Einleitung
Einleitung
Mit dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VÄndG), welches Anfang nächsten Jahres
bereits zwei Jahre in Kraft sein wird, ist den Radiologen die Möglichkeit gegeben
worden, unter "vereinfachten Bedingungen" neben ihrem Hauptsitz eine Zweigpraxis zu
eröffnen, um (auch) dort abrechnungsfähige radiologische Leistungen erbringen zu können.
Wie schon in der Dezemberausgabe 2007 [1] sowie in der Aprilausgabe 2008 [2] berichtet, beschäftigte sich das Sozialgericht Marburg [3] sowie das Landessozialgericht Hessen [4] als nächst höhere Instanz in der Vergangenheit bereits mehrfach mit den Genehmigungsanforderungen
für eine Zweigpraxis. Im Folgenden sollen zwei bisher noch nicht behandelte Entscheidungen
des Sozialgerichts Marburgs [5] näher erörtert werden, die jeweils in derselben Sache ergangen sind und die sich
speziell mit den Anforderungen einer Zweigpraxis eines MVZ beschäftigt haben. Zentrale
Frage war dabei die rechtliche Zulässigkeit der Auslagerung eines gesamten Fachgebietes
an den Ort der Zweigpraxis. Des weiteren wird zum Zwecke eines Gesamtüberblicks auf
die übrigen Genehmigungsanforderungen einer Zweigpraxis eingegangen, zu denen sich
das Sozialgericht Marburg in den genannten Entscheidungen erneut geäußert hat.
In den Entscheidungen des Sozialgerichts Marburg [5] war die Genehmigung einer Zweigpraxis eines MVZ streitig. Das MVZ war mit Praxissitz
in A-Stadt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und beschäftigte dort als
angestellte Ärzte einen Facharzt für Radiologie sowie einen Facharzt für Nuklearmedizin.
Das MVZ übernahm im Wege der Praxisnachfolge einen ausgeschriebenen weiteren Praxissitz
aus dem Gebiet der Gynäkologie in der C-Stadt, wobei die vertragsärztliche Tätigkeit
am dortigen Praxissitz durch eine vollzeitig beim MVZ angestellte Frauenärztin fortgeführt
werden sollte. Am Sitz der übernommenen gynäkologischen Praxis begehrte das MVZ die
Genehmigung einer Zweigpraxis, wobei allein dort gynäkologische Leistungen erbracht
werden sollten, während sich das Leistungsspektrum am Hauptsitz des MVZ in A-Stadt
ausschließlich auf radiologische und nuklearmedizinische Leistungen beziehen sollte
[6].
Auslagerung eines gesamten Fachgebietes an den Ort der Zweigpraxis
Auslagerung eines gesamten Fachgebietes an den Ort der Zweigpraxis
Dies sah das Sozialgericht Marburg als Genehmigungshindernis an, weil ein MVZ als
fachübergreifende Einrichtung alle vertragsärztlichen Leistungen am Ort des Hauptsitzes
erbringen müsse. Begrifflich liegt eine genehmigungspflichtige Zweigpraxis dann vor,
wenn vollständig oder zumindest teilweise die Leistungen in der Zweigpraxis mit denjenigen
am Hauptsitz übereinstimmen und in der Zweigpraxis Sprechstunden angeboten werden.
Hingegen ist eine nur anzeigepflichtige und nicht genehmigungspflichtige ausgelagerte
Praxisstätte gegeben, wenn dort nur spezielle Untersuchungs- und Behandlungsleistungen
angeboten werden, was im vorliegenden Fall aber nicht der Fall war. Nach der Auffassung
des Gerichts hätte es sich nur dann um eine genehmigungsfähige Zweigpraxis gehandelt,
wenn die gynäkologische Tätigkeit auch für den Hauptsitz des MVZ vorgesehen wäre.
Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass am Hauptsitz eines MVZ alle vorgehaltenen
Fachgebietsleistungen angeboten werden müssen. Für den Ort der Zweigpraxis hingegen
reicht es aus, dass dort das Angebot auf bestimmte Leistungsbereiche beschränkt wird.
Dieser Auffassung des Sozialgerichts Marburg haben sich bereits einige Kassenärztliche
Vereinigungen angeschlossen mit der Konsequenz, dass bei vollständiger Auslagerung
von Fachgebieten unter Hinweis auf diese Entscheidungen Genehmigungen nicht erteilt
werden.
Zwei selbstständige Praxen unter dem Dach eines MVZ sind unzulässig
Zwei selbstständige Praxen unter dem Dach eines MVZ sind unzulässig
Werden hingegen Fachgebietsleistungen in der Zweigpraxis erbracht, die an dem Hauptsitz
des MVZ nicht angeboten werden, so handelt es sich nach der Auffassung des Sozialgerichts
Marburg – sofern es sich nicht nur um ausgelagerte Praxisräume handelt - um eine
weitere Praxis, so dass unter dem Dach des MVZ zwei selbstständige Praxen betrieben
würden. Dies sei nach geltender Rechtslage jedoch unzulässig. Nach der Auffassung
des Gerichts könne auch nicht der Hinweis auf § 103 Abs. 4a Satz 2 SGB V überzeugen,
da dieser nicht vorschreibe, dass bei einer Praxisnachfolge durch ein MVZ die Praxis
am Ort des abgebenden Arztes zwingend dort weitergeführt werden müsse.
Verlegung des Praxissitzes
Verlegung des Praxissitzes
Sofern ein MVZ einen Praxissitz im Wege der Praxisnachfolge übernimmt, der sich nicht
am Ort des MVZ befindet, so muss die Praxis vielmehr an den Sitz des MVZ verlegt werden.
Unter Beachtung der hier erörterten Voraussetzungen ist es dann möglich, erfolgsversprechend
einen Antrag auf Genehmigung der Zweigpraxis zu stellen.
Verbesserung der Versorgung am Ort der radiologischen Zweigpraxis
Verbesserung der Versorgung am Ort der radiologischen Zweigpraxis
Als Genehmigungsvoraussetzung für eine Zweigpraxis fordert § 24 Abs. 3 Nr. 1 Ärzte-ZV,
dass die Zweigpraxis die Versorgung an diesem Ort verbessert. Der vom Gesetzgeber
kreierte Begriff der "Verbesserung der Versorgung" ist wegen seiner Unbestimmtheit
schwierig juristisch fassbar, bietet gerade deswegen erhebliches Streitpotential und
unterliegt letztlich der Auslegung durch die Rechtsprechung. Eine Versorgungsverbesserung
muss von dem Radiologen bei seinem Antrag auf Genehmigung der Zweigpraxis gegenüber
der Kassenärztlichen Vereinigung [7] oder dem Zulassungsausschuss [8] genau begründet werden, wobei eine Verbesserung in quantitativer Hinsicht (Anzahl),
aber auch in qualitativer Hinsicht geltend gemacht werden kann. [1], [2]
Das Sozialgericht Marburg weist in seinen Entscheidungen darauf hin, dass das Vorliegen
einer Versorgungsverbesserung von verschiedenen Faktoren abhängt, insbesondere der
Anzahl der Ärzte, dem Stand der Krankenhausversorgung, der Bevölkerungsdichte, von
Art und Umfang der Nachfrage und von der räumlichen Zuordnung aufgrund der vorhandenen
Verkehrsverbindungen. Da die einzelnen Faktoren und ihre Abhängigkeit voneinander
allerdings ebenfalls recht unbestimmt sind, gesteht das Bundessozialgericht den Kassenärztlichen
Vereinigungen bei ihrer Gewichtung einen Beurteilungsspielraum zu, der gerichtlich
nur eingeschränkt überprüft werden kann. Dies kann die gerichtliche Durchsetzbarkeit
von Genehmigungsanträgen erschweren.
Rechtlich angreifbar ist es jedoch, wenn Kassenärztliche Vereinigungen z.B. pauschal
darauf verweisen, dass das Planungsgebiet für das betroffene Fachgebiet gesperrt sei
und die Befragung anderer niedergelassener Kollegen des Fachgebietes ergeben habe,
dass die Versorgung der Versicherten nicht verbessert werde. Sicherlich kann im Bereich
der quantitativen Versorgungsverbesserung die Bedarfsplanung nicht außer Acht gelassen
werden. Sie ist jedoch keinesfalls ein abschließendes Kriterium, sondern kann nur
indizielle Wirkung haben. Denn nach wie vor ist denkbar, dass in bestimmten lokalen
Bereichen des Planungsgebietes, insbesondere in großflächigen Planungsbereichen, Leistungen
der betreffenden Arztgruppe nicht in erforderlichem Umfang erbracht werden, obwohl
rein rechnerisch das Planungsgebiet gesperrt ist. Eine Verbesserung der Versorgung
in qualitativer Hinsicht ist gänzlich unabhängig von der Bedarfsplanung und kann begründet
werden mit einem auf speziellen Kenntnissen beruhenden besonderen Behandlungsangebot
oder mit besonderen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in Form z.B. von spezieller
apparativer Ausstattung.
Das Sozialgericht Marburg vertritt ferner die Rechtsauffassung, dass eine Verbesserung
der Versorgung bei Übernahme eines Praxissitzes im Wege der Praxisnachfolge stets
gegeben sei, weil bereits von Gesetzes wegen ein Versorgungsbedarf im Umfang der bestehenden
Praxis besteht [9]. Es komme daher nicht darauf an, ob das Leistungsangebot im Einzelnen verbessert
oder erweitert wird. Unter Heranziehung dieser Rechtsprechung kann zukünftig in den
Fällen, in denen ein Praxissitz übernommen wird und an diesem Ort die Genehmigung
einer Zweigpraxis angestrebt wird, die Versorgungsverbesserung einfach begründet werden,
weil auf den Bestand der bisherigen Praxis verwiesen werden kann.
Keine Beeinträchtigung der Versorgung am Vertragsarztsitz des Radiologen
Keine Beeinträchtigung der Versorgung am Vertragsarztsitz des Radiologen
Nach § 24 Abs. 3 Nr. 2 Ärzte-ZV darf die Versorgung am Hauptsitz nicht beeinträchtigt
wurden. In den vertragsärztlichen Bestimmungen findet sich keine Festlegung hinsichtlich
der Anzahl der möglichen Zweigpraxen. Durch die zeitlichen Vorgaben in den Bundesmantelverträgen
für die Tätigkeit am Hauptsitz und in der Zweigpraxis ergibt sich jedoch zwangsläufig
eine entsprechende Reduzierung. Der Radiologe muss 20 Stunden am Hauptsitz in Form
von Sprechstundenzeiten präsent sein. Bei einem Teilversorgungsauftrag reduziert sich
die Präsenzpflicht entsprechend auf 10 Stunden. Für die Zweigpraxis selbst besteht
keine konkrete Zeitvorgabe. Der Bundesmantelvertrag gibt lediglich vor, dass die Zeit
am Ort der Zweigpraxis die Zeit am Hauptsitz nicht überschreiten darf. Der Vertragsarzt
muss dabei die Präsenzzeiten nicht zwingend in eigener Person erfüllen, sondern kann
sich hierbei auch angestellter Ärzte bedienen. Die Anforderungen an den Grundsatz
der persönlichen Leistungserbringung sind durch die Neuregelung der Bundesmantelverträge
im Hinblick auf angestellte Ärzte deutlich gelockert worden. Dies gilt allerdings
nicht für Weiterbildungsassistenten, da diese auf Grund ihres Ausbildungsstatus der
unmittelbaren Aufsicht und Weisung des zur Weiterbildung ermächtigten Arztes unterliegen.
Die Anforderungen an den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung sind daher
strenger als bei angestellten Ärzten, die bereits über ihren Facharzt verfügen.
Erfüllung der Präsenzpflicht bei Medizinischen Versorgungszentren
Erfüllung der Präsenzpflicht bei Medizinischen Versorgungszentren
Das Sozialgericht Marburg verwies ferner in seinen Beschlüssen darauf, dass die Präsenzpflicht
am Hauptsitz eines MVZ als Mindestzeiten für den Versorgungsauftrag des MVZ insgesamt
unabhängig von der Zahl der beschäftigten Ärzte anzuwenden sind, es also ausreicht,
wenn ein Arzt des MVZ mindestens 20 Sprechstunden anwesend ist. Ferner muss die Summe
der Tätigkeitszeiten aller am MVZ tätiger Ärzte alle Tätigkeiten außerhalb des Vertragsarztsitzes
zeitlich insgesamt überwiegen.
Zusammenfassung
Zusammenfassung
Erwirbt ein MVZ im Wege der Praxisnachfolge einen weiteren Vertragsarztsitz an einem
anderen Ort, so ist es möglich, auf diesen Sitz einen Arzt des entsprechenden Fachgebietes
anzustellen. Allerdings ist zu bedenken, dass es sich nur dann um eine genehmigungsfähige
Zweigpraxis handelt, wenn das entsprechende Fachgebiet auch am Ort des Hauptsitzes
des MVZŽs abgedeckt wird. Andernfalls handelt es sich nicht um eine Zweigpraxis, sondern
um eine nicht genehmigungsfähige eigene Praxis. Wird die Praxis verlegt und das Fachgebiet
am Hauptsitz des MVZŽs angeboten, so kann am Ort des früheren Praxissitzes eine Zweigpraxis
genehmigt werden. Die "Verbesserung der Versorgung" kann mit Verweis auf den Praxisumfang
des bisherigen Vertragsarztes begründet werden.