. The Lever Sign Test demonstrates limited clinical utility for diagnosing full-thickness anterior cruciate ligament tears after a traumatic knee injury. Orthopaedic Journal of Sports Medicine 2025; 13(5). DOI: 10.1177/23259671251334775
Publication History
Article published online:
01 December 2025
© 2025. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany
