intensiv 2020; 28(01): 6-7
DOI: 10.1055/a-0976-4839
Kolumne
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kaffeekasse

Further Information

Publication History

Publication Date:
17 January 2020 (online)

Zoom Image
Quelle: Paavo Blåfield/Thieme Gruppe

„Kaffee dehydriert den Körper nicht. Ich wäre sonst schon Staub.“

Franz Kafka (1883–1924), deutschsprachiger Schriftsteller

Zu den Hauptnahrungsmitteln für das Personal auf Station gehört unbestritten und nicht als besonders gesund zu bezeichnen Kaffee in rauen Mengen. Morgens, mittags und am Abend bei den Übergaben erst mal ein Tässchen Kaffee. Zwischendurch, wenn der kleine Hänger kommt: Kaffee. In unserem derzeitigen Team gibt es nicht einen einzigen Kollegen, keine einzige Kollegin, der oder die auf Kaffee zugunsten von Tee oder einem gesunden Gemüsesaft verzichten würde. In den vergangenen Jahren haben wir diverse Geräte zur Produktion des Getränks ausprobiert und an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit gebracht. Teuerste Kaffeeautomaten diverser Marken und Hersteller mussten schon daran glauben und gaben regelmäßig ihren Geist auf. Sie waren eben nur für den Hausgebrauch einer durchschnittlichen Familie gedacht, und nicht auf den Ansturm eines 17-köpfigen exzessiv Kaffee trinkenden Teams vorbereitet. Im Moment tut es eine Kaffeemaschine der älteren Generation. Schön mit Filtertüten und mit Doppelkanne, versteht sich. Manchmal wünschte ich mir, alles auf Station würde so unkompliziert und reibungslos verlaufen wie das Heranschaffen des Nachschubs, wenn das Kaffeepulver zu Ende geht. Finanziert wird das alles aus unserer Kaffeekasse – und schon bin ich beim eigentlichen Thema.

Beim Begriff Kaffeekasse sind sich Duden und Wikipedia einig. Es ist eine „Kasse (meist in Form einer aufgestellten Spardose o. Ä.), aus der die privaten Kosten für Kaffee o. Ä. bezahlt werden.“ Interessanterweise werden bei Wikipedia als Fallbeispiel prompt wir Krankenschwestern genannt: „Alle Trinkgelder, die die Schwestern erhalten, kommen in die Kaffeekasse. Am Ende des Monats wird der Überschuss gerecht geteilt.“ Dabei stehen Kaffeekassen auch bei Frisören, in Werkstätten, Arzt- und allen Praxen, die den Anschein von Dienstleistungen haben. In der Gastronomie oder für den Taxifahrer heißt die Kaffeekasse Trinkgeld.

In einschlägigen Geschäften – ob in echt oder im Internet – könnten wir die abenteuerlichsten ausdrücklich als Kaffeekasse deklarierten Objekte in Holz, Plastik oder Keramik, als Truhe oder Schwein und ganz einfallsreich als Kaffeetasse oder nostalgische Kanne für kleines oder großes Geld erwerben. Juristen mussten sich schon mit der „Kaffeekasse“ an sich und dem eventuellen geldwerten Vorteil, dem tatsächlichen monetären Inhalt und dessen Verwendung bzw. Aufteilung befassen, mussten entscheiden und schlichten. Im „Pflegeboard“ wird auch häufig dieses Thema diskutiert und als „leidig“ beschrieben. Unter www.krankenschwester.de kann eine rege Diskussion verfolgt werden, in der es ausschließlich um diese ominöse Kasse geht. Es werden Ratschläge und Tipps erteilt und diskutiert, wer wann wie viel und zu welchem Anlass bekommt oder auch nicht. Das Internet ist voll zu diesem Thema.

Ganz so schlimm ist es bei uns aber nicht. Unsere Kaffeekasse beherbergt keine Unsummen, die relevant für unsere Steuern zu zahlende staatsbürgerliche Pflicht sein könnte. Sie ist eine simple Holzkiste (ehemals Umverpackung einer Sachertorte). Es wird kein Buch über Ein- und Ausgänge geführt. Bezahlt wird von uns davon der namensgebende Kaffee. Und einmal in der Woche wird so richtig geprasst. Wir lassen es krachen und bestellen Fast Food für alle. Außerdem gibt es Gutscheine an Geburtstagen oder zu anderen Ereignissen für die Kollegen. Auch unsere Stereoanlage für den Aufenthaltsraum, Geschirr oder Dekoration für uns wurden in den letzten Jahren und werden wahrscheinlich auch in Zukunft von diesem Geld bezahlt. Persönliche Animositäten – ob jemand zu viel oder zu wenig von diesem Geld partizipiert – gibt es nicht. Zumindest hoffe ich es. Und wenn es nicht reicht, wird zusammengelegt und gespart.

Meine Mutter, Bekannte oder Freunde, die eher selten mit Krankenhäusern oder gar stationären Aufenthalten in selbigen zu tun haben, fragen schon mal bei mir nach, ob und wenn ja mit wie viel Geld sie auf Station diese Kaffeekasse füttern sollen. Grundsätzlich sage ich dann immer, dass sie gar nichts sollen oder müssen. Aber es scheint insgesamt ein großes Bedürfnis zu sein, sich mit Geld erkenntlich zu zeigen. Auch viele unserer Patienten wollen nach zufriedenstellender Versorgung ihrer Anerkennung und vielleicht sogar Dankbarkeit Ausdruck verleihen, dabei scheint das Ausfüllen der Patientenzufriedenheitsbögen oft nicht auszureichen. Manche fahren Kuchen oder anderes auf, um Danke zu sagen. Es gibt oft Schokolade oder gar ganze Körbe mit Naschzeug (sehr gern die allseits bekannte „Merci“-Schokolade). Manche schreiben Dankeschön-Karten und lassen ihre Blumen da. Und manche geben eben Geld. Mal im Umschlag oder mal nur auf den Tresen gelegt. Wir hatten auch schon in aufwendiger Origamitechnik gefaltete Euroscheine. Wir freuen uns über das eine genauso wie über das andere.

Auf Englisch heißt die bei uns sogenannte Kaffeekasse „Kitty“ oder „Thank you Box“. Ich finde, das klingt etwas umgänglicher und freundlicher. Aber es ist egal, wie es genannt wird. Am Ende soll es Wertschätzung und Dankbarkeit ausdrücken. Vielleicht sind die Leute auch nur froh, wieder nach Hause zu kommen.

In diesem Sinne sagen auch wir Danke – und darauf ein Käffchen!

Ihre

Zoom Image

Heidi Günther

hguenther@schoen-kliniken.de