Dialyse aktuell 2019; 23(02): 49
DOI: 10.1055/a-0828-3231
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Kranke Pflege?

Christian Schäfer
1   Stuttgart
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Publication Date:
14 March 2019 (online)

Etwa ein Jahr ist es her, dass ich Ihnen im Editorial in „Dialyse aktuell“ 2/2018 Hintergründe zu den Aktionen des Pflege-Auszubildenden Alexander Jorde zusammengetragen habe. Sie erinnern sich vielleicht – Herr Jorde hatte die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) in der ARD-Wahlarena im September 2017 düpiert, als er sie mit der Situation der Pflege in Deutschland und den seiner Ansicht nach mangelnden Aktionen der Politik konfrontierte. Zudem erkundete er in der Fernsehdokumentation „Kranke Pflege – Alexander Jorde kämpft für einen Neustart“ die hiesigen Verhältnisse in der Pflege im Vergleich zu Norwegen. Die Unterschiede sind frappierend, in Norwegen sind die Bedingungen wesentlich besser – für weitere Details können Sie sich z. B. den oben genannten Film anschauen oder mein Editorial aus dem vergangenen Jahr lesen.

Herr Jorde hat nun an seine aufklärerische und aufrüttelnde Arbeit angeknüpft und am 20.02.2019 im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin sein erstes Buch vorgestellt: „Kranke Pflege – Gemeinsam aus dem Notstand“. Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) nahm an der Veranstaltung ebenfalls teil und lobte die Veröffentlichung laut Medienberichten als „Superbuch“ sowie als „flott und frisch“. Herr Jorde gibt sich nicht als allwissender Pflegeexperte, der für alle Probleme eine Lösung parat hat. Er benennt allerdings die Probleme wie fehlende Wertschätzung der Pflegenden, Personalmangel und zu geringe finanzielle Anreize. Er hofft, dass er mit seinem Engagement andere anregt, in die Diskussion einzusteigen und dass sich letztendlich in Deutschland etwas bewegt.

Interessant ist in diesem Zusammenhang der Film „Ist die Pflege noch zu retten?“ innerhalb des investigativen Politformats „Panorama – Die Reporter“ des NDR Fernsehens. Die Autorinnen Leonie Puscher und Anne Ruprecht zeigen hierin u. a. auf, dass die Politik bisher zu wenig unternommen und zu viel versprochen hat. Es gibt in Deutschland jedoch einzelne Einrichtungen, die entgegen den Anreizen des Pflegesystems arbeiten, das auf kurzfristige Effizienz und nicht auf menschenwürdige und langfristige Pflege ausgerichtet ist.

So gibt es das Alten- und Pflegeheim Maria-Martha-Stift der Evangelischen Diakonie Lindau e. V., in dem kein „Pflegenotstand“ herrscht. Die Arbeitsschritte der Pflegekräfte sind möglichst flexibel auf die Bewohner ausgerichtet, die Mitarbeiter sind insgesamt zufrieden und können sich regelmäßig für einzelne Bewohner Zeit nehmen. Die Leiterin des Heims Anke Franke gibt an, dass sich dies langfristig lohnt: Der Krankenstand ist niedrig (nur ca. ein Fünftel des Branchendurchschnitts), es gibt verlässliche Dienstpläne und es fallen wenige Überstunden an. Insgesamt mache das Heim keinen Gewinn, aber auch keinen Verlust.

Erwähnenswert ist ebenfalls der Verein „Miteinander und Füreinander in der Gemeinde Neuweiler e. V. (MFN)“. Anita Burkhardt ist die Vorsitzende und hat den Verein Ende 2015 mitbegründet, weil sie u. a. denkt, dass der Staat die angesprochenen Probleme in absehbarer Zeit nicht lösen wird. Die private Initiative stellt die Versorgung der Pflegebedürftigen in der Gemeinde Neuweiler in Baden-Württemberg tagsüber sicher. Der Verein hat inzwischen 15 Mitarbeiter angestellt. Bezahlt werden die Kosten von den Pflegekassen und den Angehörigen, bei Extras wie Ausflügen wird auf Spenden zurückgegriffen. Wichtig ist den Vereinsmitgliedern, dass es bei der Pflege um den Menschen und nicht um Profit geht. Zum Glück ist die Pflege in Deutschland also nicht komplett erkrankt, aber das System an sich muss sich doch ändern. Eine Lösungsmöglichkeit könnte laut den Autorinnen sein, die Pflege in kommunale Hände zu geben, wie dies in Dänemark schon länger erfolgreich umgesetzt wird.

Auch wir von der Thieme Gruppe möchten, dass die Pflege – und im Umfeld der „Dialyse aktuell“ speziell die nephrologische Pflege – gestärkt wird. Daher schreiben wir in diesem Jahr wieder den „Förderpreis Nephrologische Pflege“ aus, den wir in der Vergangenheit zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft für nephrologisches Personal e. V. (AfnP) vergeben hatten. Bewerben Sie sich gerne um den Thieme Preis, der mit 1500 Euro dotiert ist – alle relevanten Informationen finden Sie auf Seite 62 im vorliegenden Heft. Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen dieses und der anderen Artikel in dieser Ausgabe der „Dialyse aktuell“!