Hebamme 2021; 34(01): 14-15
DOI: 10.1055/a-1332-8049
Studienergebnisse
Kurz berichtet

Abortprävention: Wie effektiv ist vaginales Progesteron?

Coomarasamy A et al. Micronized vaginal progesterone to prevent miscarriage: a critical evaluation of randomized evidence. Am J Obstet Gynecol 2020; 223: 167–176. doi:10.1016/j.ajog.2019.12.006

Progesteron spielt eine wichtige Rolle beim Eintritt und dem Aufrechterhalten einer Schwangerschaft. Angesichts dessen stellt sich die Frage, ob eine Progesteronsupplementation während der Frühschwangerschaft vor Fehlgeburten schützt. Ein Team internationaler Forscher um den Briten Arri Coomarasamy von der University of Birmingham in Edgbaston beschäftigte sich mit dieser Thematik nun im Rahmen einer Übersichtsarbeit.

Zahlreiche klinische Studien untersuchten den Nutzen der Progesteronsupplementation im Hinblick auf das Abortrisiko, berichten die Wissenschaftler. Angesichts erheblicher methodischer Schwächen und dementsprechend kaum belastbaren Resultaten prüften kürzlich 2 große, qualitativ hochwertige Multicenterstudien den Effekt einer vaginalen Behandlung mit mikronisiertem Progesteron: die PROMISE- (PROgesterone in recurrent MIScarriagE) sowie die PRISM-Studie (PRogesterone In Spontaneous Miscarriage). Die Wissenschaftler beleuchten diese beiden Untersuchungen nun kritisch, interpretieren ihre Ergebnisse und leiten daraus Empfehlungen für die Praxis ab.

Ergebnisse

An der an 45 Zentren in Großbritannien und den Niederlanden durchgeführten PROMISE-Studie nahmen 836 Frauen mit mindestens 3 unklaren Fehlgeburten teil. Gemäß Randomisierung wendeten sie bis 12 Schwangerschaftswochen (SSW) 2 × täglich 400 mg mikronisiertes Progesteron bzw. ein Placebo vaginal an. In der Progesteron-Gruppe zeigte sich eine um 3 % höhere Lebendgeburtenrate, welche jedoch die statistische Signifikanz verfehlte. An der an 48 Kliniken in Großbritannien durchgeführten PRISM-Studie nahmen 4153 Frauen mit vaginaler Blutung im 1. Trimenon teil. Sie wendeten bis 16 SSW 2 × täglich mikronisiertes Progesteron bzw. ein Placebo vaginal oder rektal an. Auch hier zeigte sich in der Verumgruppe ein statistisch nicht signifikanter Behandlungsvorteil bezüglich der Lebendgeburtenrate, welche erneut um 3 % höher lag als in der Kontrollgruppe. In beiden Studienkollektiven beobachteten die Wissenschaftler allerdings mit steigender Anzahl vorangegangener Fehlgeburten eine Zunahme des Therapieeffekts im Sinne eines Anstiegs der Lebendgeburtenrate. Sie unterzogen daher diejenigen PRISM-Teilnehmerinnen, welche sowohl mindestens eine Fehlgeburt erlitten hatten als auch in der aktuellen Schwangerschaft eine vaginale Blutung zeigten und dementsprechend ein duales Abortrisiko aufwiesen, einer Subgruppenanalyse. Das Ergebnis: Bei 689 von 914 (75 %) mit Progesteron behandelten Frauen, aber nur bei 619 von 886 Kontrollen (70 %) trat eine Lebendgeburt nach 34 SSW ein (Risk Ratio 1,09; 95 %-KI 1,03 – 1,15). Den größten Therapienutzen wiesen Frauen mit 3 oder mehr vorangegangenen Fehlgeburten und aktueller vaginaler Blutung auf: In diesem Kollektiv betrug die Lebendgeburtenrate mit Progesteron 72 % und mit Placebo 57 % (Risk Ratio 1,28; 95 %-KI 1,08 – 1,51). Anhaltspunkte für kurzfristige Progesteronnebenwirkungen fanden die Wissenschaftler nicht.

Fazit

Frauen, welche in der Vergangenheit mindestens eine Fehlgeburt erlitten haben und sich in einer weiteren Schwangerschaft mit vaginalen Blutungen vorstellen, haben ein hohes Abortrisiko und sollten, so die Empfehlung der Wissenschaftler, über die Möglichkeit einer vaginalen Progesteronsupplementation aufgeklärt werden. Um langfristige Nebenwirkungen der Behandlung zu erfassen, empfehlen sie ferner eine Nachbeobachtung der exponierten Kinder.

Dr. med. Judith Lorenz, Künzell


#

Publication History

Article published online:
24 February 2021

© 2021. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany