Die Salmonellenepidemie in einem hessischen Klinikum, die im letzten Jahr rund drei
Monate die Medien mit bestimmte (vgl. Kasten), ist heute ein Paradebeispiel dafür,
was im Verlauf einer Krise alles schief gehen kann. Fehlende Präventionsmaßnahmen,
das Leugnen der Krise in der Akutsituation und eine überstürzte Kommunikation ohne
Absprachen waren der Grund, warum das betroffene Klinikum weit über sein regionales
Einzugsgebiet hinaus, zum Inbegriff eines Krankenhauses wurde, in dem man lieber nicht
behandelt werden würde. Allerdings hätte die Situation auch viel glimpflicher ablaufen
und der Schaden minimiert werden können. Wie? Mit einer zuverlässigen und umfassenden
Krisenprävention.
Sicherlich hat jede Krise viele Grundlagen - drei Bereiche sind jedoch dabei entscheidend:
-
die Prophylaxe durch optimierte Abläufe (wenn immer möglich)
-
die Kommunikation mit der Öffentlichkeit
-
die Kommunikation mit den relevanten Bezugsgruppen, den sogenannten Stakeholdern (z.B.
Gesundheitsamt, das Robert-Koch-Institut, der Bürgermeister, Patientenverbände, die
Verbraucherzentrale und viele mehr).
Lassen Sie es erst gar nicht zur Krise kommen!
Lassen Sie es erst gar nicht zur Krise kommen!
Viele Krisen sind, ein gewisses Maß an Prävention vorausgesetzt, vermeidbar. Dies
gilt gerade auch für Ausbrüche von Infektionskrankheiten wie den Salmonelleninfektionen
in unserem Beispiel. So könnten bereits im Vorfeld Sicherheitslücken im Arbeitsprozess
der Küche, dem „Zentrum der Krise”, geschlossen werden, sei es die Kontrolle des Einkaufsprozesses
(Lieferanten, Kühlkette) oder auch die Identifizierung risikorelevanter Lebensmittel
(z.B. Fleischprodukte, Rohmilch, Eier, Tiefkühlprodukte) und sonstiger möglicher Infektionsquellen
(z.B. Trinkwasser).
Auch dezidierte Handlungsanweisungen zum Umgang mit den risikobehafteten Produkten
(Lagerung, Zubereitung), das Screening der Mitarbeiter sowie deren Schulung und Überwachung
zählen in diesem Fall zu den wirkungsvollen Präventionsmaßnahmen. Ein Eingangsscreening
der Patienten, die gleichermaßen als mögliche Infektionsträger infrage kommen, kann
ebenfalls sinnvoll sein.
Ziehen Sie im Ernstfall schnell die Konsequenzen
Ziehen Sie im Ernstfall schnell die Konsequenzen
Kommt es trotz solcher Maßnahmen zum Ernstfall, gilt es, schnell die richtigen Konsequenzen
zu ziehen. Hätte die Klinik umgehend die Küche geschlossen und übergangsweise durch
einen externen Anbieter ersetzt, die Patienten und Einweiser informiert sowie alle
Mitarbeiter der relevanten Bereiche gescreent und später erneut kontrolliert, hätten
die Ärzte die aufgetretenen Salmonelleninfektionen schnell in den Griff bekommen,
und die zweite Infektionswelle wäre erst gar nicht aufgetreten. Die Krise wäre also
erst gar nicht entstanden.
In unserem Beispiel blieb die Küche jedoch noch etwa zwei Wochen geöffnet, die zentralen
Abläufe wurden nicht sofort hinterfragt, und die potenziellen Quellen wurden nicht
schnellstmöglich eliminiert - mit schlimmen Folgen.
Offene Kommunikation schafft Vertrauen
Offene Kommunikation schafft Vertrauen
Das zweite Standbein einer gelungenen Krisenprävention ist die Kommunikation mit der
Öffentlichkeit, und die will gelernt sein. So sollte es nur einen zentralen Ansprechpartner
für die Medien geben, der sich um einen engen und regelmäßigen Kontakt mit den Medienvertretern
bemüht. Kann er dies Umsetzen, erhält er in möglichen Krisensituationen einen „Vertrauensbonus”.
Ein mit der Klinik gut vertrauter Journalist wird zunächst mit „seinem” Pressesprecher
Kontakt aufnehmen und den Fall ansprechen, bevor er ungefilterte Informationen an
die Öffentlichkeit bringt.
Ideal ist darüber hinaus, wenn die Klinik eine Kommunikationsroutine etabliert hat,
die dazu beiträgt, die Anforderungen an die Kommunikation in bestimmten Situationen
schnell und sicher zu beurteilen. Wann zum Beispiel ist es sinnvoll, mit allen verfügbaren
Informationen nach außen zu gehen, und in welcher Form sollte dies geschehen? Generell
ist anzuraten, immer die Position des Aufklärers einzunehmen und die Öffentlichkeit
frühzeitig, umfassend und ehrlich zu informieren.
Gerade die sogenannte „Salamitaktik”, bei der Informationen nur auf Nachfrage - sprich
„scheibchenweise” - herausgegeben werden, kann Journalisten verärgern und zu einer
intensiveren Recherche anderer Quellen verleiten. Die Öffentlichkeit reagiert auf
ein solches Vorgehen ebenfalls empfindlich. Besser ist, man ist selbst eine verlässliche
Informationsquelle.
Wie die Salmonellen zum Krisenfall wurden
Anfang Mai 2007 gab es die ersten Meldungen über Fälle von Salmonelleninfektionen
in einem großen deutschen Klinikum in der regionalen Presse und in der Frankfurter
Rundschau. Die Klinikleitung wiegelte zunächst ab, der Direktor der medizinischen
Klinik kommentierte „Grillsaison ist Salmonellensaison”. Der Vorstandsvorsitzende
des Hauses wiederum fuhr in den Urlaub, er war der Meinung: „Wir haben die Situation
im Griff”.
Absprachen unter den Verantwortlichen? - Fehlanzeige!
Am 10. Mai erklärte die Klinikleitung, die Epidemie sei unter Kontrolle - aber nur
zwei Tage später berichten die Medien über eine „zweite Welle” mit 94 Erkrankten und
zwei Todesfällen. Am 20. Mai brachte Klaus-Dieter Zastrow, Sprecher der Deutschen
Gesellschaft für Krankenhaushygiene, auch noch eine mögliche Sabotage mit ins Spiel,
und der Vorstandsvorsitzende der Klinik geriet mit Fragen wie „Sollen wir jetzt nach
Osama bin Laden suchen?”, seinem Urlaub und seine zögernde Informationspolitik unter
Druck. Der Sprecher des Klinikums wiederum setzte auf „Daten, Zahlen und Fakten” und
ignorierte damit mögliche Ängste der Bevölkerung.
Nach dem Ausschluss eines Sabotageakts spitzte sich am nächsten Tag das Vokabular
weiter zu: Die Rede war jetzt von „tödlicher Schlamperei”, der ärztliche Direktor
sprach von einem „Super-Gau”, der Bürgermeister von einer „schicksalhaften Heimsuchung”.
Der Leiter des Gesundheitsamts sah die Lage erneut „unter Kontrolle”. Patientenverbände
und die Verbraucherzentrale bemängelten die langsame Reaktion des Krankenhauses auf
das Auftreten der Infektionen. Auch die Politik mischte sich ein: Ein Vertreter der
SPD sprach von einer „Geschichte aus dem Tollhaus” und hielt Management und Verantwortungsträger
der Klinik für überfordert.
Mit dem Fund von Legionellen ging es „in die zweite Runde”
Anfang Juli wurden Legionellen in den Wasserleitungen des Klinikums gefunden. Sofort
stieg das Interesse der Medien erneut, denn aufgrund der Salmonellenkrise war die
Öffentlichkeit besonders wachsam und bereits für „Horrormeldungen” aus der Klinik
sensibilisiert. Zu diesem Zeitpunkt distanzierte sich das Kreisgesundheitsamt öffentlich
von der Klinikleitung. Mitte Juli legte der Vorstandsvorsitzende sein Amt nieder.
Der Ärztliche Direktor stritt in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) sämtliche
Versäumnisse ab und sprach von „unvorhergesehenen Ereignissen”. Die Verzögerungen
bei der Meldung des Vorfalls wurden mit internen Kommunikationsproblemen begründet.
Nur langsam beruhigte sich die Lage
Ende Juli wurden die Ergebnisse der regelmäßig durchgeführten Salmonellenuntersuchung
bei Mitarbeitern unter der Headline „Skandal-Serie” publiziert. Erst langsam beruhigte
sich das Interesse der Medien - nach drei Monaten direktem Beschuss.
Vermitteln Sie Sicherheit und Souveränität
Vermitteln Sie Sicherheit und Souveränität
Außerdem kann ein sogenanntes „Krisenhandbuch” bei dem oft schwierigen Umgang mit
der richtigen Kommunikationsstrategie helfen. Hier können relevante Materialien, Kernbotschaften
und Argumentationshilfen, zum Beispiel kurze, vorformulierte Statements zur Wiedergabe
einer angemessenen, ersten öffentlichen Reaktion, sowie ein Katalog mit möglichen
kritischen Fragen und Antworten im Rahmen eines Krisenhandbuchs als „erste Hilfe”
zusammengestellt sein. Denn ein nach außen geschlossenes Auftreten und fest definierte
Sprachregelungen sind das A und O der Kommunikation. So erhält der Sprecher der Klinik
Sicherheit und signalisiert Souveränität.
In unserem Fall war die Klinik schlecht beraten, sich nicht durch einen Pressesprecher,
sondern durch die medial nicht geschulte Klinikleitung nach Außen repräsentieren zu
lassen. Diese spielte die Situation zunächst herunter, gab dann - obwohl dem nicht
so war - zweimal „Entwarnung”. Die Öffentlichkeit entnahm den Äußerungen, dass die
Klinik die Situation nicht ernst nimmt und darüber hinaus nicht unter Kontrolle hat.
Dies schlägt sich natürlich auf das Image der Klinik nieder, das Vertrauen in die
sensible Einrichtung 'Krankenhaus' geht verloren.
Kontinuierlicher Kontakt mit den Stakeholdern
Kontinuierlicher Kontakt mit den Stakeholdern
Um für eine Krisensituation gewappnet zu sein, müssen auch die relevanten Ansprechpartner
und Anspruchsgruppen bekannt sein. Diese reichen von den Mitarbeitern des Klinikums
über das Gesundheitsamt, das Robert-Koch-Institut (RKI), die Deutsche Gesellschaft
für Krankenhaushygiene, den Bürgermeister und die Patientenverbände bis hin zur Verbraucherzentrale.
Denn in diesen Gruppen finden sich im Falle eines Falles Verbündete, Freunde oder
auch Gegner des Klinikums. Durch einen regelmäßigen Kontakt werden wichtige Allianzen
geschmiedet und Verbündete für Krisenzeiten gefunden.
Fazit: Die Krise an der Wurzel packen!
Fazit: Die Krise an der Wurzel packen!
Krankenhäuser sind besonders sensible Institutionen, in denen bereits ein kleiner
Fehler ernste Konsequenzen haben kann. Reibungslose Abläufe im Klinikalltag sind daher
die beste Krisenprophylaxe. Dies betrifft sowohl die klinischen Prozesse als auch
die Kommunikationsroutine. An diesen zentralen Punkten muss die Krisenprävention ansetzen:
Interne Abläufe müssen optimiert werden (Risikoanalyse, Status Quo), um das Risikopotenzial
zu minimieren. Dabei müssen auch die Anforderungen der externen Kommunikation berücksichtigt
werden, damit der Dialog mit der Öffentlichkeit auch in einer Extremsituation „rund”
läuft. All dies kann in eigener Regie funktionieren. Manchmal ist es aber hilfreich,
sich hier Hilfe zu suchen, denn ein außenstehender, nicht in die Klinikstrukturen
integrierter Berater hat oft einen klareren Blick auf interne Strukturen.