NOTARZT 2018; 34(05): 272-278
DOI: 10.1055/a-0744-1083
Zusatzweiterbildung Notfallmedizin
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

S3-Leitlinie Polytrauma – Was muss der Notarzt wissen?

S3 Guideline Polytrauma – What Does the Emergency Physician Need to Know?
Matthias Helm
,
Martin Kulla
,
Björn Hossfeld
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Publication History

Publication Date:
06 November 2018 (online)

Zusammenfassung

In diesem Beitrag wird auf die für den Notarzt und Rettungsdienst relevanten Empfehlungen der aktuell gültigen S3-Leitlinie Polytrauma/Schwerverletztenversorgung anhand des gültigen <C>ABCDE-Schemas eingegangen, die im Jahr 2016 aktualisiert worden war.

Abstract

In 2011 the first interdisciplinary S3 guideline for the management of patients with major trauma was published. After intensive revision and in consensus with 20 different medical societies, the updated version of the guideline was published in 2016. Divided into the three different sections prehospital care, emergency room management, and first operative phase, many recommendations and explanations were updated, mostly in the prehospital care and emergency room management sections. The prehospital care section is of special interest for all members of emergency medical services. This publication gives a brief overview of the changes and innovations of the current guideline using the <C>ABCDE scheme.

Kernaussagen
  • 2016 war die erste Revision und Aktualisierung der interdisziplinären S3-Leitline Polytrauma/Schwerverletztenversorgung. Aktualisiert wurde ein Großteil der Kernaussagen und Hintergrundtexte in den bekannten 3 Abschnitten

    • Präklinik,

    • Schockraum und

    • 1. OP-Phase

  • Die meisten Änderungen und Neuerungen ergaben sich im Kapitel Präklinik.

  • Vorgegangen wird nach dem <C>ABCDE-Schema:

    • <C>: „critical bleeding“ – kritische Blutung: die Leitlinie empfiehlt hier ein Stufenschema:

      • manuelle Kompression,

      • Druckverband,

      • Tourniquet,

      • Hämostyptika, sofern die vorausgegangenen Maßnahmen nicht erfolgreich waren.

    • A: Airway – Atemweg: Die Leitlinie nennt „harte“ Indikationskriterien zur endotrachealen Intubation, jedoch bleiben die Maßnahmen zum Atemwegsmanagement, zur Beatmung und Notfallnarkose immer eine individuelle und situationsabhängige Entscheidung. Ausdrücklich empfohlen werden die Videolaryngoskopie und – nach wie vor – die Immobilisierung der Halswirbelsäule vor möglichen technischen Rettungsmaßnahmen.

    • B: „Breathing“ – Beatmung: Der klinischen Untersuchung des Thorax und der Atemfunktion kommt eine zentrale Rolle zu. Insbesondere muss an das Vorliegen eines Hämato-/Pneumothorax gedacht werden. Der Spannungspneumothorax als häufigste potenziell reversible Ursache des traumassoziierten Kreislaufstillstands muss umgehend und suffizient entlastet werden.

    • C: „Circulation“ – Kreislauf:

      • Zur Volumentherapie empfiehlt die S3-Leitlinie den Einsatz von isotonen, balancierten Vollelektrolytlösungen. Nicht eingesetzt werden soll die sogenannte „physiologische Kochsalzlösung“.

      • Bei prähospital unkontrollierbaren Blutungen wird eine Kreislaufstabilisierung als sogenannte „permissive Hypotension“ empfohlen. Bei massiven Blutungen kann bereits präklinisch Tranexamsäure appliziert werden.

    • Neue Empfehlungen in der Aktualisierung:

      • Bei vermutetem Spannungspneumothorax bei traumaassoziiertem Kreislaufstillstand beidseitige Entlastung mittels Minithorakotomie.

      • Sonografie (eFAST) als diagnostisches Hilfsmittel.

      • Maßnahmen zur Behebung potenziell reversibler Ursachen eines traumaassoziierten Kreislaufstillstands durch stumpfes Trauma dürfen durch Thoraxkompressionen nicht verzögert werden.

      • Vor Abbruch einer Reanimation Ausschluss bzw. Behandlung sämtlicher potenziell reversibler Ursachen eines traumaassoziierten Kreislaufstillstands.

    • D: „Disability“ (neurologischer Status): Die S3-Leitlinie empfiehlt wiederholte Erfassung und Dokumentation von:

      • Bewusstseinslage,

      • Pupillenfunktion,

      • Glasgow Coma Scale (GCS).

    • Bei bewusstseinseingeschränkten Patienten ist bis zum Beweis des Gegenteils von einer Wirbelsäulenverletzung auszugehen; Maßnahmen zur Wirbelsäulenimmobilisierung sind durchzuführen.

    • E: „Exposure“: Hier ist auf Temperaturkontrolle bzw. Vermeidung einer akzidentellen Hypothermie zu achten.

  • Der Transport eines Schwerverletzten kann situationsabhängig boden- oder luftgestützt erfolgen (zentrale Rolle Rettungsleitstelle in diesem Zusammenhang).