Aktuelle Urol 2020; 51(05): 421-431
DOI: 10.1055/a-1200-3280
Klinik und Praxis

Welche Schutzmaske schützt vor COVID-19? Was ist evidenzbasiert?

Roland Schulze-Röbbecke
,
Marcus Reska
,
Sebastian Lemmen

Die COVID-19-Pandemie hat sowohl in der Patientenversorgung als auch in der Öffentlichkeit zu Diskussionen geführt, mit welchen Schutzmasken man sich vor einer Ansteckung schützen kann. Ähnliche Diskussionen hatte es schon 2009/10 im Rahmen der damals weltweiten Ausbreitung einer neuen Variante des Influenzavirus A (H1N1) gegeben („Schweinegrippe“). Auffällig sind damals wie heute Unklarheiten und Verwirrungen in Bezug auf die Übertragungswege von Atemwegsinfektionen und über die sich daraus ableitenden Schutzmaßnahmen.

Kernaussagen
  • Der Mund-Nasen-Schutz (MNS, OP-Maske) schützt den Träger und sein Gegenüber vor Atemwegsinfektionen, die durch Tröpfchen übertragen werden; Atemschutzmasken (FFP2- und FFP3-Masken) schützen dagegen den Träger vor Atemwegsinfektionen, die aerogen (durch Aerosole) übertragen werden.

  • Nach bisherigem Kenntnisstand wird COVID-19 durch Kontakt („Schmierinfektion“) und Tröpfchen übertragen. Für die Möglichkeit der aerogenen Übertragung (Aerosol-Übertragung) sprechen bisher nur laborexperimentelle Untersuchungen und Untersuchungen ohne den Endpunkt „Infektion“, die jedoch kein Ersatz für klinische Studien und kein Beleg für die Relevanz im klinischen Alltag sind.

  • Da bisher keine klinischen Studien vorliegen, die die Schutzwirkung von MNS und Atemschutzmasken bei COVID-19 mit Endpunkt „Infektion“ vergleichen, muss zurzeit auf entsprechende Studien über Infektionen durch andere Coronaviren (insbesondere SARS) zurückgegriffen werden.

  • Analysen von SARS-Ausbrüchen haben gezeigt, dass der SARS-Erreger (SARS-CoV-1) durch Kontakt und Tröpfchen übertragen wurde, konnten aber nicht ausschließen, dass er bei aerosolerzeugenden Maßnahmen wie Intubation, Tracheotomie und manueller Beatmung auch aerogen übertragbar ist.

  • Klinische Studien (randomisierte, Fall-Kontroll- und Kohortenstudien) haben gezeigt, dass sowohl MNS als auch Atemschutzmasken vor der Übertragung von SARS-CoV-1 und anderen respiratorischen Viren schützen. Insgesamt konnten sie jedoch nicht belegen, dass die Schutzwirkung von Atemschutzmasken derjenigen von MNS-Masken überlegen ist.

  • Die zurzeit verfügbaren klinischen Studien mit Relevanz für Coronaviren legen die Schlussfolgerung nahe, dass bei aerosolerzeugenden Maßnahmen an COVID-19-Patienten das Tragen von Atemschutzmasken – zusammen mit anderen Maßnahmen zum Schutz vor aerogenen Infektionen – sinnvoll ist. Bei der normalen Versorgung von COVID-19-Patienten ist die Notwendigkeit des Gebrauchs von Atemschutzmasken dagegen fraglich. Aufgrund der Erfahrungen mit anderen humanpathogenen Coronaviren reicht hier wahrscheinlich ein MNS aus. Da bestätigende epidemiologische Studien über SARS-CoV-2 noch fehlen, können hier aber auch FFP2-Masken getragen werden.

  • Eine klare Empfehlung für das Tragen von Schutzmasken in der Öffentlichkeit ist aufgrund der bisher vorliegenden Studien nicht möglich. Stoffmasken schützen nach einer klinischen Studie deutlich schlechter vor Atemwegsinfektionen als Einmal-MNS-Masken.



Publication History

Article published online:
26 August 2020

© Georg Thieme Verlag KG
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