JuKiP - Ihr Fachmagazin für Gesundheits- und Kinderkrankenpflege 2021; 10(02): 50-51
DOI: 10.1055/a-1351-9658
Kolumne

Neues Jahr, neues Glück?

Heidi Günther
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Quelle: Paavo Blåfield/Thieme Gruppe

„Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser werden wird, wenn es anders wird; aber so viel kann ich sagen: Es muss anders werden, wenn es gut werden soll.“

(Georg Christoph Lichtenberg (1742–1799), deutscher Physiker und Schriftsteller)

Seit mehr als 20 Jahren lässt es sich meine Mutter nicht nehmen, uns, ihren Kindern, zum Jahreswechsel einen Brief zu schreiben. In diesem oft mehrere Seiten langen Brief blickt sie noch einmal auf das vergangene Jahr zurück. Begonnen hat es, als mein Vater schwer erkrankt war. In den ersten Briefen hatte sie die Geschichte unserer Familie, von unseren Großeltern, die wir teilweise gar nicht kennengelernt haben, über den Anfang ihrer Beziehung zu unserem Vater bis hin zu uns allen aufgeschrieben. In diesen ersten Briefen waren sogar Fotos aus diesen Zeiten. Im Lauf der Zeit füllen diese Briefe bei mir zwei dicke Ordner, und manches Mal blättere ich darin rum. Ich freue mich immer sehr auf und über diese kleine Familientradition und denke, dass diese Briefe sicherlich in vielen Jahren auch noch einmal für meinen Sohn interessant werden.

So bekamen wir auch zu diesem Jahreswechsel einen Brief von ihr. Über das Jahr 2020 wurde es der dünnste Brief in unserer Sammlung. Weil: Corona und die allseits bekannten Einschnitte hatten auch unser Familienleben auf ein Minimum über das ganze Jahr reduziert. Keine Urlaube, keine Familientreffen oder Höhepunkte anderer Art. Ihren Sohn hat sie im letzten Jahr genau einmal gesehen und das auch nur, weil sie am Jahresende sehr krank war. In diesem Zusammenhang hat sie übrigens ihre Freude über das Smartphone, das wir Kinder ihr im Jahr zuvor aufgedrängt hatten und das sie eigentlich nie wirklich wollte, zum Ausdruck gebracht. Denn dadurch konnte sie wenigstens digital Kontakt zu Familie und Freunden halten. Am Ende dieses Briefes war sie voller Optimismus für das neue Jahr und erklärte das Jahr 2021 zu UNSEREM Jahr.

Der Januar war es schon mal nicht!

Nach einem verschlafenen Silvester ging am 4. Januar der Alltag auf Station wieder los, und in den ersten Tagen schien es auch gut zu werden. Alle sind gesund in das neue Jahr gekommen und die Stimmung war wirklich gut. Außerdem hat eine neue Kollegin bei uns angefangen, die sich ab Tag eins bei uns offensichtlich wohlfühlt und gut zu uns passt.

Ab der zweiten Arbeitswoche nahmen aber die unguten Dinge ihren Lauf. Zwei meiner Kollegen wurden entweder positiv auf Corona getestet oder aber leben mit positiv getesteten Menschen zusammen. Einige Tage später waren beide positiv und erkrankt. Am Wochenende dieser Woche passierte dann das für alle Unfassbare. Eine Kollegin, die mit uns bis zu diesem Freitag noch zusammengearbeitet hatte, fröhlich und voller Energie war und sich auf ihr freies Wochenende freute, erlitt in ihrer Wohnung am nächsten Tag mutmaßlich einen Herzinfarkt und kämpft bis heute auf einer Intensivstation in der Stadt um ihr Überleben. Die Informationen, die wir von ihrer Tochter bekommen, sind sehr besorgniserregend. Alle Kollegen unserer Station sind schwer bestürzt. Es herrscht eine große Traurigkeit. Es ist kaum zu fassen und so unwirklich. Wir denken jeden Tag, eigentlich immer an sie und hoffen und wünschen für sie und ihre Familie nur das Beste.

So kam es dann auch, dass wir nun in der dritten Arbeitswoche fünf kranke Mitarbeiter zu verzeichnen hatten. Fünf! Das ist dann schon für den Rest des Teams eine echte Ansage. Die Hoffnung, dass dann irgendein Bett gesperrt, eine OP verschoben wird oder irgendeine andere unterstützende Maßnahme greift, ist (vorsichtig ausgedrückt) sehr gering. Also heißt es wieder: Dienstpläne umschreiben, Mitarbeiter motivieren, im Stationsalltag Prioritäten setzen und immer mit gutem Beispiel und diversen Burger- und Pizzabestellungen die Laune aller hochhalten.

Am Mittwoch vergangener Woche erhielt ich einen Anruf vom Gesundheitsamt der Stadt. Ich muss wirklich sagen, das hat schon was, wenn dieser Anruf kommt. Ich wurde von einer meiner Kolleginnen als Kontaktperson der Kategorie 1b genannt und bin somit als ansteckungsverdächtige Person im Sinne des Infektionsschutzgesetzes anzusehen. Ich solle mich ab sofort in 14-tägige häusliche Quarantäne begeben. Das war der erste Teil des Gesprächs, in dem dann noch die persönlichen Daten aufgenommen wurden. Bis es um meinen Arbeitsplatz ging. Ab da meinte die junge Frau am anderen Ende der Leitung, sie müsse sich erst mit ihren Kollegen beraten und würde noch einmal zurückrufen. Diese Beratung dauerte etwa eine Stunde, und das Ergebnis war: Eine Ausnahmegenehmigung erlaubt mir das Verlassen meiner Wohnung, um meiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Dazu bekam ich eine Fülle von Auflagen – wie zum Beispiel keine öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen –, die üblichen Hygieneauflagen, dazu Kontaktreduzierung zu den Kollegen und Patienten, und ganz wichtig ist ihnen: „Pausen werden allein gemacht!“ Das ganze hatte ich auch binnen von Minuten – inklusive Allgemeinverfügung, Infoflyer und Merkblatt zur Quarantäne – auf meinem Handy. Da war ich erst mal ein bisschen platt. Die Theorie der ganzen Maßnahmen erschließt sich mir total. Allein die Praxis bringt mich auf Station an meine Grenzen.

Nun gut, mein PCR-Test und auch die Tests der restlichen Kollegen waren negativ, und so soll es bitte auch bleiben.

Der Monat endete dann für mich damit, dass am letzten Januar-Wochenende mein Bruder positiv auf Corona getestet wurde.

Als Fazit würde ich den Monat Januar 2021 jetzt mal abhaken. Zusätzlich rede ich mir ganz fest ein, dass der Start ins Jahr alles hatte, was es nicht braucht. Und nun bin ich fest entschlossen: Ab Februar wird alles besser, und dann beginnt UNSER Jahr!

In diesem Sinne: Bleiben Sie alle gesund und optimistisch!

Heidi Günther

hguenther@schoen-kliniken.de



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Article published online:
01 April 2021

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