Neonatologie Scan 2021; 10(02): 87-96
DOI: 10.1055/a-1473-4942
Gast-Editorial

Die neuen ILCOR- und ERC-Leitlinien zur postnatalen Versorgung – viele Antworten und manch offene Frage

Helmut Küster
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Helmut Küster

Eine Erstversorgung unmittelbar nach Geburt sollte für alle Anwesenden als unproblematische Transition des Neugeborenen vom intrauterinen zum postnatalen Leben verlaufen. Nur bei 0,3 % aller Geburten besteht die akute Notwendigkeit einer Reanimation, also einer Wiederbelebung im wörtlichen Sinne. Während beide Wege vor 3 Jahrzehnten eher einer „Black Box“ glichen, bei deren Ablauf lokale Gepflogenheiten dominierten, hat ein rasch wachsendes Wissen aus Tierexperimenten und klinischen Studien seither viel Evidenz geschaffen. Zwei internationale Arbeitsgruppen, das nordamerikanisch dominierte „International Liaison Committee on Resuscitation“ (ILCOR)[1] und der „European Resuscitation Council“ (ERC)[1], verfolgen seit über 20 Jahren das Ziel, wissenschaftlichen Konsens über die effektivste Reanimationspraxis zu erreichen sowie Vorschläge zur Vereinheitlichung des Vorgehens zu machen. Beide publizieren Stellungnahmen zur Reanimation, einerseits den „Consensus of Science and Treatment Recommendations“ (CoSTRs), andererseits das „Newborn resuscitation and support of transition of infants at birth“. In beiden Stellungnahmen wird die wissenschaftliche Basis detailliert analysiert und die daraus resultierende Evidenz als Empfehlungen zusammengefasst. Diese Stellungnahmen erschienen kürzlich in der 5. Auflage und sind frei zugänglich [1] [2]. Sie wurden vor der Publikation zur öffentlichen Diskussion gestellt sowie untereinander und mit verschiedenen internationalen und nationalen Fachgesellschaften abgestimmt. Aufgrund unterschiedlicher Interpretationen der zugrundeliegenden Evidenz sind diese beiden Stellungnahmen nicht vollkommen identisch. Beide Arbeitsgruppen haben sich aufgrund des mittlerweile außerordentlich aufwendigen Analyseverfahrens darauf beschränkt, nur diejenigen Empfehlungen zu überarbeiten, bei denen bereits in den letzten 5 Jahren eine geänderte Evidenz vorlag. Das ILCOR veröffentlichte 15 unveränderte Empfehlungen, eine neue zur Vor- und Nachbesprechung sowie 5 überarbeitete zum Absaugen von Mekonium, zur initialen Beatmung, zu Adrenalin, dem Gefäßzugang sowie der Beendigung einer frustranen Reanimation. Das ERC hat zusätzlich Änderungen zur Nutzung einer Larynxmaske, zur verzögerten Abnablung, zur Sauerstoffgabe und zur Herzdruckmassage in seiner neuen Stellungnahme aufgenommen.



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Article published online:
20 May 2021

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