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Häufigkeit thrombotischer Ereignisse COVID-19 ist deutlich mit einem erhöhten Thromboserisiko assoziiert. 5–11 % der PatientInnen
auf Normalstationen und 18–28 % der intensivpflichtigen PatientInnen entwickeln eine
venöse Thromboembolie. Auch das Risiko für arterielle thromboembolische Ereignisse
ist erhöht: ungefähr 3 % der COVID-19-PatientInnen auf einer Intensivstation erleiden
einen Herzinfarkt, Schlaganfall oder eine systemische Embolie. Zusätzlich zum prothrombotischen
Zustandsbild ist auch das Blutungsrisiko erhöht (3,9 % bei hospitalisierten PatientInnen).
Für ambulant betreute oder bereits wieder entlassene PatientInnen dürfte das Thromboserisiko
gering sein.
Pathomechanismus: Koagulopathie Bei COVID-19 besteht ein prothrombotisches Zustandsbild, hervorgerufen durch ein
Zusammenspiel aus Infektionserreger, Inflammation und dem Gerinnungssystem. Die sich
potenzierenden Effekte verursachen eine Endothelaktivierung, die Ausschüttung proinflammatorischer
Zytokine und eine Kettenreaktion im Gerinnungssystem. Laborchemisch imponieren bei
der COVID-19-assoziierten Koagulopathie ein stark erhöhtes D-Dimer, hohes Fibrinogen,
eine verlängerte Prothrombinzeit sowie eine verminderte Thrombozytenanzahl. Das überproportional
hohe Auftreten von Lungenembolien lässt eine teilweise pulmonale Thrombenentstehung
vermuten, welche auf Basis der entkoppelten Inflammation entsteht. Die Aktivierung
des Gerinnungssystems durch COVID-19 kann sich auch prognostisch zunutze gemacht werden,
um Morbidität und Letalität anhand von Gerinnungsparametern abzuschätzen.
Therapie und Thromboseprophylaxe Aufgrund des hohen thrombotischen Risikos ist eine prophylaktische Antikoagulation,
bevorzugt mit niedermolekularem Heparin, bei allen hospitalisierten PatientInnen indiziert.
Lediglich über die Dosierung herrscht Unklarheit. Neue randomisiert-kontrollierte
Studien zeigen erste Signale: eine therapeutische oder intermediäre Antikoagulation
scheint keinen Vorteil gegenüber einer Standardprophylaxe für intensivpflichtige PatientInnen
zu bringen. Es ist jedoch möglich, dass eine therapeutische Dosierung, eingesetzt
auf Normalstationen bei PatientInnen mit (noch) moderatem Verlauf, zu einem besseren
Outcome führt. Für ambulant betreute oder bereits entlassene PatientInnen ist die
Evidenz nach wie vor gering. In beiden Fällen ist keine routinemäßige Antikoagulation
empfohlen. Bei niedrigem Blutungsrisiko kann jedoch eine Thromboseprophylaxe erwogen
werden.
Abstract
COVID-19, primarily a respiratory disease, is considered a multi-systemic disease
as symptom severity increases. Blood coagulation abnormalities are key features of
patients with severe symptoms and indicative of the high risk of both venous and arterial
thromboembolism in COVID-19. This prothrombotic condition caused by an interplay of
the infectious agent, inflammation, and the blood coagulation system is referred to
as COVID-19-associated coagulopathy and characterized by greatly increased D-dimer,
high fibrinogen, an extended prothrombin time, and a reduced number of platelets.
Due to this high thrombotic potential, prophylactic anticoagulation is recommended
in all hospitalized patients. However, the optimal dosage of anticoagulation is still
debated. In this article, we provide an overview of the current state of knowledge
about COVID-19-associated coagulopathy and discuss clinical therapeutic consequences.
Schlüsselwörter
COVID-19 - Koagulopathie - Thrombose
Key words
COVID-19 - venous thromboembolism - coagulopathy