Pneumologie 2022; 76(08): 576-577
DOI: 10.1055/a-1892-0156
Nachruf

Nachruf Dr. med. Martina Pötschke-Langer

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Dr. med. Martina Pötschke-Langer, Foto © dkfz/Jung.

Dr. Martina Pötschke-Langer, korrespondierendes Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin, ist nach kurzem Krankenlager am 13. Juni im Alter von 71 Jahren verstorben. Sie hat die Tabakprävention in Deutschland maßgebend geprägt.

Martina Pötschke-Langer wurde 1951 in Bautzen geboren. Nach dem Abitur im Jahr 1970 begann sie ein Studium der Fächer Germanistik und Geschichte, welches sie 1975 mit dem Magister Artium erfolgreich abschloss. Während einer Reise in die Sahara kam sie in Kontakt mit Nomaden, die medizinische Hilfe benötigten. Daraus entstand der Wunsch, Medizin zu studieren. So folgte 1975 das Studium der Humanmedizin. Ein sehr eindrückliches Studienerlebnis war für sie die Beinamputation bei einem Tabak-rauchenden Patienten. Einem Portrait der Helmholtz-Gemeinschaft über Martina Pötschke-Langer ist Folgendes zu entnehmen: „Später saß sie für ihre Doktorarbeit an der Universität Heidelberg am Bett eines Krebspatienten, auch er ein starker Raucher. ‚Da habe ich das erste Mal erlebt, wie verzweifelt ein Patient sein kann. Und wie wütend darüber, dass damals niemand über die Folgen des Rauchens aufgeklärt hat.‘ Diese Eindrücke waren so stark, dass sie sich Gedanken machte, wie man von einer Reparatur- zu einer Präventionsmedizin kommen könnte.“ Daraus resultierte die Mission für ihr weiteres Wirken.

Sie promovierte während ihrer ersten Stelle an der Chirurgischen Klinik der Heidelberger Universität. Anschließend bearbeitete sie In enger Zusammenarbeit mit Prof. Detlev Ganten vom Pharmakologischen Institut der Universität Heidelberg mehrere innovative, präventiv ausgerichtete Programme der Deutschen Hochdruckliga, aus denen das „Weißbuch Hypertonie“ und ein von der Bundesregierung über mehrere Jahre gefördertes „Nationales Blutdruckprogramm“ entstand.

Seit 1992 gehörte Martina Pötschke-Langer – zunächst als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) – zu den Initiator*innen der ABNR-Vorläuferorganisation „Koalition gegen das Rauchen“ und zu den Gründungsmitgliedern des „Aktionsbündnis Nichtrauchen“. Von 1997–2016 leitete sie die Stabstelle Prävention des DKFZ – beim Aufbau unterstützte sie nachdrücklich der damalige Wissenschaftliche Stiftungsvorstand des DKFZ und spätere Nobelpreisträger Prof. Harald zur Hausen. 1999 richtete sie dort das erste bundesweite „Rauchertelefon“ ein. Von 2002–2016 leitete sie zusätzlich das seitdem angeschlossene Kollaborationszentrum für Tabakkontrolle der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Prof. Michael Baumann, jetziger Vorstandsvorsitzender des DKFZ, stellt anerkennend fest: „Wahrscheinlich hat niemand sonst im DKFZ so viel für die Gesundheit der Menschen in Deutschland erreicht wie sie“.

Seit 2016 war Martina Pötschke-Langer in ehrenamtlicher Tätigkeit Vorstandsvorsitzende des Aktionsbündnis Nichtrauchen (ABNR). In allen Funktionen sorgte sie über die Jahrzehnte mit enormem Engagement für die Aufklärung über die Risiken des Tabakkonsums, womit ihr gelungen ist, die gesundheitlichen und sozialen Nachteile des Tabakkonsums in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen. Sie scheute dabei nicht die kompromisslose Auseinandersetzung mit der Zigarettenindustrie und deren Lobbyisten. Eine wichtige Unterstützung erhielt sie stets durch den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Lothar Binding. Früh wies sie auch auf Gesundheitsrisiken der neu in den Markt eingeführten Nikotinprodukte wie E-Zigaretten hin. Durch gezieltes Marketing würden Jugendliche dazu verführt, das Rauchritual einzuüben und nikotinabhängig zu werden. Hervorzuheben ist ihr großes Engagement bei der Aufklärung von Schulkindern und Jugendlichen.

Ihrem Einsatz ist es zu verdanken, dass in Deutschland Gesetze zum Schutz von Nichtrauchern erlassen wurden. 2005 publizierte sie eine Studie, der zufolge in Deutschland jährlich mehr als 3.300 Nichtraucher infolge des Passivrauchens sterben. Dies war eine wichtige Grundlage für Nichtraucherschutzgesetze durch die Bundesländer, nachdem ein Bundesgesetz in mehreren Anläufen immer wieder gescheitert war.

Martina Pötschke-Langer initiierte die stets gut besuchte jährliche Konferenz für Tabakkontrolle. Sie war verantwortliche Redakteurin und (Mit-)Autorin der „Rote Reihe zur Tabakprävention und Tabakkontrolle des DKFZ“. Diese mehr als 30 wissenschaftlichen Publikationen waren eine weitere wichtige Grundlage für die Nichtraucherschutzgesetzgebung. Unter ihrer redaktionellen Leitung legte das DKFZ mit dem detaillierten Tabakatlas Deutschland 2015 zum zweiten Mal nach 2009 eine Zusammenfassung der aktuellen Daten und Fakten rund um den Tabakkonsum und den damit verbundenen gesundheitlichen Risiken und gesellschaftlichen Folgen vor. Demnach sterben jährlich 121.000 Menschen in Deutschland an den Folgen des Rauchens – somit sind 13,5 % aller Todesfälle auf das Rauchen zurückzuführen. Der Atlas – wie auch die Neuauflage 2020 – zeigt eindrücklich auf, dass noch viel zu tun ist, um den hart erkämpften bisherigen Rückgang des Rauchens weiter voranzutreiben und die Tabakkontrollpolitik vor den Interessen der Tabakindustrie zu schützen.

Als parteipolitisch unabhängige Expertin für Tabakprävention war Martina Pötschke-Langer Sachverständige und Gutachterin für die EU-Kommission ebenso wie für die Bundesregierung und Länderregierungen. Sie war

  • Deutsches Mitglied im „European Network for Smoking Prevention“ (ENSP)

  • Mitglied im Steering Committee „International Women against Tobacco“ (INWAT-Europe)

  • Ständige Beraterin der Weltgesundheitsorganisation, Genf, und des Europabüros der WHO in Kopenhagen

  • Mitglied im Steuerungsgremium des Wissenschaftlichen Aktionskreises Tabakentwöhnung (WAT)

  • Mitglied im Advisory Board im European Network of Quitlines

  • Mitglied in der Arbeitsgruppe „Tabak-Zusatzstoffe“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft

  • Außerordentliches Mitglied der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft

In Anerkennung ihrer Leistungen in der Tabakprävention erhielt sie 2007 das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Von der WHO wurde sie jeweils 1999, 2007 und 2011 mit dem „Tobacco Free World Award“ für ihre außergewöhnlichen Beiträge zur öffentlichen Gesundheit ausgezeichnet. 2008 verlieh die WHO dem Deutschen Krebsforschungszentrum unter ihrer Leitung die höchste Auszeichnung zum Weltnichtrauchertag. 2020 war Martina Pötschke-Langer Präsidentin der 8. European Conference on Tobacco or Health (ECToH), die in Verbindung mit dem Deutschen Krebskongress in Berlin stattfand (organisiert gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe und der Deutschen Krebsgesellschaft sowie der European Cancer League).

Martina Pötschke-Langer hatte neben ihrer beruflichen und ehrenamtlichen Tätigkeit vielseitige Interessen. So förderte sie als Past-Präsidentin des Zonta Clubs Heidelberg Kurpfalz Kontakte zwischen Frauen verschiedener Nationen mit dem Ziel, deren Lebenssituation im rechtlichen, politischen, wirtschaftlichen und beruflichen Bereich zu verbessern und die internationale Verständigung zu fördern. Sie war sehr an Kunst und Literatur interessiert und fand Erholung in ihrem Garten und bei ihrer Familie. Sie hinterlässt ihren Ehemann sowie drei Söhne und drei Enkelkinder.

Die Verfasser dieses Nachrufs hatten das Glück mit Martina Pötschke-Langer im Bereich der Tabakprävention eng zusammenarbeiten zu dürfen. Wir verlieren mit ihr eine integrative und warmherzige Kollegin, die uns als herausragendes Vorbild in fester Erinnerung bleiben wird.

Berlin, im Juli 2022
Robert Loddenkemper, ehem. Vertreter der DGP im ABNR
Wulf Pankow, Vertreter der DGP im ABNR
Stefan Andreas, Vertreter der Deutschen Lungenstiftung im ABNR
Torsten Bauer, Präsident der DGP
Wolfram Windisch, stv. Präsident der DGP
Claus F. Vogelmeier, Vorsitzender der Deutschen Lungenstiftung
Christian Taube, stv. Vorsitzender der Deutschen Lungenstiftung

Korrespondenzadresse
Prof. Dr. Robert Loddenkemper
Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin
Robert-Koch-Platz 9
10115 Berlin
robert.loddenkemper@pneumologie.de



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Article published online:
10 August 2022

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