Zeitschrift für Phytotherapie 2025; 46(06): 302-305
DOI: 10.1055/a-2534-4798
Forum

Medicinhaverne Tranekær im Fokus

Heilpflanzen zwischen Wissenschaft und Erfahrung – Reflexionen eines Besuchs vom 31. Juli 2025

Autoren

  • Annabell Pliska

Die Medicinhaverne in Tranekær auf der dänischen Insel Langeland zählen zu den bedeutendsten Heilpflanzengärten Nordeuropas ([Abb. 1], [2]). Die Medizingärten bestehen seit 2010 und wachsen stetig. Die Anlage umfasst rund 32 000 m2 und gliedert sich in 7 thematische Gartenbereiche, die jeweils einem physiologischen oder pathologischen Funktionskomplex gewidmet sind:

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Abb. 1 Am Eingang der Medicinhaverne Tranekaer.
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Abb. 2 Mehrsprachige Begrüßungstafeln zur Erklärung und Einführung.
  1. Atemwege und Kreislauf mit dem thematischen Schwerpunkt: Duftpflanzen ([Abb. 3])

  2. Harnwege und Genitaltrakt mit dem thematischen Schwerpunkt: aphrodisierende Pflanzen

  3. Verdauung, Stoffwechsel und Ernährung mit dem thematischen Schwerpunkt: Schnapskräuter

  4. Infektionen und Hildegards Garten

  5. Nervensystem und Bewegungsapparat mit dem thematischen Schwerpunkt: Meditationsgarten

  6. Sinnesorgane mit dem thematischen Schwerpunkt: kosmetische Pflanzen

  7. Der Medizingarten für Kinder ([Abb. 4]).

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Abb. 3 Duftpflanzen als Beispiel für einen Schwerpunkt.
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Abb. 4 Der Medizingarten für Kinder.

Dabei werden sowohl evidenzbasierte als auch überlieferte Kenntnisse zur Wirkung von Pflanzenmedizin vermittelt. Die Medicinhaverne beeindrucken durch ihre botanische Vielfalt und ihre integrative Konzeption: Historische Gartenkultur, moderne Phytotherapie, ökologische Verantwortung und Bildungsarbeit greifen hier auf bemerkenswerte Weise ineinander.

Im Rahmen meines Besuchs am 31. Juli 2025 hatte ich die Gelegenheit, diesen besonderen Ort eingehend zu erkunden. Mein Aufenthalt war geprägt von einer wissenschaftlich reflektierten Auseinandersetzung mit dem gartenmedizinischen Konzept, der kultivierten Artenvielfalt und der ökologisch-ethnobotanischen Bedeutung der Anlage. Die Frage, wie pflanzenbezogenes Wissen – sowohl traditionell überlieferte Erkenntnisse als auch moderne wissenschaftliche Forschung – heute wirksam vermittelt werden kann, gewinnt angesichts ökologischer und gesundheitlicher Herausforderungen zunehmend an Bedeutung. Historische Praktiken zeigen eindrucksvoll, wie tiefgreifend das Verständnis für pflanzliche Zusammenhänge einst war: Pflanzen wie Beinwell, Brennnessel oder Rhabarber wurden gezielt zur Herstellung von Jauchen und Aufgüssen eingesetzt, um Kulturpflanzen zu stärken und Schädlinge auf natürliche Weise zu regulieren – lange bevor synthetische Pflanzenschutzmittel verfügbar waren.

Besonders hervorzuheben ist die Anwendung von Mischkultur, die nicht nur agronomisch effektiv, sondern auch gestalterisch anspruchsvoll war. Partnerpflanzen förderten sich gegenseitig im Wachstum, unterdrückten unerwünschte Konkurrenz und bildeten stabile ökologische Systeme. Die gezielte Gestaltung von Mikrohabitaten – etwa die Kombination von Rosen mit Frauenmantel oder Perückenstrauch – verdeutlicht das tiefgreifende Wissen um Standortansprüche und synergistische Wirkungen.

Orte wie Tranekær leisten heute einen wertvollen Beitrag zur Förderung von Gesundheitskompetenz, Umweltbewusstsein und einer zukunftsorientierten Heilpflanzenkunde, indem sie dieses Wissen erfahrbar machen und weiterentwickeln.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
01. Dezember 2025

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