Z Orthop Unfall 2008; 146(03): 291-293
DOI: 10.1055/s-2008-1081436
Orthopädie und Unfallchirurgie aktuell

Innovationen - High-Tech im Operationssaal

 
 

Minimal-invasive Verfahren, moderne Kommunikations- und Navigationssysteme bestimmen 20 Jahre nach der ersten "Schlüssellochchirurgie" den Op-Saal. Mit den Innovationen gehen höhere Kosten und eine längere Lernkurve der Chirurgen einher.

"Der Operationssaal der Zukunft wird nutzerfreundlicher, effizienter und für den Patienten sicherer" erläuterte Professor Dr. Hartwig Bauer beim Chirurgenkongress in Berlin im April dieses Jahres. Der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie beschrieb den zukünftigen High-Tech Arbeitsplatz des Chirurgen: Bisher fahrbare Einheiten (Narkosegerät, Endoskopieanlagen mit Monitoren, Röntgeneinheiten etc.) werden aus dem Op verschwinden. Sie hängen Platz sparend von der Decke herab. Das Rollen der Gerätewagen ist nicht mehr durch am Boden liegende Kabel erschwert und zugleich sind Stolperfallen für das Op-Team beseitigt.

Sämtliche Patientendaten sind zentral gespeichert und können per Knopfdruck im Op aufgerufen werden. Zeitersparnis ist ein Vorteil der modernen Technik. Die Op-Säle lassen sich schneller reinigen, die Wechselzeiten werden verkürzt, die Säle besser ausgelastet. Durch moderne Sprachsteuerungsysteme können die Ärzte beispielsweise das Op-Licht und andere Steuerungseinheiten selbständig einstellen, Arbeiten, die sonst von einem so genannten "Springer" erfolgen.

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Prof. Dr. Hartwig Bauer, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (Foto: Strauß).

Der moderne High-Tech-Op-Saal ist nicht nur mehr als doppelt so teuer wie die konventionell ausgestattete Variante, es bedarf auch eines hohen Schulungsaufwandes für das Op-Team, erläutert Bauer. Die Lern-Kurve beispielsweise bei minimal-invasiven Verfahren ist meist deutlich länger als in der konventionellen Technik. 20 Jahre nach dem Beginn der "Schlüssellochchirurgie" und 10 Jahre nach den ersten Navigations-Verfahren bestimmt High-Tech das Arbeitsfeld der Chirurgen.

Computer-assistierte Navigation

Seit ungefähr 10 Jahren werden computerassistierte Navigationsverfahren an der Wirbelsäule im Bereich der Unfallchirurgie angewandt. Die erste Anwendung fand im Bereich der Wirbelsäule statt, indem navigationsgestützt Pedikelschrauben plat- ziert wurden, berichtet Professor Dr. med. Florian Gebhard, Ärztlicher Direktor der Klinik für Unfallchirurgie, Hand-, Plastische und Wiederherstellungschirurgie des Universitätsklinikums Ulm.

Diese Verfahren basierten in der Regel auf CT-Bildern der Wirbelsäule, die vor der Operation angefertigt wurden. Schon früh war es möglich, zweidimensionale C-Arm-Bilder für die Navigation zu verwenden, so dass das Anwendungsspektrum sich erweiterte.

Heute, erläutert Prof. Gebhard, findet die CT-basierte Navigation im Bereich der Unfallchirurgie überwiegend bei degenerativen Prozessen statt, die intraoperativ nicht stark nachreponiert werden müssen. Dies vermeidet das Problem des Unterschieds zwischen dem präoperativ erhobenen Datensatz und der intraoperativen Situation.


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Erweiterung der Anwendungsmöglichkeiten

Die verbesserte Technologie im Bereich der Bildgebung, hier speziell die intraoperative dreidimensionale Darstellung vom sogenannten "High Density Objects", hat die Anwendungsmöglichkeiten der navigationsgestützten Verfahren in der Chirurgie dramatisch erweitert, erläutert Prof. Gebhard. Voraussetzung für die Anwendung navigationsgestützter Verfahren in der Unfallchirurgie ist allerdings die perfekte Beherrschung der operativen Techniken im herkömmlichen Verfahren.


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Wirbelsäule

Schwerpunkt ist nach wie vor die Instrumentierung der dorsalen Wirbelsäule. Bevorzugt erfolgt diese heute anhand von dreidimensionalen intraoperativen C-Arm-Bildern der Wirbelsäule.

Die Navigationssysteme ermöglichen eine Planung der Pedikelschrauben und führen den Operateur sicher in das Ziel. Studien zeigten, dass mit dieser Technologie über 90% aller Pedikelschrauben richtig liegen. Gravierende Fehllagen wurden nicht beobachtet, die intraoperative Strahlenbelastung ist deutlich reduziert.

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Professor Dr. Florian Gebhard ist Direktor der Unfallchirurgie am Universitätsklinikum Ulm, leitet die neue multizentrische ORCHIDStudie (open reduction and volar plating versus closed reduction and casting for highly comminuted intraarticular distal radial fractures). Untersucht werden die Unterschiede in der Lebensqualität, bei den funktionalen Erfolgen und bei den Komplikationen und Revisionen nach operativer oder nicht operativer Behandlung distaler radialer Frakturen. Diese multizentrische Studie wird von dem BMBF und der DFG finanziell gefördert.

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Frakturen des Beckenrings

Ein weiterer großer Anwendungsbereich ist der Bruch des Beckenringes. Prof. Gebhard führt allen voran die Verschraubung des hinteren Beckenringes im Bereich des Iliosacralgelenkes nach entsprechenden Verletzungen auf. Die aufgrund eingeschränkter intraoperativer Röntgendiagnostik oft schwierige und risikoreiche geschlossene Verschraubung des Iliosacralgelenkes in Höhe S1 und S2 gelingt mit Hilfe der Navigation basierend auf intraoperativ erhobenen dreidimensionalen Scanbildern nahezu immer.

Auch im Bereich des Acetabulums kann basierend auf intraoperativ erhobenen dreidimensionalen Bildern, aber auch bei zweidimensionalen Projektionen des Acetabulums eine minimalinvasive (gedeckte) Verschraubung von wenig verschobenen Brüchen erfolgen.

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Navigation beim Wirbelsäulenbruch (Fotos: F. Gebhard)
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Navigation beim Beckenbruch (Fotos: F. Gebhard)
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Navigation bei Einbringen eines Marknagels am Oberschenkel (Fotos: F. Gebhard)

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Frakturen langer Röhrenknochen

Im Bereich der langen Röhrenknochen ermöglichen die navigationsgestützten Verfahren die computerunterstützte Reposition und das Einführen von Implantaten, wie Marknägel. Hier liegt der Vorteil der navigationsgestützten Verfahren darin, dass nach Analyse der Gegenseite beispielsweise für das Femur, die Länge und Rotation orientierend an der gesunden Seite korrekt eingestellt werden kann. Auf diese Weise werden mit größter Sicherheit postoperative Rotationsabweichungen oder erhebliche Längendifferenzen, insbesondere Trümmerfrakturen, vermieden.

Generell sind die auf C-Bogen-Bildern gestützten Verfahren in der Unfallchirurgie geeignet, jegliche Form von Implantaten, wie Schrauben, Nägel oder Platten, einzubringen. Darüber hinaus können in dreidimensionalen C-Arm Bildern auch gezielt Bohrungen für knöcherne/osteochondrale Veränderungen vorgenommen werden.

So kann beispielsweise das Repositionsergebnis von artikulären Frakturen der großen Gelenke durch die intraoperative dreidimensionale C-Arm-Bildgebung präzise überprüft werden. Gleichzeitig kann nach einem befriedigenden Repositionsergebnis die Instrumentierung über kanulierte Schraubensysteme im gleichen Bilddatensatz navigationsgestützt durchgeführt werden.


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Tücken des Verfahrens

Navigationsgestützte Verfahren haben auch ihre Tücken. Prof. Gebhard betont, stets müsse überprüft werden, ob der dargestellte Knochenbefund präzise mit der Anatomie des Patienten korreliert. Ungenaue Registrierungen, verschmutzte Reflektoren, akzidentelle Verschiebungen oder Bewegungen der Referenzierungsbasen können Datensätze verfälschen und somit dem Chirurgen eine vermeintliche Sicherheit vortäuschen und ihn in die Irre führen. Dies kann vermieden werden durch sorgfältige Beherrschung der Technik, aber insbesondere durch langjährige klinische Erfahrung, die ein frühzeitiges Reagieren auf Fehlweisungen ermöglicht.

Neben der Wichtigkeit einer sorgfältigen Registrierung ist die navigationsgestützte Chirurgie/Unfallchirurgie auch stark abhängig von der Qualität der Bilder. Zweidimensionale C-Arm-Bilder, die aufgrund von Weichteilüberlagerung oder Darmgasüberlagerung nicht aussagekräftig sind, werden auch durch Einlesen des Navigationssystems nicht aussagekräftiger.

Hier ist ganz klar der Vorteil der dreidimensionalen, intraoperativen C-Arm- basierten Bildgebung zu sehen, da diese relativ frei ist von Störungen der Bildqualität durch Weichgewebe oder Luftüberlagerung.

Die Weiterentwicklung der navigationsgestützten Chirurgie in der Unfallchirurgie wird nach Meinung von Prof. Gebhard durch die Fortschritte im Bereich der intraoperativen Bildgebung bestimmt werden, wie beispielsweise größere Bildausschnitte oder Bildfusionen sowie über Weiterentwicklungen der Navigationssysteme und Anpassung derselben an chirurgische Bedürfnisse, bzw. spezifische chirurgische Prozeduren.

Dr. Rita Engelhardt


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No conflict of interest has been declared by the author(s).

Publication History

Publication Date:
03 July 2008 (online)

Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Stuttgart

 
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Prof. Dr. Hartwig Bauer, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (Foto: Strauß).
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Professor Dr. Florian Gebhard ist Direktor der Unfallchirurgie am Universitätsklinikum Ulm, leitet die neue multizentrische ORCHIDStudie (open reduction and volar plating versus closed reduction and casting for highly comminuted intraarticular distal radial fractures). Untersucht werden die Unterschiede in der Lebensqualität, bei den funktionalen Erfolgen und bei den Komplikationen und Revisionen nach operativer oder nicht operativer Behandlung distaler radialer Frakturen. Diese multizentrische Studie wird von dem BMBF und der DFG finanziell gefördert.
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Navigation beim Wirbelsäulenbruch (Fotos: F. Gebhard)
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Navigation beim Beckenbruch (Fotos: F. Gebhard)
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Navigation bei Einbringen eines Marknagels am Oberschenkel (Fotos: F. Gebhard)