PPH 2018; 24(05): 209
DOI: 10.1055/a-0646-5996
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

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Thomas Schüllermann-Epmann
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Publication Date:
20 September 2018 (online)

Am Rausch ist nicht der Wein schuld, sondern der Trinker.

Konfuzius 551 bis 479 v. Chr.

Liebe Leserinnen und Leser,

in Deutschland sind zirka zwei Millionen Menschen alkoholabhängig, 480 000 junge Menschen haben mindestens einmal in ihrem Leben illegale Drogen konsumiert und über eine halbe Million Menschen sind internetsüchtig. Süchtig – aber nach Konfuzius auch schuldig?

Diskussionen zu Primär- oder Sekundärerkrankungen im Kontext von Suchterkrankungen werden heute ebenso vielfältig geführt, wie es therapeutische Konzepte in den unterschiedlichsten Therapieeinrichtungen gibt. Was heute noch als „Good Clinical Practice“ in Leitlinien zu Suchterkrankungen beschrieben wird, kann in der Diskussion, ob die Komorbidität vielleicht doch die Primärerkrankung ist, schon in die „Irre“ führen. Ist die Alkoholerkrankung die Primärerkrankung oder doch nur ein schlechter Krankheitsbewältigungsversuch für die unglücklichen Gefühle, die durch eine unentdeckte Depression quälend im Nacken sitzen?

Steht die Komorbidität im Fokus, oder zumindest als Option zwischen den Zeilen des Behandlungskonzepts, kann gegebenenfalls auch mit der „Abstinenzzielmonopolisierung“ aufgeräumt werden. Wenn Patienten als Behandlungspartner auf Augenhöhe gesehen werden, haben diese die Selbstverantwortung für den Erfolg ihrer Therapie – dann sollte konzeptionell auch nichts gegen einen Alkoholentzug auf einer offenen Station sprechen.

Wenn wir, um auf Konfuzius zurückzukommen, nicht nach der „Schuld“ für süchtiges Verhalten fragen, sondern uns um die Ursachen kümmern und unsere Behandlungskonzepte partizipativ auslegen, sind wir wieder einen deutlichen Schritt vorangekommen.

Thomas Schüllermann-Epmann