Laryngorhinootologie 2025; 104(12): 764-765
DOI: 10.1055/a-2635-4534
Referiert und Diskutiert

Kommentar zu „Metaanalyse: Cochlea-Implantation auch bei Hörnervinsuffizienz erfolgreich“

Autor*innen

    Rezensent(en):
  • Jörg Langer

10.1055/a-2641-4363

****Auch nach mehr als 40 Jahren CI-Versorgung in Deutschland stellen Operationen bei komplexen Fehlbildungen des Innen-, aber auch des Mittelohres eine Herausforderung dar.

Betroffen sind hier in erster Linie Operationen bei Babys und Kleinkindern, da diese Fehlbildungen oft Ursache einer prälingualen Taubheit sind. Gerade bei intraoperativen Herausforderungen sollte immer die Nutzen-Risiko-Abwägung für diese kleinen Patienten im Vordergrund stehen.

Neben teilweise komplexen Fehlbildungen des Innenohres können dabei auch die Hypo- oder Aplasie des N. cochlearis (Cochlear Nerve Deficiency, CND) gefunden werden.

Gerade bei CND ist die Voraussage bezüglich eines möglichen Versorgungserfolges als extrem schwierig anzusehen. Erwogen wird hier von einigen Operateuren die Versorgung mit einem Hirnstammimplantat (ABI). Erwiesenermaßen gibt es aber auch Fälle, bei denen trotz fehlendem cochleärem Nerv im MRT nach einer CI-Versorgung ein offenes Sprachverstehen erzielt wurde. Jedes große CI-Zentrum mit Erfahrung in der Versorgung von Kindern wird dazu Erfahrungen haben.

Das Team um S. Chennareddy vom Mount Sinai Hospital in New York hat sich der Thematik der CI-Versorgung bei CND angenommen und eine Metaanalyse und systematische Literaturrecherche durchgeführt.

Die Autoren finden bei dieser Auswertung nach Ausschluss von Duplikaturen immerhin 547 Studien zum Thema CND in den letzten 15 Jahren. Das zeigt den hohen Stellenwert dieser anatomischen Fehlbildung für die Cochlea-Implantat-Versorgung. Betroffen sind nach Angaben der Autoren 10–16% der bilateral hochgradig schwerhörigen Kinder. Bei einseitiger Taubheit steigt der Anteil der CND-Fälle auf 25–50%.

Nach einem weiteren Screening und Ausschluss von Arbeiten (z.B. weniger als 2 Fälle in der Studie, fehlende prä- und postoperative audiologische Befunde, Studien zur Grundlagenwissenschaft, Tierstudien etc.) blieben 16 Arbeiten übrig, die ausgewertet werden konnten.

Unter den 16 Studien fand sich nur eine prospektive Arbeit, 15 Artikel wurden retrospektiv ausgewertet und besitzen damit nur eine relativ geringe Evidenz. Die Arbeitsgruppen kamen zu einem Großteil aus Asien (8 Studien) und den USA (4 Studien), 3 Arbeiten wurden in Italien erarbeitet und eine Studie in Saudi-Arabien. Die Anzahl der eingeschlossenen Patienten reichte von 4 (Vincenti 2014, Italien) bis 57 (Lu 2022, China). In der einzigen prospektiven Arbeit (Arumugan 2020, Indien) konnten 8 Patienten eingeschlossen werden.

Einschränkend muss festgestellt werden, dass die Autoren in ihrer Analyse und Literaturrecherche nicht zwischen Hypoplasie und Aplasie des N. cochlearis in der präoperativen Bildgebung unterscheiden und auch nicht auf den Unterschied eingehen, ob präoperativ Hörreste gefunden werden konnten oder eine vollständige Taubheit bestand. Auch der Einschluss von Patienten mit zusätzlich vorhandenen cochleären Malformationen erschwert die Vergleichbarkeit der Arbeiten.

Eine fehlende Standardisierung der eingesetzten Sprachtests und die Verwendung unterschiedlicher Hör- und Sprach(wahrnehmungs)tests in den ausgewerteten Studien ist für den Vergleich der Ergebnisse untereinander erheblich einschränkend.

Trotzdem ist diese Metaanalyse für jeden CI-Chirurgen und die Planung operativer Schritte für diese Patienten relevant, da in den meisten Studien eine signifikante Verbesserung des Sprachverstehens gefunden werden konnte.

Die Autoren gehen in ihrer Diskussion darauf ein, dass sich die Behandlung von Kindern mit CND von nonverbaler Kommunikation bei zunächst bestehender Kontraindikation zur CI-Versorgung zur heutzutage vorhandenen Indikation zur Versorgung mit ABI oder CI weiterentwickelt hat. Die Ergebnisse nach ABI-Versorgung sind denen nach CI-Versorgung dabei in aller Regel unterlegen.

Aber gerade für Fälle mit CND wäre ein Vergleich zwischen diesen 2 Implantattechnologien wünschenswert, um weitere Erkenntnisse für eine präoperative Entscheidungsfindung pro oder kontra CI oder ABI treffen zu können.

Trotz aller erwähnten Einschränkungen zur Evidenz der in der Metaanalyse berücksichtigten Studien ergibt sich für die CI-Chirurgie durch die vorgestellte Studie von Chennareddy et al. deutlich mehr Sicherheit für die Indikationsstellung zur Cochlea-Implantation bei Kindern mit CND.

Eine prospektive multizentrische Studie wäre wünschenswert, ist aufgrund der relativ geringen Fallzahlen aber eher nicht möglich.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
01. Dezember 2025

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