Onkologie up2date 2022; 4(04): 297-303
DOI: 10.1055/a-1911-2913
SOP / Arbeitsablauf

SOP Weichgewebesarkome und SOP Knochenmetastasen

Hagen Fritzsche
,
Christine Hofbauer
,
Klaus-Dieter Schaser

Präoperative Diagnostik und Klassifikation

Klinische Untersuchung

In der klinischen Untersuchung wird eine eventuell palpable Schwellung auf Druckdolenz und Verschieblichkeit überprüft. Die angrenzenden Gelenke sind auf Beweglichkeit und Stabilität zu prüfen. Die periphere Durchblutung, Sensibilität und Motorik sind im Seitenvergleich zu testen.

Bei Vorhandensein der folgenden fünf Kriterien ist mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem malignen Weichgewebetumor auszugehen [6]:

  • Alter des Patienten > 50 Jahre,

  • Tumorgröße > 8 cm,

  • schnelle Größenprogression,

  • Schmerzen,

  • tiefe subfasziale Lokalisation


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Bildgebung

Die Sonografie ist eine schnell durchführbare, effektive und kostengünstige bildgebende Diagnostik und steht vor allem ambulant zumeist immer am Anfang der diagnostischen Kette. Neben Größe und Lokalisation können Abgrenzung zu Nachbarstrukturen, die Binnenstruktur und der regionale Lymphknotenstatus beurteilt werden. Goldstandard bei der weiterführenden Beurteilung bleibt dennoch die MRT, welche auch bei den Weichteilsarkomen immer mit Kontrastmittel zur Darstellung nekrotischer/hyperperfundierter Areale durchgeführt werden sollte. Die PET kann bei der primären Diagnostik ergänzend eingesetzt werden.


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Biopsie

Die Grundprinzipien der Biopsie sind analog der primär malignen Knochentumoren anzuwenden. Lediglich kleine (< 3 cm) und oberflächlich lokalisierte Tumoren können primär weit reseziert werden (Exzisionsbiopsie). Jede andere malignitätssuspekte Läsion wird primär biopsiert. Feinnadelbiopsien führen in 72%, Stanzbiopsien in 91% und offene Biopsien in ca. 98% zu einer korrekten Diagnose [6].


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Klassifikation

Die Klassifikation erfolgt anhand der TNM-Klassifikation der Weichgewebesarkome (UICC), die Graduierung anhand des FNCLCC-Systems. Erst nach Abschluss der Diagnostik können das Tumorstadium und die daraus resultierenden therapeutischen Konsequenzen abgeleitet werden [7], [8].


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Indikationsstellung und Verfahrenswahl

Basis der lokalen Tumorkontrolle ist die chirurgische Therapie unter sicherer R0-Resektion. Die Behandlungsstrategie richtet sich nach Tumorstadium und Lokalisation. Bei etwa 45% der Patienten kann eine primär operative Therapie durchgeführt werden. Nicht selten (35%) ist primär allerdings eine neoadjuvante Therapie (Chemotherapie, Strahlentherapie, Hyperthermie etc.) indiziert. In 20% der Fälle muss eine palliative systemische Therapie durchgeführt werden [6].

Entscheidend ist in kurativer Intention die onkologisch sichere weite R0-Resektion. Eine adjuvante Strahlentherapie ist danach zu prüfen ([Abb. 1]). Bei High-Grade-Tumoren sind im Falle der Infiltration angrenzender „Hüllschichten“ (Faszie, Periost, Knochenlamelle etc.) diese unbedingt als biologische Barrieren en bloc mit zu resezieren.

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Abb. 1 Weichgewebesarkome. Behandlungsalgorithmus.

Bei lokal aggressiven Tumoren (aggressive Fibromatose) und Low-Grade-Weichgewebesarkomen (z. B. atypischer lipomatöser Tumor) ist eine dünne Bindegewebshülle als Sicherheitsabstand ausreichend. Der Biopsiekanal und die Drainageausleitung verbleiben allerdings definitiv am Präparat. Häufig sind plastisch rekonstruktive Verfahren erforderlich. Marginale oder gar intraläsionale Resektionen müssen bei Weichgewebesarkomen zwingend vermieden werden, da diese durch additive Therapieverfahren, und häufig auch durch chirurgische Nachresektionen, nicht zu kompensieren sind.

In über 80% der Fälle [6] ist der Erhalt der Extremität möglich. Dennoch ist in seltenen Fällen nach Ausschöpfung aller multimodalen Therapieoptionen intentionsunabhängig die Amputation zu erwägen.

Neoadjuvante Therapiekonzepte

Bei lokal fortgeschrittenen Weichgewebesarkomen mit primär unsicherer R0-Resektion oder High-Grade-Sarkomen sind präoperativ neoadjuvante Therapieoptionen zu prüfen.


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Adjuvante Therapiekonzepte

Bei hochmalignen Tumoren hat sich postoperativ der Einsatz einer konsolidierenden Radiotherapie zur Minimierung eines Lokalrezidivs bewährt. Der Stellenwert einer adjuvanten Chemotherapie ist nicht belegt [6].


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Aufklärung und Komplikationen

Neben den allgemeinen Risikofaktoren ist bei operativen Verfahren von Weichgewebssarkomen über folgende Komplikationsmöglichkeiten aufzuklären:

  • anhaltende Beschwerden, Bewegungseinschränkung

  • lokales Tumorrezidiv/Resttumor

  • sensomotorische Defizite bei Nervenresektion

  • Wundheilungsstörung/Infektion bei neoadjuvanter Radiatio

  • Notwendigkeit (neo-)adjuvanter Therapiemaßnahmen


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Präoperative Checkliste

Neben den allgemeinen präoperativen Maßnahmen sind folgende Punkte bei Weichgewebesarkomen zu prüfen:

  • Verfügbarkeit von Röntgenaufnahmen (lokal in mind. 2 Ebenen zum Ausschluss einer ossären Beteiligung), lokale MRT und Staging-CT

  • Histologie, ggf. Referenzhistologie

  • ggf. PET zur Beurteilung multipler Metastasierung, Skip-Läsionen, metabolische Aktivität

  • ggf. Angio-CT/Angio-MRT, DSA zur Identifizierung Gefäßstatus

  • interdisziplinäre onkologische Planung über Tumorboard/-konferenz

  • Patienten-individuelle Aufklärung über Chancen, Risiken, Nachbehandlung


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Perioperative Maßnahmen

Folgende perioperative Maßnahmen sind bei Weichgewebesarkomen standardisiert anzuwenden:

  • keine Blutsperre, kein Cell Saver

  • perioperative Antibiotikaprophylaxe

  • ggf. Hinzuziehung anderer Fachdisziplinen (Thorax-/Viszeral-/Gefäß-/plastische Chirurgie)

  • ggf. intraoperativ histologische Schnellschnittuntersuchungen

  • Drainage mit Sog


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Postoperative Maßnahmen und Nachbehandlung

  • interdisziplinäre Tumorkonferenz zur Prüfung adjuvanter Therapiemaßnahmen

  • Vermeidung sekundärer Komplikationen (Infektion, Serom etc.)

  • Die Nachsorge der Weichgewebesarkome beinhaltet eine lokale MRT und eine Thoraxbildgebung. Die Kontrollen werden die ersten beiden Jahre postoperativ vierteljährig, anschließend bis zum 5. – 6. Jahr postoperativ halbjährlich und danach bis zum 10. Jahr jährlich durchgeführt.


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Publication History

Article published online:
30 November 2022

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Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

 
  • Literatur

  • 1 Enneking WF, Spanier SS, Goodman MA. Current concepts review. The surgical staging of musculoskeletal sarcoma. J Bone Joint Surg Am 1980; 62: 1027-1030
  • 2 Fourney DR, Frangou EM, Ryken TC. et al. Spinal instability neoplastic score: an analysis of reliability and validity from the spine oncology study group. J Clin Oncol 2011; 29 (22) 3072-3077
  • 3 Hardes J, Gebert C, Hillmann A. et al. The value of rotationplasty today in the treatment of primary malignant bone tumors. Possibilities and limitations. Orthopade 2003; 11: 965-970
  • 4 Mirels H. Metastatic disease in long bones: a proposed scoring system for diagnosing impending pathologic fractures. Clin Orthop Relat Res 1989; 249: 256-264
  • 5 Schultheiss M, Kinzl L, Hartwig E. et al. Operative Therapieoptionen bei Skelettmetastasen. Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 2007; 2: 141-156
  • 6 Tunn PU. Maligne Tumoren des muskuloskelettalen Systems. Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 2008; 3: 317-344
  • 7 Tunn PU, Gebauer B, Fritzmann J. et al. Aktuelle multimodale Diagnostik als Basis einer differenzierten operativen Therapie von Weichteilsarkomen. Chirurg 2004; 75: 1165-1173
  • 8 Accessed March 03, 2022 at: https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/adulte-weichgewebesarkome/