Kardiologie up2date 2022; 18(02): 111-112
DOI: 10.1055/a-1842-3699
Studienreferate

Kommentar zu „Herzinsuffizienz: Schulungsprogramm ohne erhofften Effekt“

Stefan Störk

CONNECT-HF war eine groß angelegte, qualitativ hochwertige, pragmatische Studie, die im US-amerikanischen Gesundheitssystem mit einem Cluster-randomisierten Design die 1-Jahreseffekte eines Übergang-Managementprogramms zwischen dem entlassenden Krankenhaus und der ambulanten Versorgung evaluierte. CONNECT-HF adressierte Patienten mit Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz und einer reduzierten linksventrikulären Ejektionsfraktion (HFrEF), für die eine Vielzahl von Behandlungs- und Managementalgorithmen mit guter Evidenz vorliegen. CONNECT-HF war neutral für beide co-primären Endpunkte, also sowohl „Zeit bis Tod oder durch Herzinsuffizienz bedingte Rehospitalisierung“ als auch die „Qualität der Herzinsuffizienzbehandlung“. Wenngleich das Ergebnis auf den ersten Blick enttäuscht, ergeben sich daraus wichtige Einsichten, die auch die zentrale Bedeutung einer guten Implementierungsforschung unterstreichen.

So sind hinsichtlich der Interpretation der Ergebnisse und der Übertragbarkeit auf das deutsche Gesundheitssystem einige Aspekte des Studiendesigns besonders relevant. Nur etwa ein Drittel der angefragten Kliniken nahm an der Studie teil. Mehr als 50% der teilnehmenden Kliniken boten bereits etablierte Herzinsuffizienz-Programme an und 30% hatten am Programm zur Verbesserung der Leitlinientreue (Get with the Guideline Heart Failure) teilgenommen. Im Gegensatz zur klinischen Praxis mussten alle Studienteilnehmer schriftlich ihr Einverständnis bekunden. Dies bedeutet, dass die CONNECT-HF Kliniken überdurchschnittlich häufig bereits gut implementierte Herzinsuffizienz-Entlassprogramme aufwiesen und überdurchschnittlich motivierte Patienten rekrutierten, was den möglichen Kontrast zwischen Kontrolle und Intervention reduzierte. Mit Blick auf das deutsche Gesundheitssystem bedeutet CONNECT-HF also nicht, dass Entlassprogramme ineffektiv sind, sondern dass trotz optimiertem Entlassmanagement die Langzeitbetreuung zusätzlicher Impulse bedarf, die nicht alleine von der Klinik ausgehen können. So zeigen Studien, dass Klinik-gesteuerte Programme recht bald ein Plateau der Effektivität erreichen (Ceiling Effect; Übersicht in [1]). Hier war in CONNECT-HF insbesondere auffällig, dass die studienspezifischen Qualitätsindikatoren sich im 12-Monatsverlauf kaum veränderten. Trotz des jungen mittleren Alters der Studienteilnehmer – mit 62 Jahren ca. 13 jünger als der Durchschnitt der herzinsuffizienten Patienten in Deutschland [2] – blieb die Auftitration auf empfohlene Zieldosierungen und die Kombination der von Leitlinien empfohlenen Substanzklassen mangelhaft.

Dies sollte einerseits Anlass dazu geben, die üblichen Qualitätsindikatoren auf ihre Praxisrelevanz zu überprüfen. Nicht nur, dass diese aus Studienergebnissen abgeleitet sind, die sich in wichtigen Aspekten vom klinischen Alltag deutlich unterscheiden. Sie sind für die Evaluation einer klinikgesteuerten Intervention vermutlich schlicht ungeeignet. So war in CONNECT-HF z. B. der sekundäre Endpunkt „Gesamtzahl Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz“ durchaus relevant beeinflusst: er lag um die Zahl 200 und damit um 13% niedriger als in der Kontrollgruppe!

Andererseits sollten die Patienten selbst besser als bisher in den Betreuungsprozess mit einbezogen werden. Wenngleich das unlängst erschienene Update der Herzinsuffizienz-Leitlinien einen wichtigen Fortschritt darstellt und die „Vereinfachung der Pharmakotherapie bei Patienten mit HFrEF“ feiert [3], so darf nicht übersehen werden, dass die Therapie zunehmend personalisierter und damit komplexer wird. Vereinfachte Implementierungsstrategien (One Size fits all) werden demnach ineffizient bleiben. Das Institut für Qualitätssicherung und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat vor Kurzem das bereits seit August 2018 auf Abruf bereitstehende, bislang aber nicht implementierte Disease-Management-Programm Herzinsuffizienz sehr sachgerecht kritisiert in Bezug auf dessen unzureichende Passgenauigkeit für die deutsche Versorgungswirklichkeit [4]. Hier besteht jetzt die große Chance und Aufgabe, unter Einbeziehung innovativer Ergänzungen (Telemonitoring HI, Digitale Gesundheitsanwendungen u. ä.), ein für alle am Versorgungsprozess Teilnehmenden ein qualitativ hochwertiges Versorgungsprogramm auszugestalten.



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Article published online:
01 June 2022

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