Laryngorhinootologie 2022; 101(08): 631-632
DOI: 10.1055/a-1776-2012
Referiert und Diskutiert

Kommentar zu „Idiopathische Schmerzen nach Cochleaimplantation analysiert“

Contributor(s):
Andreas Radeloff

**** Schmerzen im Bereich des Cochlea-Implantats (CI) stellen im Alltag eine diagnostische und – mehr noch – therapeutische Herausforderung dar. Die vorliegende Studie aus der Harvard Medical School untersuchte retrospektiv eine Serie von pädiatrischen CI-Patient*innen, deren Schmerzsymptomatik nur durch Explantation in den Griff zu bekommen war.

Erstaunlicherweise fanden die Autor*innen trotz einer meist mehrjährigen Latenz zwischen Operation und erstem Auftreten der Schmerzen deutliche Hinweise für eine Infektion als Ursache. Lediglich in einem von 16 Fällen konnte kein Keimnachweis geführt werden. Die gefundenen Keime waren überwiegend Hautkeime mit geringer Pathogenität. Infektion oder Kontamination? Diese Frage stellt sich natürlich beim Lesen des Artikels. Obwohl eine Kontamination bei der Probenentnahme gerade im Bereich der behaarten Haut in Betracht kommt, spricht doch einiges für eine „echte“ Implantatinfektion. So waren bei jedem Eingriff mehrere Proben genommen worden (350 Proben in 44 Eingriffen); von diesen waren knapp 40% positiv. Zudem sistierten die Schmerzen nach allen 16 Explantationen.

Interessanterweise spielte eine aufsteigende Infektion aus den Atemwegen ausweislich des nachgewiesenen Keimspektrums keine Rolle. Durch die erhebliche Latenz zwischen Operation und Schmerzbeginn einerseits und den gefundenen Hautkeimen andererseits sind also 2 ursächliche Mechanismen denkbar:

  1. Eine Kontamination des Implantats während der Operation, die zu einer latenten Infektion mit zunächst subklinischem Verlauf führt.

  2. Eine spätere Einbringung von Hautkeimen z.B. durch Mikroverletzungen bei der Haarpflege.

Die Autor*innen berichten am Rande über ihre sehr konsequente Herangehensweise bei Schmerzen im Bereich des Implantats, die nicht durch eine andere Ursache erklärbar waren. Typischerweise umfasste diese einen initialen Therapieversuch mit einem oralen Antibiotikum. Bei Beschwerdepersistenz empfahlen die Autor*innen stets die chirurgische Exploration zur Gewinnung eines Keimnachweises. Gerne hätte ich erfahren, wie groß der Anteil der Patient*innen war, die mit einem konservativen Vorgehen erfolgreich behandelt werden konnten. Dies teilen die Autor*innen leider nicht mit, sondern verweisen auf eine noch folgende Veröffentlichung.

Fazit

In meinem klinischen Alltag werde ich öfter an diese Studie denken: Sie hat mir die potenziellen Folgen einer Implantatkontamination noch einmal verdeutlicht und bietet ein gutes Schema für das Vorgehen bei einem Infektionsverdacht im Bereich des Implantatlagers.



Publication History

Article published online:
01 August 2022

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