Zeitschrift für Phytotherapie 2021; 42(01): 57-59
DOI: 10.1055/a-1256-7023
Gesellschaftsnachrichten

Die Gesellschaft für Phytotherapie informiert

Erstes Digital-eSeminar des 3. Moduls der Fortbildungsreihe für Ärzte und Apotheker der Gesellschaft für Phytotherapie

Vom 20. bis 22.11.2020 fand das 3. Modul der GPT-Fortbildungsreihe bedingt durch die gegenwärtige Corona Situation als Digital-eVeranstaltung statt.

Die wissenschaftliche Leitung übernahmen Frau Prof. Karen Nieber (Mitglied des wiss. Kuratoriums der GPT) und Prof. Detmar Jobst (Mitglied des Vorstandes der GPT). Die Organisation lag wieder in den Händen von Frau Cornelia Kern (Leiterin der Geschäftsstelle der Kooperation Phytopharmaka), unterstützt durch Prof. Dr. Andreas Hensel und Frau Dr. Verena Spiegler (Universität Münster). An der Veranstaltung nahmen 19 Teilnehmer teil.

Nach dem Einführungsvortrag „Kaffee – mehr als ein Genussmittel?“ (Prof. Nieber, Gommern) war der Schwerpunkt des ersten Tages „Phytotherapie bei Atemwegserkrankungen“. Dr. Sebastian Michael (Löwen-Apotheke, Waldheim) erklärte grundlegende Mechanismen, die zu Störungen der Atemfunktion führen. Akute Infekte der oberen Atemwege verlaufen in der Regel unkompliziert. Dennoch sind die Betroffenen durch typische Symptome teilweise erheblich in ihrem Allgemeinbefinden eingeschränkt. Gerade bei diesen Erkrankungen ist der Einsatz von Phytopharmaka sehr sinnvoll, um die Therapie mit Antibiotika zu vermeiden. Abhängig vom Krankheitsbild sollten pflanzliche Arzneimittel antibiotisch / bakteriostatisch, schleimhautabschwellend, antiphlogistisch / antiinflammatorisch, sekretolytisch / sekretomotorisch oder auch immunmodulierend, antitussiv oder expektorierend wirken. Der erfahrene Apotheker diskutierte ausführlich die Sinnhaftigkeit des Einsatzes von Kombinationspräparaten bei Atemwegsbeschwerden.

Der erste Tag der Fortbildung wurde mit dem Vortrag „Nikotin – Wege zur Raucherentwöhnung“ beendet. Prof. Karen Nieber erklärte die Wirkungsmechanismen von Nikotin und erläuterte die schädigenden Wirkungen auf den Organismus. Anschließend stellt sie die Präparate zur Nikotinersatz-Therapie vor und zeigte an Hand von Tabellen die Unterschiede auf und wann ihr Einsatz sinnvoll ist.

Der zweite Tag begann mit einem Vortrag zum Thema „Immunstimulantien und Adaptogene“. Prof. Andreas Hensel (Institut für Pharmazeutische Biologie und Phytochemie, Universität Münster) gab Hinweise zum Wirkungsmechanismus von Phytopharmaka zur Stärkung des Immunsystems. Das Immunsystem stimulierende Phytopharmaka können zur Vorbeugung und begleitend zur Behandlung eingesetzt werden. Bewährt haben sich insbesondere Zubereitungen des Purpurfarbenen und des Schmalblättrigen Sonnenhutes, da sie bei zeitlich begrenzter Einnahme die zellvermittelte Abwehr stimulieren.

„Update“ Cannabis und Cannabinoide

Im sogenannten „Update“ wird zu aktuellen Problemen Stellung genommen. Herr Prof. Hensel berichtete diesmal über das Thema „Cannabis und Cannabinoide“. Es wurden eine Reihe von Cochrane-Reviews (chronisch neuropathischer Schmerz, Fibromyalgie, HIV / AIDS, M. Crohn, Schizophrenie, Erbrechen nach Chemotherapie) vorgestellt und die Schlussfolgerungen der Autoren diskutiert. Insbesondere zum Thema CBD bei unterschiedlichsten Anwendungen ergab sich das weitgehende Fehlen von belegenden Studien und Untersuchungen, mit Ausnahme eines durch die FDA bei bestimmten Formen der kindlichen Epilepsie zugelassenen CBD-haltigen Arzneimittels.

Der Nachmittag war den Themen „Phytotherapie bei endokrinen Störungen“ und „Antineoplastische Wirkungen von Arzneipflanzen“ gewidmet. Im ersten Vortrag konzentrierte sich Prof. Detmar Jobst (Institut für Hausarztmedizin, Bonn) auf Wirkungsmechanismen und hausärztliche Erfahrungen beim Einsatz von Phytopharmaka bei endokrinen Störungen. Der Referent betonte, dass die Datenlage sehr inkonsistent ist, sodass eine Wirkung durchaus möglich, aber wissenschaftlich oft nicht belegt ist.

Der zweite Vortrag begann mit der Vorstellung der Herbstzeitlosen (Colchicum autumnale), dessen entzündungshemmender Inhaltstoff Colchicin in jüngster Zeit das Interesse von Kardiologen geweckt hat, u. a. in der Behandlung der Perikarditis. Es folgte eine kritische Auswertung von wissenschaftlichen Ergebnissen zum Einsatz von Mistelpräparaten in der Tumortherapie, ergänzt durch einen Fallbericht zur intratumoralen Mistel-Injektion. Trotz langjähriger Forschung steht nicht fest, dass die verfügbaren Präparate das Tumorwachstum stoppen oder vor Rückfällen schützen. Es gibt zwar Hinweise darauf, dass sich Patienten mit einer Misteltherapie allgemein besser fühlen und sich ihre Lebensqualität insbesondere während einer Chemotherapie verbessert, allerding reicht die vorliegende Evidenz nicht aus, um eine klare Antwort zu geben. Zum Abschluss des Vortrages wurden die Taxane und ihre Einsatzgebiete vorgestellt.

Anschließend referierte Frau PD Dr. Silke Cameron (Göttingen) unter dem Titel „Asiatische Arzneipflanzen und virale Atemwegserkrankungen (Influenza und COVID)“ über die Anwendung von Extrakten bei diesen Indikationen, die besonders im asiatischen Raum verbreitet ist. Sie zeigte diverse Ergebnisse von In-vitro-Experimenten, die die antivirale Wirkung z. B. der Kampo-Extrakte Maoto oder Kakkonto belegen können.

Am dritten Tag stand das Thema „Phytopharmaka bei Schmerzen“ auf der Agenda. Dieses Thema wurde von Frau Prof. Karen Nieber vorgetragen. Das Fazit der Referentin war, dass zur (Begleit-)Therapie rheumatischer Erkrankungen inklusive degenerativer Gelenkerkrankungen und milder bis mittelstarker Muskel- und Rückenschmerzen ausgewählte Phytopharmaka zur Verfügung stehen. Sie sind insbesondere als Add-on-Therapieoptionen zur klassischen medikamentösen Behandlung mit steroidalen und nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) von Bedeutung. Dennoch wird ihre Effektivität von einigen Fachleuten in Frage gestellt, da bisher keine ausreichenden, evidenzbasierten klinischen Studien vorliegen. Das heißt allerdings nicht, dass sie in vielen Fällen nicht wirksam sind.

Den Abschluss des 3. Moduls bildete der Vortrag „Sinnhaftigkeit von pflanzlichen Kombinationen – Vor- und Nachteile“ von Frau PD Gudrun Ulrich-Merzenich (Universitätsklinikum Bonn Medizinische Klinik III, Zentrum für Innere Medizin). Sie stellte an Hand von informativen Beispielen die Vorteile dar und erklärte Methoden, wie synergistische Effekte von Kombinationen aus mehreren Pflanzenextrakten analysiert werden können. Ihre Schlussfolgerung war, dass wir dank moderner Methoden gegenwärtig sehr viel mehr über synergistische Wirkungen von pflanzlichen Arzneimitteln wissen und dadurch ihre Wirkungen im Organismus besser erklären können.

Zoom Image
Abschied nach 6 erfolgreichen Jahren als wissenschaftliche Leiterin: Frau Prof. Dr. Karen Nieber.

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Fazit

Insgesamt war die erste Video-Fortbildung sehr erfolgreich. Anfragen und Diskussionen im Chat bewiesen das Interesse der Teilnehmer. 5 Teilnehmerinnen und 2 Teilnehmern konnte nach erfolgreicher Teilnahme an 4 Modulen das Zertifikat „Phytotherapeut / Phytotherapeutin GPT“ virtuell überreicht werden.

Am Ende der Veranstaltung verabschiedete sich Frau Prof. Nieber nach 6 Jahren als wissenschaftliche Leiterin der GPT-Fortbildung. Mit Beginn des neuen Zyklus 2021 / 2022 wird die wissenschaftliche Leitung von den Herren Prof. Hensel (Münster), Prof. Jobst (Bonn) und Frau PD Dr. Silke Cameron (Göttingen) übernommen. Das Team hat bereits die Planung des 1. und 2. Moduls vorgenommen:

  • Modul 1: 19.–21. März 2021 (Much)

  • Modul 2: 8.–10. Oktober 2021 (Göttingen)

Weitere Informationen und den Flyer zum 1. und 2. Modul finden sich demnächst auf der Homepage der GPT unter www.phytotherapie.de.

Prof. Dr. Karen Nieber


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Publication History

Article published online:
15 February 2021

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