Allgemein- und Viszeralchirurgie up2date 2021; 15(03): 203-218
DOI: 10.1055/a-1325-6424
Viszerale Transplantationen

Uterustransplantation durch Lebendspende bei absoluter uteriner Infertilität

Sara Y. Brucker
,
Andrina Kölle
,
Sahra Steinmacher
,
K. Katharina Rall
,
Silvio Nadalin

Frauen mit absoluter uteriner Infertilität aufgrund eines angeborenen Fehlens, einer schwerwiegenden Fehlbildung oder einer krankheitsbedingten Entfernung des Uterus konnten in Deutschland bis vor Kurzem ihren Kinderwunsch nur durch Adoption erfüllen. Hier berichten wir über unsere Erfahrungen mit der neuen Behandlungsmöglichkeit einer Uterustransplantation durch Lebendspende in Kombination mit etablierten Methoden der Fertilitätsmedizin.

Kernaussagen
  • Hauptindikation zur Uterustransplantation durch Lebendspende (UTx) ist eine absolute uterine Infertilität (AUI) durch das angeborene Fehlen der Gebärmutter aufgrund des seltenen Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndroms (MRKHS).

  • Die Uterustransplantation bietet Frauen mit MRKHS erstmals eine legale Option, trotz fehlender Gebärmutter biologisch eigene Kinder zu bekommen, denn eine Leihmutterschaft ist in Deutschland und vielen anderen Ländern gesetzlich verboten.

  • Uterusempfängerinnen können nur nach assistierter Reproduktion (IVF oder ICSI) schwanger werden.

  • Die erste Uterustransplantation (UTx) durch Lebendspende fand in Deutschland im Herbst 2016 im Transplantationszentrum des Universitätsklinikums Tübingen statt.

  • Zur ersten Geburt nach UTx in Deutschland kam es im Frühjahr 2019. Seither haben zwei weitere Frauen nach UTx je ein Kind zur Welt gebracht.

  • In Tübingen gelang die weltweit erste dokumentierte erfolgreiche Hormonstimulation und Follikelpunktion mit anschließendem Embryonentransfer unter Immunsuppression nach UTx.

  • Chirurgisch erfordert die Explantation des gespendeten Uterus besondere Sorgfalt und eine vertiefte Kenntnis der der weiblichen Anatomie, insbesondere des Uterus und seiner komplexen Gefäßversorgung, sowie eine große Erfahrung mit Operationen am weiblichen inneren Genitale.

  • Die UTx ist derzeit noch eine nicht standardisierte, experimentelle Behandlung. Sie erfordert im Vorfeld eine umfangreiche, sorgfältige Abklärung und Vorbereitung durch ein interdisziplinäres Team von Spezialistinnen und Spezialisten, einschließlich Transplantations-Internisten und -Chirurgen, Immunologen, Psychosomatikern, Reproduktionsmedizinern, speziell geschulten Pathologen zur Befundung der Zervixbiopsien, Pränataldiagnostikern und Neonatologen.

  • Grundlage für den Transplantationserfolg sind eine umfassende diagnostische Vorbereitung sowie im Falle der Transplantation des Uterus als nicht lebenswichtigem Organ die strenge Selektion nicht nur der Empfängerinnen, sondern auch der Spenderinnen.

  • Nur sehr wenige Zentren weltweit erfüllen die Voraussetzungen für die UTx. Die kleine Zahl der Patientinnen erfordert eine besondere Expertise, um die prä-, intra- und postoperative Versorgung gewährleisten zu können.

  • Weltweit erstmalig erfolgte 2020 die krankenhausplanerische Aufnahme der UTx in ein bestehendes Transplantationszentrum (Landeskrankenhausplan des Landes Baden-Württemberg) und die Anerkennung im NUB-Verfahren mit entsprechenden Krankenkassenverhandlungen.

  • Ein dringend benötigtes weltweites Register zur Erfassung und wissenschaftlichen Auswertung aller Uterustransplantationen hat die „International Society of Uterus Transplantation“ (ISUTx) eingerichtet.



Publication History

Article published online:
28 May 2021

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