Aktuelle Urol 2019; 50(05): 453-454
DOI: 10.1055/a-0901-8888
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Personalisierte Medizin

Axel Heidenreich
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Publication Date:
29 August 2019 (online)

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Prof. Dr. Axel Heidenreich

Der Begriff der personalisierten Medizin bereichert nicht nur die wissenschaftlichen Fachmagazine aller medizinischen Bereiche, auch die großen Gazetten – wie die New York Times vom 18.09.2018 – berichten immer wieder über diese innovativen Entwicklungen in der Medizin. Die individualisierte Medizin eröffnet potentiell die Möglichkeit, (1) für den Einzelnen maßgeschneiderte Präventions- und Therapieverfahren zu entwickeln, (2) die Nebenwirkungen von Arzneien zu minimieren und (3) dadurch (hoffentlich) einen besseren Therapieerfolg zu erzielen.

Im Mai 2017 wurde durch die Food and Drug Administration (FDA) in den USA mit Pembroluzimab erstmals ein Medikament nicht auf dem Boden der Ergebnisse einer tumorspezifischen klinischen Phase-III Studie zugelassen, sondern der immunonkologische Ansatz wurde für alle nicht resezierbaren oder metastasierten, nach systemischer Erstlinientherapie progredienten Malignome mit Mikrosatelliteninstabilitäten oder Mismatch Repair Gene Deficiencies zugelassen. Diese Zulassung deutet erstmals auf die Perspektive der Krebstherapie in den kommenden Jahren hin: wir werden nicht mehr organspezifisch therapieren, sondern wir werden unsere Patienten tumorspezifisch in Abhängigkeit individueller genetischer Alterationen behandeln.

Das Ihnen vorliegende Themenheft der Aktuellen Urologie befasst daher mit den aktuell schon vorhandenen Möglichkeiten, den Limitationen und den Perspektiven der personalisierten Medizin in der Uro-Onkologie, damit Sie sich frühzeitig auf den in den kommenden Jahren bevorstehenden Wandel der therapeutischen Paradigmen einstellen können.

„Wenn Du etwas machst wie Du es vor 10 Jahren gemacht hast, dann sind die Chance recht groß, dass Du es falsch machst“

hat Charles Franklin Kettering, ein amerikanischer Ingenieur, bereits in den 20er und 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts erkannt. Nach seiner Überzeugung entstanden und entstehen Innovationen nur durch eine fruchtbare, intensive interdisziplinäre Zusammenarbeit auf Augenhöhe – so wie die in diesem Heft aufgeführten therapeutischen Ansätze zur personalisierten Medizin. Allen Beiträgen gemeinsam ist die Tatsache, dass die Umsetzung der diagnostischen und therapeutischen Herausforderungen der personalisierten Medizin nur in einem Team aus Uro-Onkologen, Onkologen, Nuklearmedizinern, (Molekular-) Pathologen und Radiologen erfolgreich im klinischen Alltag umgesetzt werden kann.

In der ersten Arbeit beschreiben Bründl et al., dass der PCR-basierte Nachweis von p16INK4A eng mit dem Vorhandensein einer HPV-Infektion während keine enge Korrelation zwischen Immunhistochemie und Histologie vorhanden war. Noch unklar ist, ob der HPV-Status mit dem tumorspezifischen Überleben korreliert, jedoch wird aufgrund der vorliegenden Arbeit deutlich, dass moderne Nachweisverfahren im klinischen Alltag Anwendung finden müssen, um Risikofaktoren für das onkologische Ergebnis verschiedener Therapieoptionen sauber entwickeln zu können.

In der zweiten Übersicht beschreiben Grunewald und Niegisch den aktuellen Stand der personalisierten Medizin in der Therapie des Urothelkarzinoms der Harnblase. Es wird verdeutlicht, dass bereits jetzt eine molekulare Subtypisierung der muskelinvasiven Tumore zur Prädiktion des Ansprechens auf eine neoadjuvante Systemtherapie erfolgen sollte. Es wird deutlich, dass uns bereits jetzt verschiedene immunonkologische Therapieverfahren zur Verfügung stehen, die jedoch nur bei dem Vorliegen spezifischer Mutationen oder genetischer Alterationen erfolgreich sind und somit eine individuelle, fundierte Analyse der pathohistologischen Präparate erforderlich machen.

Pfister und Mitarbeiter konzentrieren sich auf den großen Komplex der individuellen Therapieoptionen des metastasierten Prostatakarzinoms. Sowohl für die hormonnaiven als auch für die kastrationsresistenten Karzinome weist die Literatur eine Vielzahl von molekularen Diagnose- und Therapieansätzen auf, die aktuell in prospektiv randomisierten klinischen Studien analysiert werden. Bis dato hat sich lediglich der Ansatz der PARPP-Inhibitor Therapie bei Mutationen von ATM und/oder BRCA1/2 sowie die 177Lu-PSMA-Therapie durchsetzen können. Verschiedene Algorithmen wie in der Abbildung 1 dargestellt, können jedoch bereits heute in interdisziplinär ausgerichteten Institutionen realisiert werden.

Auch für das Nierenzellkarzinom wurden eine Vielzahl von Biomarkern mit prädiktivem Wert bezüglich des therapeutischen Ansprechens in retrospektiven Studien identifiziert, die sich derzeit noch in prospektiver Evaluation befinden bevor ein Einsatz in der alltäglichen Routine möglich erscheint. Junker und Zeuschner fassen die derzeitigen wissenschaftlichen Ergebnisse zusammen und geben eine realistische Einordnung der aktuellen Forschung für den klinischen Alltag.

Ich hoffe, dass die sich die dem Thema der individuellen Krebstherapie widmenden Beiträge Ihr Interesse finden, Ihnen neue Perspektiven für die Behandlung Ihrer Patienten aufzeigen und Sie zu innovativen Gedankensprüngen anregen, ganz im Sinne von C.F. Kettering :"Ich interessiere mich sehr für die Zukunft, denn ich werde den Rest meines Lebens in ihr verbringen."

Ihr
Axel Heidenreich

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Abb. 1 Kölner Algorithmus der personalisierten Medizin bei Patienten mit mCRPC nach Ausschöpfen der klassischen, zugelassenen Standardtherapien