Geburtshilfe Frauenheilkd 2020; 80(11): 1078-1081
DOI: 10.1055/a-1282-0947
GebFra Magazin
Geschichte der Gynäkologie

Alfred Grotjahn (1869 – 1931) – erster Lehrstuhlinhaber für Soziale Hygiene in Deutschland und seine (un-)geschriebenen Bücher

Matthias David
,
Andreas D. Ebert

„An äußeren Erlebnissen war seine Lebensbahn zwar arm. Aber sie hat vielerlei Kreise wenn auch nicht durchschnitten, so doch berührt. Es war ihm nicht selten möglich, als unbeteiligter Zuschauer in den Tanzsaal zu blicken, in dem die Zeitgenossen sich drehten …“ [1]. Dieses Zitat aus der Einleitung von Alfred Grotjahns 1931, einige Monate, bevor er an einem zu spät operierten Gallenblasenempyem im Krankenhaus Berlin-Westend verstarb, verfassten Lebenserinnerungen „Erlebtes und Erstrebtes“ gibt den Ton vor, in dem diese auch heute noch sehr lesenswerten Memoiren geschrieben sind ([Abb. 1]). Der Untertitel „Erinnerungen eines sozialistischen Arztes“ sollte den heutigen Leser nicht schrecken. Zwar engagierte sich Grotjahn als Student in Vereinigungen, die der Sozialdemokratie nahestanden, und trat 1921 auch in die (M)SPD ein, der marxistischen Idee vom Klassenkampf und dem materialistischen Geschichtskonzept stand er aber sehr skeptisch gegenüber [2], war also wohl viel mehr ein „intellektueller Salonsozialist“ als ein sozialistischer Revolutionär.



Publication History

Article published online:
06 November 2020

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  • Literatur

  • 1 Grotjahn A. Erlebtes und Erstrebtes. Erinnerungen eines sozialistischen Arztes. Berlin: F. A. Herbig; 1932
  • 2 Rabson SM. Alfred Grotjahn, founder of Social Hygiene. Bulletin of The New York Academy of Medicine 1936; 12: 43-58
  • 3 Tutzke D. Alfred Grotjahn. Biographien hervorragender Naturwissenschaftler, Techniker und Mediziner. Band 36. Leipzig: BSB B.G. Teubner-Verlagsgesellschaft; 1979
  • 4 Meyer B. Begründer der Sozialhygiene. Der Arzt Alfred Grotjahn (1869 – 1931). Porträt. Berlin: Edition Luisenstadt; 1997: 70-76 Online (Stand: 05.09.2019): https://berlingeschichte.de/bms/bmstxt97/9709pord.htm
  • 5 Schagen U, Schleiermacher S. Hrsg. 100 Jahre Geschichte Sozialhygiene, Sozialmedizin und Public Health in Deutschland. Eine Dokumentation der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und und Prävention (DGSMP) CD-ROM und online. Online (Stand: 03.10.2020): https://www.dgsmp.de/100-jahre/
  • 6 Niedermeyer A. Über Anfänge und Grundlegung der Sozialgynäkologie und Frauenkunde. Arch Frauenk 1930; 16: 29-51
  • 7 Schneck P. Wilhelm Liepmann (1878–1939) und die soziale Gynäkologie im Spiegel der Aktenbestände des Archivs der Humboldt-Universität zu Berlin. NTM-Schriftenreihe 1980; 17: 102-120
  • 8 Ferdinand U. Der Weg Alfred Grotjahns (1869–1931) zum „faustischen Pakt“ in seinem Projekt der sozialen Hygiene. Gesundheitswesen 2007; 69: 158-164
  • 9 Harms B. „Grotjahn, Alfred“ in: Neue Deutsche Biographie 7 (1966), S. 169 [Online-Version]. Online (Stand: 03.10.2020): https://www.deutsche-biographie.de/pnd118542710.html%23ndbcontent
  • 10 Grotjahn A. Der Alkoholismus, nach Wesen, Wirkung, und Verbreitung. Leipzig: Wigand; 1898
  • 11 Grotjahn A. Soziale Pathologie. Versuch einer Lehre von den sozialen Beziehungen der Krankheiten als Grundlage der sozialen Hygiene. 3. Aufl.. Berlin: Springer-Verlag; 1923
  • 12 Kaspari C. Der Eugeniker Alfred Grotjahn (1869–1931) und die „Münchner Rassenhygieniker“: Der Streit um „Rassenhygiene oder Eugenik?“. Medizinhistorisches Journal 1989; 24: 306-332