Aktuelle Dermatologie 2008; 34(5): 149
DOI: 10.1055/s-2008-1077339
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Warum sticht die Herbstmilbe im Frühsommer?

Why Does Chiggers Appear in Early Summer?C.  Bayerl
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Prof. Dr. med. Christiane Bayerl

Klinik für Dermatologie und Allergologie, HSK,
Wilhelm-Fresenius-Klinik
Städtisches Lehrkrankenhaus der Universität Mainz

Aukammallee 39

65191 Wiesbaden

Email: Christiane.Bayerl@HSK-Wiesbaden.de

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Publication Date:
28 May 2008 (online)

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    Prof. Dr. Christiane Bayerl

    Schön war der laue Abend beim Picknick im Gras oder im Biergarten genossen! Wie war man doch fleißig an dem ersten schönen Tag im Garten und alles ist nun gejätet und wieder ordentlich! Doch zwei Tage danach zeigen sich gruppiert stehende juckende Papeln bis klein-urtikarielle Veränderungen an den Beinen, in der Leistenregion und am Stamm bis in die Achselhöhle. Die Verteilung lässt eindeutig auf Stichreaktionen schließen.

    Ja, sie ist schon wieder wach, die Herbstmilbe (Neotrombicula autumnalis) - und sie macht ihrem Namen keine Ehre, sondern ist bereits im Frühjahr aktiv. In den letzten 10 - 15 Jahren ist sie in Gärten und Parks zu einer zunehmenden Plage geworden. Die weniger kalten Winter werden für die Ausbreitung der Trombidiose verantwortlich gemacht. In unseren Breitengraden reichen einige Stunden mit 15 ° C und sie ist bereit zum Biß mit ihren stechend-saugenden Mundwerkzeugen. Ein Blutsauger ist sie nicht. Mensch und Wirbeltiere braucht sie zur Nahrungsaufnahme, typisch für einen temporären Ektoparasiten. Sie vermischt ihr lytisches Sekret mit Zellen der Dermis, mag auch Lymphflüssigkeit und nimmt dieses Zellsekret auf. Mit einer Größe von nur 0,3 mm ist sie mit ihrer hellgelben bis orangen Farbe nicht sichtbar. Zum Glück saugt sie sich erst nach einer Wanderschaft über die Haut fest - da wo sie nicht mehr weiter kommt, z. B. am Hosenbund oder in der Leistenregion. Durchschnittlich saugt sie 6 - 8 Stunden beim Menschen. Alle Repellentien sind ineffektiv. Es bleibt nur, die Hosen in die Strümpfe zu stopfen und so eine mechanische Barriere zu errichten. Das beste ist, nach dem Aufenthalt im Freien alle Textilien in die Wäsche zu geben und selbst zu duschen, denn dann ist die Larve noch auf der Wanderschaft auf der Haut, um eine Saugstelle zu suchen. 30 Stiche sind das statistische Mittel. Sekundärinfektionen nach Aufkratzen der Stichstelle sind eine Komplikation.

    Sehr unterschiedlich stellt sich die Stichreaktion beim Menschen dar. Manche Menschen verarbeiten Stiche mit fast keiner Papel, auch wenn der ganze Garten des Wohnhauses befallen ist und viele Stiche erfolgt waren. Andere reagieren bereits auf wenige Stiche mit hyperergen Reaktionen, die sich von Stich zu Stich verstärken. Daher wurde diskutiert, dass die Ausbildung einer Immunität auf Sekretinhaltsstoffe möglich sein könnte.

    Zoologisch gehört die „Herbstmilbe” zur Familie der Trombiculae, Laufmilben und ist eigentlich eine sechsbeinige Larve, das Larvenstadium der 8-beinigen Spinnentiere. Die Larven leben auf Gräsern und Büschen in Gärten und Feldern in Vegetationen bis zu einer Höhe von 30 cm, am liebsten in Regionen mit einer Luftfeuchtigkeit in Bodennähe von über 80 %. Ihre Verteilung hängt von ihren Wirten, meist Kleinsäugern ab. So finden sie sich in manchen Gärten, im benachbarten Park aber nicht und umgekehrt. Zum Glück wechselt die starke Besiedlung einer Region aufgrund der geänderten Wanderwege der Wirte.

    Aus einem Gelege von etwa 300 Eiern im Erdreich entwickeln sich die Larven. An der Spitze von Gräsern sitzen Sie oft zu mehreren und warten auf Vögel und Kleintiere. Dabei geraten sie zufällig auch an den Menschen. Eine Larve „wartet” auf einen Wirt, um dann nach Kontakt „satt” wieder zu Boden zu fallen und sich im Boden über 6 Wochen zur Nymphe zu entwickeln und danach zur Imago. Diese beiden achtbeinigen Stadien leben räuberisch und ernähren sich von anderen Kleinstlebewesen. In dicht mit Bäumen und Hecken bewachsenen Biotopen werden zwei Milbenmaxima beobachtet, im Frühjahr und im Herbst. In luftig bewachsenen Feldregionen scheint es nur ein Larvenmaximum im Sommer zu geben.

    Da Nymphe und Imago im Erdboden leben, lassen sich nur die Larven nachweisen oder „fangen”. Beschrieben ist hierzu die Kachelfangmethode, bei der man helle Küchen- oder Badkacheln einzeln auf den Boden legt. Diese reflektierenden Flächen ziehen die Larven an, die man danach am Mikroskop darstellen kann. Eine andere Methode sieht vor, ein feuchtes Leintuch über das Gras zu ziehen und darauf dann die Milben nachzuweisen.

    Ich wünsche Ihnen eine gute Immunitätslage, was die „Herbstmilbe” anbelangt oder intensives Duschen nach Naturgenuss - damit wären Sie wohl halbwegs sicher vor den Plagegeistern.

    Einen schönen Frühsommer!
    Prof. Dr. med. Christiane Bayerl

    Prof. Dr. med. Christiane Bayerl

    Klinik für Dermatologie und Allergologie, HSK,
    Wilhelm-Fresenius-Klinik
    Städtisches Lehrkrankenhaus der Universität Mainz

    Aukammallee 39

    65191 Wiesbaden

    Email: Christiane.Bayerl@HSK-Wiesbaden.de

    Prof. Dr. med. Christiane Bayerl

    Klinik für Dermatologie und Allergologie, HSK,
    Wilhelm-Fresenius-Klinik
    Städtisches Lehrkrankenhaus der Universität Mainz

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    65191 Wiesbaden

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