PSYCH up2date 2021; 15(03): 184
DOI: 10.1055/a-1403-0665
Editorial

Integration mechanismenorientierter modularer Interventionen mit etablierten Psychotherapieverfahren – der Ansatz einer „Enhanced Psychotherapy“

Stephan Zipfel

Psychotherapie ist ein zentraler leitliniengerechter Behandlungsansatz für Patienten mit psychischen Störungen, dessen Wirksamkeit empirisch nachgewiesen ist. Aus Längsschnittstudien ist aber auch bekannt, dass längst nicht alle Patientinnen ausreichend oder nachhaltig von Psychotherapie profitieren, beispielsweise, weil bestimmte Residualsymptome bestehen bleiben, Rückfälle auftreten oder auch Komorbiditäten nicht ausreichend verbessert worden sind. Um die Behandlungserfolge für unsere PatientInnen zu verbessern, könnten etablierte Psychotherapieverfahren um innovative Komponenten ergänzt und mit ihnen verzahnt werden. Wie könnte ein solcher Ansatz aussehen? Die Grundidee einer solchen „Enhanced Psychotherapy“ besteht darin, innovative Therapiemodule, die stark mechanismen- und prozessorientiert sind, für bestimmte umschriebene Therapieziele und individualisiert [1] zu entwickeln und diese mit Leitlinien-Psychotherapie zu kombinieren und integrieren. Diese Therapiemodule können auf verschiedenen Konzepten beruhen und auch miteinander kombiniert werden, darunter beispielsweise (a) digitale Behandlungsansätze (z. B. virtuelle Realitätsumgebungen oder serious games), (b) kognitive und emotionale Trainings und (c) nicht-invasive Hirnstimulationsverfahren (siehe Beitrag in diesem Heft) (d) Therapietools für PatientInnen mit einem erhöhten Risiko für ein ungünstiges Therapieergebnis. Die Wahl der modularen Therapie erfolgt auf Datenbasis, die sich auf eine multidimensionale Diagnostik stützt. Die Implementierung eines engmaschigen Monitorings des Therapieprozesses ermöglicht auch die adaptive Gestaltung der Behandlung [2], indem PatientInnen mit einem hohen Risiko für ein Nicht-Ansprechen auf die Therapie identifiziert werden können und gegebenenfalls ein Therapiewechsel oder zusätzliche Interventionen eingeleitet werden. Prozess- und Outcomedaten werden integriert, um die Therapiestrategie zu verfeinern und um die Vorhersagekraft klinischer Entscheidungen zu verbessern. Ziel dieses Ansatzes ist es, eine individualisiertere Therapie zu ermöglichen, die letztendlich zu nachhaltigeren Behandlungserfolgen führt und beispielsweise auch häufige Komorbiditäten besser adressiert. Moderne Verfahren des Maschinellen Lernens und der Künstlichen Intelligenz sollten zur Integration von relevanten psychosozialen und biomedizinischen Daten zur erfolgreichen Therapiesteuerung genutzt werden [3].

Stephan Zipfel, Katrin Giel, Wolfgang Lutz



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Article published online:
10 May 2021

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