Diabetes aktuell 2018; 16(06): 213
DOI: 10.1055/a-0707-6412
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Was ist die Diabetologie der Zukunft?

Antje Bergmann
1   Dresden
,
Peter E.H. Schwarz
2   Dresden
› Author Affiliations
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Publication Date:
31 October 2018 (online)

Im September fand in Dresden der 80 Stunden Kurs „Klinische Diabetologie“ statt. Knapp 100 neue Kollegen haben sich zum Diabetologen ausbilden lassen. Die 2 Wochen waren gekennzeichnet durch intensive, auch kontroverse Diskussionen mit knapp 50 Referenten aus Deutschland zu der Frage – Was ist denn die Diabetologie in der Zukunft?

Die Quintessenz dieser Diskussion war spannend, wir erleben derzeit eine Phase, die für die Diabetologie einem Paradigmenwechsel gleichkommt. Ein Paradigmenwechsel wurde schon oft heraufbeschworen, aber derzeit erleben wir einen schleichenden „Paradigmenwechsel“, der die Diabetologie auf den Kopf stellen kann. Heute beschert uns die Technologie – insbesondere CGM (Continuous Glucose Monitoring) und FGM (Flash-Glukose-Monitoring) – Erfahrungen, sodass wir den Diabetes ganz neu kennenlernen. Es mutet schon aus heutiger Sicht paradox an, dass wir in der Vergangenheit mit 5 oder 7 oder 9 Blutzuckermessungen am Tag den Diabetes verstanden haben wollten – es hat aber funktioniert. Heute lernen wird, dass unser Wissen aus der Vergangenheit in vielen Punkten richtig, aber auch in vielen Punkten von falschen Annahmen geprägt war. Wir lernen den Diabetes tatsächlich neu kennen.

Aber auch der Patient lernt den Diabetes neu kennen. Die gleiche Technologie (CGM und FGM), aber vielmehr noch eine Vielzahl von digitalen „M-Health“-Anwendungen und Smart-Phone-Apps, die den Patienten dabei begleiten, seinen Lebensstil zu ändern, die motivierend wirken und die eine Verhaltensänderung basierend auf individuellen Bedürfnissen unterstützen, sind eine faszinierende Ergänzung für das Selbstmanagement des Patienten. Aus ärztlicher Sicht vielleicht banal und manchmal auch gar nicht willkommen, aus Patientensicht aber durchaus ein Quantensprung im Hinblick auf eine Verbesserung des Selbstmanagements, ein Quantensprung hin zu einer lebensnahen Diabetestherapie und ein Quantensprung zu einer nachhaltigen Begleitung eines Diabetesmanagements.

Diese 2 Punkte waren der Tenor, der sich durch den Kurs „Klinische Diabetologie“ in Dresden zog. In Dresden haben alle Teilnehmer den „Freestyle-libre“-FGM-Sensor am Anfang des Kurses bekommen und konnten so für die allermeisten erstmalig Erfahrungen mit dem eigenen Blutzuckerspiegel machen. Es war faszinierend zu sehen, wie bei 100 Kollegen 200 unterschiedliche Erfahrungen gemacht wurden, die sich von dem, was unsere Patienten berichten, überhaupt nicht unterscheiden. Die Quintessenz aus dem Kurs war, dass wir als ärztliche Kollegen das, was wir von unseren Patienten erwarten, am besten auch selbst durchgemacht haben sollten. Das betrifft nicht nur Blutzuckermessungen, sondern auch Verhaltensänderungen, Herausforderungen bei der Lebenstiländerung und Barrieren im Umgang mit Therapien. Den eigenen Blutzuckerspiegel kontinuierlich messen zu können, war für die Teilnehmer in Dresden eine spannende Erfahrung. Der Kollege, der den Patienten von seiner eigenen Erfahrung berichten kann, ist individueller, moderner, innovativer – und dem Patienten tatsächlich noch einen „kleinen“ Schritt voraus.