Z Orthop Unfall 2008; 146(3): 304-305
DOI: 10.1055/s-2008-1081443
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Chronische OSG-Bandinstabilität - Was ist die MRT bei der Diagnostik wirklich wert?

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Publication Date:
03 July 2008 (online)

 
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Die Autoren der Studie wollten der Frage nachgehen, in wie weit und mit welchen Gütekriterien die präoperative MRT eine Bandinstabilität des lateralen und/oder medialen Seitenbandapparats nachweisen kann. Im Vergleich hierzu wurde eine Narkoseuntersuchung und eine Stressradiographie (eben-falls in Narkose) durchgeführt. Zum Beleg der Instabilität und des Instabilitätsausmaßes diente die Visualisation der entsprechenden Bandkomponenten mit Hilfe der OSG-Arthroskopie. Deficiencies of MRI in the diagnosis of chronic symptomatic lateral ankle ligament injuries. Foot Ankle Surg 2007; 13: 171-176

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Problem

Eine chronische Bandinstabilität am oberen Sprunggelenk findet sich oftmals bei sportlich aktiven Menschen. Nach akutem OSG-Distorsionstrauma variieren die Raten einer konsekutiven manifesten chronischen Instabilität - unabhängig vom jeweiligen Therapieregime - zwischen 20 und 40 % [1]. Topographisch unterscheiden wir eine häufige laterale von einer selteneren medialen und einer rotatorischen kombinierten Bandinstabilität. Zudem differenzieren wir eine mechanische strukturell bedingte von einer funktionellen Instabilität, die aufgrund einer Störung der neuromuskulären Kontrolle resultiert. In diesem Kontext sind v. a. jene Bandverletzungen klinisch relevant, die eine Komplettruptur (Grad-III-Läsion) von einem oder mehr Anteilen des OSG-Außenbandkomplexes ohne oder mit Beteiligung des Deltabands umfassen. Neue Studien weisen zudem darauf hin, dass ossäre Parameter (talarer Radius, tibiale Überdachung), die das sog. tibio-talare Containment bedingen, neben rein ligamentären Ursachen eine relevante Größe für die chronische Instabilität darstellen können [2].

Neben der Tatsache, dass weitere intraartikuläre Pathologien (z. B. Osteochondrosis dissecans, freie Gelenkkörper, Synovitis) die klinische Symptomatik einer chronischen Instabilität imitieren oder modulieren können, wird der diagnostische Algorithmus der chronischen Instabilität sehr variabel ausgestaltet. Neben Anamnese und klinischer Untersuchung werden die Stressradiographie (mit und ohne standardisierte Kraftaufbringung im Seitenvergleich) und die MRT eingesetzt. Gold-Standard der Diagnostik ist allerdings heute die OSG-Arthroskopie, die im Regelfall vor und in Verbindung mit einem rekonstruktiven Eingriff verwandt wird [1].

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Material und Methode

Eingeschlossen in die Studie wurden in einem Zwei-Jahres-Zeitraum 58 erwachsene Patienten (18 - 50 Jahre alt), die allesamt aktive Freizeitsportler oder im aktiven Militärdienst beschäftigt waren. Es wurden nur Patienten mit eindeutiger unilateraler singulärer Verletzung ohne weitere Vorschäden in die Studie eingeschlossen. Der OP-Indikation war in jedem Fall eine mindestens 6 Monate dauernde Physiotherapiephase vorgeschaltet, die keinen Erfolg erbracht hatte. Die MRT wurde dann an einem 1,5 Tesla Gerät erstellt und von einem in muskulo-skelettalen Fragen geschulten Fachradiologen ausgewertet. Diese Stressaufnahmen erfolgten ebenso wie die klinische Untersuchung in Allgemeinnarkose in a. p. und lateraler Richtung mit Vergleich zur unverletzten Seite (kein Belastungsapparat). Sämtliche OSG-Arthroskopien wurden von nur einem Operateur durchgeführt (Standardarthroskop, routinemäßig: anteromediales, antero-zentrales und antero-laterales Portal) (Abb. [1]).

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Abb. 1 Oberes Sprunggelenk (OSG). Malleolengabel [1] , Gelenkkapsel [2] und wichtige Bänder des OSG (blau) in der Ansicht von vorn und dorsal. Nicht dargestellt ist das Lig. talofibulare posterius des lateralen sowie die Pars tibiotalaris posterior des medialen Bansapparates. Zu beachten ist die teilweise Überlagerung von Anteilen des Lig. deltoideum und die Einstrahlung von Fasern seiner Pars tibionavicularis in das zum Bandsystem des unteren Sprunggelenks gehörige Lig. calcaneonaviculare (Bild aus: Praxis der Orthopädie und Unfallchirurgie. Wirth CJ, Mutschler W. Stuttgart: Thieme Verlag; 2007).

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Ergebnisse

Bei der Arthroskopie fanden sich bei 7 Patienten isolierte Instabilitäten des Lig. fibulo-talare ant. (LFTA), bei weiteren 18 Patienten waren kombinierte Instabilitäten des Lig. fibulo-calcaneare (LFC) und des LFTA manifest. Zudem fanden sich bei 3 Patienten Instabilitäten des Deltabands. Bei 33 Patienten war der OSG-Bandapparat intakt.

Sensitivität und Spezifität der MRT bei chronischen Läsionen des LFTA waren nicht besonders hoch (87 % bzw. 60 %) und nicht besser als bei der Narkoseuntersuchung inklusive Stressradiographie. Auch bei der Instabilität der chronischen Instabilität des LFC betrugen Sensitivität und Spezifität der MRT nur 47 % bzw. 83 %, wohingegen die analogen Werte von Narkoseuntersuchung und Stressaufnahmen bei 94 % und 98 % lagen.

Der positiv prädiktive Wert der MRT bei Läsion des LFTA lag bei nur 59 %, der negativ prädiktive Wert bei 88 %. Bei chronischer Läsion des LFC betrug der positiv prädiktive Wert 53 %, der negativ prädiktive Wert 79 % und lag unterhalb der korrespondierenden Werte für Narkoseuntersuchung und Stressradiographie.

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Kommentar

Die vorliegende Studie unterstreicht eindeutig, dass ein "Screening" des OSG-Bandapparats unter der Fragestellung der chronischen Bandinstabilität von mehr als zweifelhaftem Wert ist. Bemerkenswert ist an den Daten der Studie auch der hohe Anteil von Patienten mit offenbar intaktem Bandapparat, also von Patienten, die in das Kollektiv der funktionellen Instabilität gehören. Selbst die Stressaufnahmen, die in der vorliegenden Studie nur manuell - zumindest immer von ein und demselben Untersucher - gehalten wurden, erbringen oftmals variable Resultate je nach gewähltem Grenzwert der seitlichen Aufklappbarkeit und der vorderen Schublade im Seitenvergleich [3] und liegen in der Spezifität dennoch über der MRT. Der Wert der MRT liegt somit v. a. bei der Darstellung der Begleitpathologie. Die MRT sollte dementsprechend zielgerichtet zur Klärung eben dieser Fragen eingesetzt werden.

Die OSG-Arthroskopie ist unverzichtbar bei der Diagnose der OSG-Instabilität als Auftakt für eine operativ-konstruktive Maßnahme [1], da der intraoperative Befund das anschließende operative Vorgehen noch entscheidend beeinflussen kann.

Dr. Dionys Haxenschlager

Dr. Dionys Haxenschlager

Abt. für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie

Chirurgische Klinik und Poliklinik der Universität Rostock

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Literatur

  • 01 Valderrabano V . Wirwiorski M . Frigg A . Hintermann B . Leumann A . Die chronische Sprunggelenksinstabilität.  Unfallchirurg. 2007;  110 691-699
  • 02 Frigg A . Frigg R . Hintermann B . Barg A . Valderrabano V . The biomechanical influence of tibio-talar containment on stability of the ankle joint. Knee Surg Sports Traumatol.  Arthrosc. 2007;  15 1355-1362
  • 03 Verhagen R.A.W. . de Keizer G . van Dijk C.N. .   . Long-term follow-up of inversion trauma of the ankle. Arch. Orthop.  Trauma Surg.. 1995;  114 92-96
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Literatur

  • 01 Valderrabano V . Wirwiorski M . Frigg A . Hintermann B . Leumann A . Die chronische Sprunggelenksinstabilität.  Unfallchirurg. 2007;  110 691-699
  • 02 Frigg A . Frigg R . Hintermann B . Barg A . Valderrabano V . The biomechanical influence of tibio-talar containment on stability of the ankle joint. Knee Surg Sports Traumatol.  Arthrosc. 2007;  15 1355-1362
  • 03 Verhagen R.A.W. . de Keizer G . van Dijk C.N. .   . Long-term follow-up of inversion trauma of the ankle. Arch. Orthop.  Trauma Surg.. 1995;  114 92-96
 
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Abb. 1 Oberes Sprunggelenk (OSG). Malleolengabel [1] , Gelenkkapsel [2] und wichtige Bänder des OSG (blau) in der Ansicht von vorn und dorsal. Nicht dargestellt ist das Lig. talofibulare posterius des lateralen sowie die Pars tibiotalaris posterior des medialen Bansapparates. Zu beachten ist die teilweise Überlagerung von Anteilen des Lig. deltoideum und die Einstrahlung von Fasern seiner Pars tibionavicularis in das zum Bandsystem des unteren Sprunggelenks gehörige Lig. calcaneonaviculare (Bild aus: Praxis der Orthopädie und Unfallchirurgie. Wirth CJ, Mutschler W. Stuttgart: Thieme Verlag; 2007).