Notaufnahme up2date 2020; 2(04): 310-311
DOI: 10.1055/a-1179-2031
Editorial

Professionalisierung und Etablierung des Fachgebietes Notfallmedizin

Sylvia Schacher
,
Michael Bernhard
,
Frank Eifinger
,
Ingo Gräff
,
Thomas Henke
,
Christian Künstler
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Bernhard Kumle
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Dominik Michalski
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Benjamin Ondruschka
,
Martin Pin

Zusatzweiterbildung „Klinische Akut- und Notfallmedizin“ fast flächendeckend eingeführt

Die Notwendigkeit einer professionellen Notfallmedizin als eigenständiges Fachgebiet wird im angloamerikanischen Raum und auch in Europa seit vielen Jahren gesehen. In den 29 Mitgliedsländern der Union Européenne des Médecins Spécialistes (UEMS) mit anerkannter Fort- und Ausbildung in der Notfallmedizin ist die Notfallmedizin bereits in 13 Ländern ein eigenständiges Fachgebiet. In weiteren fünf Ländern ist die Qualifikation Notfallmedizin nach Erlangung des Facharztes als Zusatzweiterbildung und in vier weiteren Ländern ist die Qualifikation Notfallmedizin mit einer Ausbildungsdauer < 5 Jahre erwerbbar. Lediglich in sieben Ländern gibt es keine eigenständige Ausbildung zum/r Notfallmediziner*in. Deutschland war – bis auf Berlin – bisher Teil dieses weißen Fleckens auf der „Landkarte der professionellen Notfallmedizin“ in Europa.

Die Landesärztekammer Berlin hatte als Vorreiter bereits 2014 die Zusatzweiterbildung (ZWB) „Klinische Notfall- und Akutmedizin“ beschlossen. Basierend auf den Vorschlägen der notfallmedizinischen Fachgesellschaften Deutsche Gesellschaft für Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA) und Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) wurde auf dem 121. Deutschen Ärztetag 2018 mit der Novellierung der (Muster-)Weiterbildungsordnung die ZWB „Klinische Akut- und Notfallmedizin“ verabschiedet – verbunden mit der Empfehlung und Bitte an die einzelnen Landesärztekammern diese Novelle umzusetzen. Zum Erscheinungszeitpunkt dieser Ausgabe ist in fast allen Landesärztekammern Deutschlands die ZWB beschlossen und größtenteils finden bereits Prüfungen statt. Lediglich in Niedersachsen wurde die ZWB bislang noch nicht in der Musterweiterbildungsordnung umgesetzt.

Die Notwendigkeit und Relevanz einer Professionalisierung der Notfallmedizin in Deutschland ist auch der Politik bewusst. So wurde im Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zur Stufung der stationären Notfallversorgung die ZWB „Klinische Akut- und Notfallmedizin“ für in der Notaufnahme leitend tätige Ärzt*innen festgeschrieben.

Insgesamt ist die ZWB „Klinische Akut- und Notfallmedizin“ ein großer Schritt zur weiteren Professionalisierung der innerklinischen Notfallmedizin in Notaufnahmen. Auch wenn durch die jetzige Zusatzbezeichnung ein Facharzt für Notfallmedizin noch nicht erreicht wurde, ist mit der Einführung der Zusatzbezeichnung eine sehr wichtige Entwicklung eingeleitet. Die ZWB „Klinische Akut- und Notfallmedizin“ ist ein erster Schritt, dem komplexen und anspruchsvollen Feld der innerklinischen Notfallmedizin gerecht zu werden. Sie ist nicht nur für ärztliche Leitungen der Notaufnahmen interessant: Aus den dort tätigen Kolleg*innen, denen bisher lediglich die Begeisterung und die Vielseitigkeit des Faches ein Anreiz für ihre Tätigkeit in der Notaufnahme war, werden Weiterzubildende und Weiterbilder. Die Zusatzbezeichnung ist eine sichtbare Qualifikation, die auf einen bestehenden Facharzt aufbaut und nun eine berufliche Perspektive für eine langfristige Tätigkeit in einer Zentralen Notaufnahme bietet. Die Zusatzbezeichnung bringt die Etablierung der innerklinischen Notfallmedizin als eigenständiges Fachgebiet mit seinen Besonderheiten, auch in der Wahrnehmung und Akzeptanz anderer Fachrichtungen, einen großen Schritt voran. Durch die in der ZWB geforderten und gelehrten Struktur- und Methodenkompetenzen werden zukünftig auch die Patient*innen in den Notaufnahmen durch verbesserte Abläufe und eine gesteigerte Behandlungsqualität profitieren.

Notaufnahme up2date, unterstützt die Weiterbildung der Kolleg*innen in einem breiten Spektrum der Notfallmedizin ganz konkret. Wir Herausgeber achten auf die Relevanz und Aktualität der Beiträge, so dass diese ein optimales Fortbildungsmedium parallel zur klinischen Ausbildung darstellen. Gleichermaßen richtet sich Notaufnahme up2date auch an die Pflegenden der Fachweiterbildung Notfallpflege und verfolgt einen interprofessionellen Ansatz. Auch die Einbeziehung des transsektoralen Versorgungsansatzes von prähospitaler Notfallmedizin hin zur innerklinischen Akut- und Notfallmedizin in der Notaufnahme ist dem Herausgeberteam und dem Verlag ein wichtiges Anliegen.

Wir wünschen jetzt allen an der Notfallmedizin Interessierten eine gute Lektüre der vorliegenden Ausgabe von Notaufnahme up2date,

Ihre
Sylvia Schacher | Michael Bernhard l Frank Eifinger l Ingo Gräff l Thomas Henke l Christian Künstler l Bernhard Kumle l Dominik Michalski l Benjamin Ondruschka l Martin Pin



Publication History

Article published online:
21 October 2020

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