Erfahrungsheilkunde 2019; 68(01): 2
DOI: 10.1055/a-0760-0546
Editorial
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„Alt werden steht in Gottes Gunst – jung bleiben, das ist Lebenskunst.“

Altes Sprichwort
Peter W. Gündling
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Publication Date:
28 February 2019 (online)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Leserinnen, liebe Leser,

„Anti-Aging“ oder vielleicht eher „Better-Aging“ ist das große Ziel vieler Menschen. Doch anstatt gesünder zu leben – gesund zu essen, sich regelmäßig körperlich zu betätigen, Genussmittel zu meiden (oder wenigstens sparsam zu gebrauchen) und Stress durch Entspannung und genügend Schlaf auszugleichen – werden Milliarden Euro für zweifelhafte Anti-Aging-Präparate und kosmetische Operationen ausgegeben.

Was heißt eigentlich „Anti-Aging“? Sicher heißt es nicht „Nicht-Altern“ oder „Verjüngen“ im engeren Sinn. Auch wenn es heute Millionen Menschen gibt, die das glauben und sich durch zahllose „Schönheits“-Operationen ein derart unnatürliches Aussehen zurecht schustern lassen, dass nicht nur ihr Gesicht maskenhaft wirkt, sondern auch ihr Aussehen gar nicht mehr zu ihrer Person passt. Und dabei meine ich nicht nur amerikanische Schauspielerinnen. Es heißt auch nicht zwingend „länger leben“, wie manche meinen. Letztlich geht es darum, nicht dem Leben mehr Jahre, sondern den Jahren mehr Leben zu geben. Es geht also um Gegenmaßnahmen gegen das vorzeitige Altern. Darum, gesünder alt zu werden, leistungsfähig bis ins hohe Alter zu bleiben, ggf. das biologische Altern etwas zu verlangsamen.

Doch bevor man sich den Gegenmaßnahmen des Alterns annimmt, sollte man vielleicht noch einmal reflektieren, was denn eigentlich „Alterung“ bedeutet. Schließlich geht es uns nicht um das chronologische oder kalendarische Alter, sondern um die biologischen Alterungsprozesse. Um eine Art Verschleiß und Degeneration, wie sich das in Form von Arteriosklerose, Arthrose und Falten zeigt. Aber auch um das Nachlassen von Organ- und Sinnesfunktionen wie Herz-, Muskel-, Seh- und Hörschwäche. Was dann wiederum zum Nachlassen der Leistungsfähigkeit mit schnellerer Ermüdbarkeit, Erschöpfung, Bewegungs- und Konzentrationsstörungen führt.

Dass dieses Geschehen nicht ganz schicksalhaft ist, wissen wir nicht nur erfahrungsgemäß von Personen, die mit 70 noch aussehen und so fit sind wie mit 50 oder auch umgekehrt. Das hat z. T. genetische Ursachen (wie die Alopezie), hängt aber auch vom Verhalten bzw. dem Lebensstil ab. Insofern bieten Naturheilverfahren die idealen Gegenmaßnahmen: Ausreichend Bewegung (mindestens 10 000 Schritte pro Tag), gesunde Ernährung (mediterrane Kost, richtiges Essverhalten), regelmäßige (aktive) Entspannung und ausreichend Schlaf, natürliche Reize (frische Luft, Sonne, Wasser) und ggf. unterstützende Maßnahmen wie Heilpflanzen, ausleitende Maßnahmen, Fasten und orthomolekulare Präparate. Ganz aktuell ist wieder eine große Studie erschienen, die z. B. die Verlängerung der Telomere durch Ausdauertraining belegen konnte. Und damit tatsächlich einen verjüngenden Effekt auf unser genetisches Material. Gleiches konnte schon früher fürs Fasten gezeigt werden.

Nicht vergessen sollten wir dabei die Psychohygiene, die positive Einstellung und das Ja-sagen zum Leben. Aaron Antonovsky nennt es in seiner Salutogenese das Kohärenzgefühl, bei dem es neben der Verstehbarkeit und Handhabbarkeit der Gegebenheiten des Lebens v. a. um Sinnhaftigkeit geht. Nur wenn wir einen Sinn in unserem Leben sehen, wird es uns (und unseren Patienten) gelingen, genügend Motivation aufzubringen, um die nicht immer leichten Maßnahmen für einen gesunden Lebensstil aufzubringen.

Viel Freude und neue Erkenntnisse bei der Lektüre wünscht Ihnen

Herzlichst Ihr
Peter W. Gündling