Handchir Mikrochir Plast Chir 2021; 53(03): 332-333
DOI: 10.1055/a-1440-0169
Leserbrief

Leserbrief zu K. Knobloch: Extrakorporale Magnetotransduktionstherapie (EMTT) und hochenergetische fokussierte elektromagnetische extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) zur Knochenstimulation bei metakarpaler Pseudarthrose – ein Fallbericht. Handchir Plast Chir 2021; 53: 82–86

Jobst Meyer

Zunächst einmal ist dem Autor für die interessante Darstellung der extrakorporalen Magnetotransduktionstherapie (EMTT) und hochenergetischen fokussierten elektromagnetischen extrakorporalen Stoßwellentherapie (ESWT) zu danken, denn die langen Heilverläufe durch eine verzögerte Frakturheilung bedeuten für die betroffenen Patientinnen und Patienten eine erhebliche Beeinträchtigung.

Zur Erweiterung der Diskussion des Falles möchte ich die Aufmerksamkeit auf 2 Punkte der handchirurgischen Versorgung richten.

Vorgestellt wird eine kurze Querfraktur im mittleren Drittel des 5. Mittelhandknochens rechts mit palmarem Achsknick in ▶Abb. 1 der Arbeit von K. Knobloch [1]. Die Indikation zur Osteosynthese war eindeutig gegeben, aber die gewählte intramedulläre Kirschnerdrahtschienung ist bei der genannten Frakturmorphologie mit dem hohen Risiko einer nicht ausreichenden Stabilität für die Frakturheilung verbunden.

Wie von Foucher erstmals 1976 [2] publiziert, ist die antegrade intramedulläre Schienung für die Versorgung von Frakturen des Halses des 5. Mittelhandknochens und auch bei subkapitalen Frakturen des 2. bis 4. Mittelhandknochens zu empfehlen. Im mittleren Schaftdrittel findet sich eine dicke Kortikalis ohne gut durchblutete Spongiosa im Markraum. Diese anatomische Gegebenheit in Kombination mit einer Quer- oder kurzen Schrägfraktur erfordert eine hohe Primärstabilität der Frakturversorgung, die am besten mit einer dynamischen Kompressions-Plattenosteosynthese erreicht wird, bei Vorliegen einer Trümmerzone mit einer winkelstabilen Plattenosteosynthese [3].

13 Monate nach der Frakturversorgung zeigte sich das Bild einer Pseudarthrose des 5. Mittelhandknochens, und es erfolgte die Revisionsoperation mit nicht vaskularisiertem Beckenkammspan und Miniplatte (vgl. ▶Abb. 3 in der Arbeit von K. Knobloch) [1]. Etwa 2 Monate später zeigte sich in der digitalen Volumentomografie ein unvollständiger Einbau des Beckenkammspanes (vgl. ▶Abb. 4 in der Arbeit von K. Knobloch) [1], Angabe zu Beschwerden des Patienten oder Funktionseinschränkungen werden nicht erwähnt.

In der Arbeit von Miska und Schmidmaier [4] wird das Diamond-Konzept zur Behandlung von Pseudarthrosen und Knochendefekten dargestellt. Es umfasst 5 Kriterien zur Optimierung der Knochenheilung: biomechanische Stabilität, osteogene Zellen, osteokonduktive Strukturen, Wachstumsfaktoren und Vaskularisation.

Pseudarthrosen benötigen im Vergleich mit der primären, physiologischen Frakturheilung eine bedeutend längere Ausheilungszeit und eine ausreichende (höhere) Stabilität der Osteosynthese [4].

Osteogene Zellen und osteokonduktive Strukturen sind mit dem nicht vaskularisierten Beckenkammspan bei der Revisionsoperation eingebracht worden. Um eine bessere Vaskularisation zu erhalten, wurde auf eine weiträumigere Freilegung des 5. Mittelhandknochens verzichtet, und es wurde eine Plattenosteosynthese durchgeführt, bei der im proximalen und im distalen Fragment nur jeweils 4 Kortikalizes mit Schrauben erfasst wurden und durch das Freilassen der 2 mittleren Schraubenlöcher der Platte eine relativ lange Strecke mit verminderter Rigidität der Osteosynthese über der versorgten Pseudarthrose entstand. Durch das Design der verwendeten Platte liegen die beiden Schrauben proximal und distal nebeneinander, so dass in der Sagittalebene in beiden Hauptfragmenten nur ein Fixationspunkt resultiert und die flache Platte trotz ihrer etwas konvexen Krümmung ihrer queren Achse in der Sagittalebene über eine relativ lange Strecke wenig rigide die Pseudarthrose überbrückt.

Retrospektiv ist festzustellen, dass im vorgestellten Fall eine stabilere Osteosynthese mit einer längeren Platte trotz einer stärkeren Kompromittierung der Vaskularisation durch eine weitere Freilegung des 5. Mittelhandknochens mit einer Verringerung des Risikos für eine erneute Pseudarthrose verbunden gewesen wäre. Zur Verkleinerung der Strecke mit verminderter Rigidität der Osteosynthese hätte es die Möglichkeit gegeben, den Beckenkammspan so zu dimensionieren, dass er mit ein oder 2 Schrauben an der Platte fixiert werden kann. Die Platte sollte so gewählt werden, dass alle Plattenlöcher mit Schrauben besetzt werden können und der Abstand zwischen der pseudarthrosespaltnahen Schraube im proximalen und im distalen Fragment möglichst klein ist, um eine Instabilitätszone im Bereich der Pseudarthrose zu vermeiden.

Die Option der extrakorporalen Magnetotransduktionstherapie (EMTT) und hochenergetischen fokussierten elektromagnetischen extrakorporalen Stoßwellentherapie (ESWT) zur Knochenstimulation bietet zur Behandlung von Pseudarthrosen eine aussichtsreiche Therapieoption, aber dennoch sollten die biomechanischen Grundlagen der Differentialindikation und der Durchführung von Osteosyntheseverfahren nicht unbeachtet bleiben.

Publikationshinweis

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Publication History

Article published online:
16 June 2021

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  • Literatur

  • 1 Knobloch K. Extrakorporale Magnetotransduktionstherapie (EMTT) und hochenergetische fokussierte elektromagnetische extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) zur Knochenstimulation bei metakarpaler Pseudarthrose – ein Fallbericht. Handchir Plast Chir 2021; 53: 82-86
  • 2 Foucher G, Chemorin C, Sibilly A. Nouveau procédé d’ostéosynthèse original dans les factures du tiers distal du cinquième métacarpien. Nouvelle Presse Médical 1976; 5: 1139-1114
  • 3 Windolf J, Rueger JM, Werber KD. et al. Behandlung von Mittelhandfrakturen. Unfallchirurg 2009; 112: 577-589
  • 4 Miska M, Schmidmaier G. Diamond-Konzept zur Behandlung von Pseudarthrosen und Knochendefekten. Unfallchirurg 2020; 123: 679-686