Fortschr Neurol Psychiatr 2018; 86(11): 676-677
DOI: 10.1055/a-0691-7959
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Vorzeitiges epigenetisches Altern bei Depression

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Publication Date:
17 January 2019 (online)

Patienten mit Depression leiden häufig auch unter altersassoziierten Erkrankungen wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Neoplasien und kognitiven Einschränkungen. Dies weist auf eine vorzeitige Alterung bei Depression hin. Mit Hilfe von DNA-Methylierungsmustern kann man das epigenetische Alter bestimmen. Der Vergleich des epigenetischen Alters mit dem chronologischen Alter lässt Aussagen über vorzeitige oder verzögerte biologische Alterung zu. Im hier referierten Studienprojekt haben Han und Kollegen den Zusammenhang zwischen Depression und vorzeitiger epigenetischer Alterung anhand von DNA-Methylierungsmustern im Blut untersucht und die Ergebnisse an Hirngewebe validiert.

Zur Bestimmung des individuellen DNA-Methylierungsalters wurden DNA-Methylierungsstellen im Blut von 811 depressiven Patienten und 319 Kontrollprobanden aus der longitudinalen multizentrischen Netherlands Study of Depression and Anxiety (NESDA) (mittleres Alter und Standardabweichung: 41,5 ± 13,0 Jahre; 64,5 % Frauen) mit MBD-seq untersucht. Die Patienten litten unter einer Depression (major depressive disorder mit mindestens 14 Punkten im Depressionsinventar [Inventory of Depressive Symptomatology] innerhalb der zurückliegenden 6 Monate). Bei den Kontrollprobanden lagen keine psychiatrischen Lebenszeiterkrankungen und allenfalls geringe depressive Symptome (< 14 Punkte im Depressionsinventar) vor. Die statistischen Analysen wurden für Geschlecht, Bildungsjahre, Body-Mass-Index (BMI), Kotininspiegel, Alkoholkonsum, körperliche Aktivität und Anzahl chronischer Erkrankungen korrigiert.

Wie erwartet korrelierte das DNA-Methylierungsalter positiv mit dem chronologischen Alter (r = 0,95, p < 0,001); höheres DNA-Methylierungsalter war zudem mit männlichem Geschlecht und höherem BMI assoziiert. Das Forschungsprojekt zeigt eine um 0,64 Jahre vorzeitige (Cohen’s d = 0,18, p = 0,008) epigenetische Alterung (= unstandardisierte Residuen von DNA-Methylierungsalter auf chronologisches Alter) bei den depressiven Patienten (chronologisches Alter: 41,5 ± 12,3 Jahre) im Vergleich zu den Kontrollprobanden (chronologisches Alter: 41,6 Jahre ± 14,6 Jahre) und eine Assoziation zwischen Stärke der Depression und vorzeitiger epigenetischer Alterung (β=0,10, p = 0,001). Die Patientengruppe bestand aus mehr Frauen (p = 0,02) und berichtete ein niedrigeres Bildungsniveau (p < 0,001) sowie stärkere Traumatisierung in der Kindheit (p < 0,001) als die Kontrollgruppe. In der Gruppe depressiver Patienten korrelierte die vorzeitige epigenetische Alterung zudem positiv mit traumatischen Ereignissen in der Kindheit (β=0,09, p = 0,02).

Die im ersten Studienabschnitt in Blutproben gemessene vorzeitige epigenetische Alterung bei Depression konnte an Postmortemhirnproben von 74 Personen mit Depression und 67 Personen ohne psychiatrische Voranamnese validiert werden (Brodmann Areale 10 und 25; mittleres Alter 55,2 ± 19,3 Jahre; 45,4 % Frauen). Die Gruppe depressiver Patienten war im Vergleich zur Kontrollgruppe durchschnittlich um 1,11 Jahre epigenetisch vorgealtert (p = 0,03).