Suchttherapie 2023; 24(02): 73-81
DOI: 10.1055/a-1518-2862
Originalarbeit

Beratung Angehöriger pathologischer Glücksspieler/-innen: Status quo und Unterstützungsbedarf

Eine explorative Befragung von Suchthilfe-Mitarbeitenden und Angehörigen zur Entwicklung einer KurzinterventionStatus Quo and Needs in Counselling CSOs of Pathological GamblersExplorative Survey of Addiction Care Employees and CSOs to Develop a Brief Intervention
Sabine Härtl
1   Bayerische Akademie für Sucht- und Gesundheitsfragen BAS Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), Landesstelle Glücksspielsucht in Bayern
,
Sonja Schröder
1   Bayerische Akademie für Sucht- und Gesundheitsfragen BAS Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), Landesstelle Glücksspielsucht in Bayern
,
Corinna Gartner
1   Bayerische Akademie für Sucht- und Gesundheitsfragen BAS Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), Landesstelle Glücksspielsucht in Bayern
,
Norbert Wodarz
2   Zentrum für Suchtmedizin, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Regensburg am Bezirksklinikum Regensburg
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Zusammenfassung

Ziel Angehörige von Menschen mit Glücksspielproblemen sind mit gesundheitlichen, sozialen und emotionalen Belastungen konfrontiert. Bis dato existiert jedoch kein etabliertes Konzept zur Unterstützung für diese Zielgruppe. Deshalb sollen in dieser Studie zum einen relevante Rahmenbedingungen und inhaltliche Aspekte der Arbeit mit Angehörigen von Menschen mit Glücksspielproblemen geklärt und zum anderen die Grundlage für die Entwicklung einer Kurzintervention geschaffen werden.

Methodik Onlinegestützte deutschlandweite Befragung von Suchthilfe-Mitarbeitenden (n=102) sowie Gruppendiskussion mit Angehörigen (n=4) im Herbst 2019.

Ergebnisse Die befragten Mitarbeitenden in der Suchthilfe nannten als die wichtigsten Themen für die Beratung von Angehörigen von Menschen mit Glücksspielproblemen das Verhalten Angehöriger gegenüber Betroffenen, Geldmanagement, den Umgang mit Emotionen, Beziehungsberatung und Psychoedukation. Die meisten Befragten gaben an, die Angehörigen im Einzelsetting (68%) in durchschnittlich 3 Sitzungen (Median 2,5; Min=1; Max=15) zu beraten. Der Abstand zwischen den Sitzungen beträgt durchschnittlich 3 Wochen (Median 2 Wochen). Für die zu entwickelnde Kurzintervention wurden Verantwortungsrückgabe und Selbstfürsorge (69%), Problem-/Belastungsexploration (42%) und Tipps zur finanziellen Existenzsicherung (28%) als die drei wichtigsten Themen ausgewählt. Sowohl als Erfolgsfaktor für eine gelingende Angehörigenberatung als auch für die Adhärenz der Angehörigen wurde eine positive bzw. wertschätzende Beziehungsgestaltung am häufigsten genannt. Die Ergebnisse aus der Gruppendiskussion mit Angehörigen deuten in eine ähnliche Richtung: Die Themen Verhalten als Angehörige gegenüber Betroffenen, Abgrenzung/Verantwortlichkeiten und konkrete Verhaltenstipps wurden als wichtig erachtet; jedoch ging es den Angehörigen eher darum, sich „richtig“ zu verhalten, während der Fokus der Suchthilfe auf der Abgrenzung und Selbstfürsorge lag.

Schlussfolgerungen Die Studie liefert wichtige Hinweise auf relevante Themen und Inhalte für die Beratung Angehöriger von Menschen mit Glücksspielproblemen. Auf Basis dieser Ergebnisse soll im nächsten Schritt eine Kurzintervention entwickelt werden. Hinsichtlich der Beratungsmethoden herrscht jedoch weiterer Forschungsbedarf. Zum anderen sollte untersucht werden, wie der Zugang der Angehörigen zum Hilfesystem und dessen Bekanntheit optimiert sowie bestehende Barrieren vermindert werden können.

Abstract

Purpose Gambling poses severe mental health strains for family members, partners and friends of the gamblers. However, so far no established concept to support these concerned significant others (CSOs) exists. Therefore, on the one hand relevant framework conditions and content-related aspects of working with the CSOs of people with gambling problems ought to be considered and on the other hand an outline for a future short intervention was developed.

Methods Web-based survey of German addiction care staff (n=102) and group discussion with CSOs (n=4) in autumn 2019

Results The addiction care employees named money management, dealing with emotions, relationship counselling, psychoeducation and how to deal with a gambling partner/kid as the most important topics. Most respondents stated that they worked with the CSOs in individual settings (68%) in an average of 3 sessions (median 2.5; min=1; max=15). The interval between sessions was 3 weeks on average (median 2 weeks). For the planned short intervention, the three most important topics were helping the gambler to take responsibility again and thus increase their own well-being (69%), problem/stress exploration (42%) and tips for securing financial livelihoods (28%). The most frequently cited factor for successful counselling of CSOs as well as for their adherence was creating a positive or appreciative relationship. The results from the group discussion with CSOs point in a similar direction. CSOs considered how to deal as CSO with the gambler, setting limits/responsibilities and receiving specific tips as the most important topics; however, the CSOs were more concerned with getting it “right” while the focus of the addiction care was on differentiation and the CSO’s own well-being.

Conclusion The study provides important information on relevant topics and content for working with CSOs of people with gambling problems. Based on these results, the next step is to develop a short intervention. However, there is a need for further research with regard to counselling methods. Furthermore, it should be investigated how CSOs' access the help system and its popularity can be optimized and existing barriers can be reduced.



Publication History

Article published online:
13 April 2022

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