Z Orthop Unfall 2008; 146(3): 306
DOI: 10.1055/s-2008-1081444
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Hüftgelenkoberflächenersatz - Einfluss der Valgisierung auf Schenkelhalsfrakturen

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Publication Date:
03 July 2008 (online)

 
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Schenkelhalsfrakturen gehören zu den häufigsten Komplikationen nach Oberflächenersatz des Hüftgelenkes. In jüngster Zeit werden vermehrt die richtige Ausrichtung der Hüftkopfkappe sowie die Knochendichte ("Bone Mineral Density" (BMD)) als prädiktive Faktoren für implantatassoziierte Komplikationen diskutiert. Die Autoren dieser biomechanischen Studie untersuchten ob eine valgische Implantation zu einer höheren Frakturtoleranz führt, welche Faktoren am meisten zur Schenkelhalsfraktur beitragen und ob eine valgische Positionierung die Implantatgröße beeinflusst. Hip Resurfacing Femoral Neck Fracture Influenced by Valgus Placement, Clin Orthop Relat Res 2007; 465: 71-9

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Studiendesign

Bis jetzt sind keine exakten Daten über die richtige Positionierung der Kappe oder genaue Grenzwerte der BMD vorhanden, wobei ein leicht valgischer Implantationswinkel empfohlen wird. In einer biomechanischen Kadaverstudie wurden 10 Paare (8 weiblich, 2 männlich) humaner frischer Femura in gangphysiologischer Ausrichtung bis zum Versagen in einer Materialtestmaschine belastet. Die Kopfkappen einer Seite wurde in 0° Ausrichtung zum Schenkelhals implantiert, die der anderen in 10° Valgus. Bei allen wurde der Schenkelhals am kranialen Kopfkappenrand normiert eingekerbt, um ein "Notching" zu imitieren und somit eine Sollbruchstelle zu definieren. Bei allen Proben wurde eine Knochendichtemessung (DXA) durchgeführt und mit der Last, die zum Versagen führt ("failure load"-Bruchlast), korreliert.

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Ergebnisse

Die Bruchlast korrelierte mit der BMD und stieg bis 28 % durch die valgische Implantation im Vergleich zur Neutralposition der Kopfkappe. Dieses Phänomen wurde jedoch nur bei Femura mit normaler BMD festgestellt. Die Positionierung der Kappe hatte einen größeren Einfluss als die Knochendichte bei Femura, die im Bereich der normalen BMD liegen. Bezogen auf alle Femura zeigte jedoch der BMD den größten Einfluss auf die Bruchlast. Die höchsten Bruchlasten wurden bei kleinen CCD-Winkeln mit valgisch implantierten Kopfkappen gesehen. Das früheste Versagen trat bei Schenkelhälsen mit CCD-Winkeln über 143° auf. Bei 2 von 10 Paaren war durch die valgische Implantation ein größeres Implantat nötig.

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Kommentar

Die Autoren greifen mit der Kappenausrichtung ein relativ häufig diskutiertes Thema auf. Allerdings wird die zentrale Frage, in welchem Winkel die Kopfkappe zu positionieren ist, nicht beantwortet. Diese Studie bringt jedoch die neue Erkenntnis, dass eine Valgisierung der Kopfkappe bei normwertiger BMD die Last bis zum Versagen erhöht. Umstritten bleibt, ob man auf dem Boden der Ergebnisse sicher von einer Erhöhung der Implantatgröße bei valgischer Implantation ausgehen kann.

Bei der Interpretation der Ergebnisse dieser Studie muss bedacht werden, dass der Kadaverknochen nicht die adaptiven Vorgänge "in vivo" imitieren kann. Die physiologische Krafteinleitung ist weitaus komplexer als in dieser Studie dargestellt, ein Hinzufügen weiterer Komponenten hätte jedoch wenig an der Aussage verändert. Eine höhere Probenzahl hätte der Studie mehr statistische Kraft verliehen, speziell im Hinblick auf die Varianzen der BMD, das Geschlecht und den CCD-Winkel. Dies wird vor allem bei Betrachtung der Signifikanzniveaus deutlich.

Bei normwertiger BMD sollte das Implantat mit bis zu 10° Valgus implantiert werden, die genaue Gradzahl bleibt fraglich. Eine Valgisierung über 10° ist kritisch. Auch ein exakter Grenzwert der BMD konnte nicht ermittelt werden. Die Autoren empfehlen jedoch von einem Hüftoberflächenersatz bei einem BMD von unter 0,65 g/cm2 abzusehen. Eine Empfehlung zu routinemäßigen DXA-Messungen vor der Kopfkappenimplantation wird allerdings nicht ausgesprochen.

Matthias Lerch

Matthias Lerch

Orthopädische Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover

Email: matthias.lerch@annastift.de