Die Wirbelsäule 2022; 06(01): 8-9
DOI: 10.1055/a-1589-1531
Referiert und kommentiert

Kommentar zu: Lumbale Spondylolisthese: Dekompression versus Dekompression plus Fusion

Robert Karl Zahn
1   Charité Campus Virchow Klinikum - Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie, Berlin, Germany
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Julia Zollfrank
1   Charité Campus Virchow Klinikum - Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie, Berlin, Germany
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Die degenerative Spondylolisthese weist eine altersabhängige Prävalenz von bis zu 60% auf und stellt zusammen mit weiteren degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule mittlerweile die häufigste orthopädische Operationsindikation dar [1] [2]. Die Wahl der optimalen Behandlung dieser Volkskrankheit hat demzufolge eine hohe klinische und sozio-ökonomische Relevanz. Bundesweit existieren Unterschiede in der Diagnose- und Indikationsstellung sowie in den Behandlungskonzepten degenerativer Wirbelsäulenerkrankungen [3].

In der vorliegenden Arbeit werden die isolierte Dekompression und die Spondylodese in Kombination mit einer Dekompression in einer Nicht-Unterlegenheitsstudie unter der Hypothese, dass es zwischen beiden Therapieverfahren keinen Unterschied im klinischen Outcome gibt, miteinander verglichen. Die Reduktion des ODI um 30% wurde als Parameter verwendet, um das primäre Outcome nach zwei Jahren zu beurteilen. Das primäre Outcome unterschied sich nicht zwischen den Gruppen, die einfache Dekompression schnitt im sekundären Outcome durch kürzere Krankenhausaufenthalte und OP-Zeiten besser ab.

Dabei war der Anteil schwerwiegend vorerkrankter Patienten in der Fusionsgruppe höher. Im Anhang der Veröffentlichung findet man zudem Angaben über das Ausmaß des Wirbelkörpergleitens, die betroffenen Höhen sowie die Anzahl der operierten Bewegungssegmente. Die Ausprägung des Wirbelkörpergleitens wird als Faktor der Instabilität angesehen und beeinflusst bislang die Wahl der operativen Behandlungsstrategie.

In der Studie wurde nicht zwischen den verschiedenen Operationstechniken der Spondylodese unterschieden, für welche aber eine äußerst geringe Standardabweichung der Operationszeit angegeben ist. Der Einfluss postoperativen Komplikationen auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität wurde nicht untersucht. Dabei ist zu beachten, dass die invasivere Stabilisierung mit schwerwiegenderen Komplikationen assoziiert ist. Die einfache Dekompression kann zur postoperativen Instabilität der operierten Segmente führen. Das Outcome eines Revisionseingriffes mit einer sekundären Instrumentierung wurde hier nicht untersucht, insgesamt ist darüber wenig bekannt und das Ergebnis könnte schlechter als bei der primären Operation sein [4].

Die Aussagekraft wird aufgrund der fehlenden Betrachtung dieser Einflussfaktoren auf das Behandlungsergebnis relativiert.

Ausschlaggebend für Studien zur generellen Entscheidungsfindung bei elektiven Eingriffen sollte zudem immer das langfristige klinische Ergebnis sein.

Die NORDSTEN/DS-Studie mit einem Beobachtungszeitraum von insgesamt zehn Jahren wird zu weiteren wichtigen Erkenntnissen führen. Dabei wird einerseits die Rate an sekundären Spondylodesen nach isolierter Dekompression sowie andererseits die Inzidenz von symptomatischen Anschlussdegenerationen nach Spondylodese eine definitivere klinische Bewertung der jeweiligen Operation ermöglichen. Weiter wird die Identifikation prädiktiver Faktoren die Wahl des geeigneten Operationsverfahren vereinfachen. Durch dieses Wissen kann eine Aussage über den langfristigen postoperativen Verlauf der beiden Operationsverfahren getroffen werden und die Grundlage für die Wahl der optimalen Behandlung der degenerativen Spondylolisthese sein.



Publication History

Article published online:
04 March 2022

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