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DOI: 10.1055/s-2008-1076951
© Georg Thieme Verlag Stuttgart ˙ New York
Rückfallprophylaxe bei jungen Sexualstraftätern. Erfahrungen aus der ambulanten Arbeit mit sexuell grenzverletzenden Kindern und Jugendlichen
Publication History
Publication Date:
22 September 2008 (online)

Übersicht:
Die Ambulante Rückfallprophylaxe (ARP) ist ein pädagogisch-therapeutisches Programm zur Verhaltensmodifikation von minderjährigen sexuellen Grenzverletzern. Die Beratungsstelle Wendepunkt e. V. arbeitet mit diesem Ansatz seit etwa acht Jahren. Dieser Artikel beschreibt die alltägliche Arbeit einer Täterberatungsstelle. Besonders wird auf die Hindernisse eingegangen, die sich aus dem Ansatz der deliktorientierten Täterarbeit, der notwendigen Kooperation des sozialen Umfeldes und den immanenten Schwierigkeiten im Umgang mit jugendlichen Tätern ergeben. Anhand der Auswertung eines Modellprojekts des Wendepunkt e. V. in Schleswig-Holstein wird gezeigt, wie viele Jugendliche, in welchem Alter, mit welchen Tatvorwürfen an der Ambulanten Rückfallprophylaxe (ARP) teilgenommen haben. Es folgt eine ausführliche Darstellung der verschiedenen Phasen und Ziele der Ambulanten Rückfallprophylaxe (ARP). Der Artikel endet mit einem Ausblick auf die notwendigen Entwicklungen in der Arbeit mit jugendlichen sexuellen Grenzverletzern.
Schlüsselwörter:
deliktorientierte Täterarbeit - Rückfallprophylaxe - Sexualdelinquenz bei Jugendlichen - Sexualpädagogik
Literatur
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1 Obwohl die Projektförderungsmittel 2005 ausliefen, endete damit nicht die Arbeit mit sexuell auffälligen Minderjährigen. In den folgenden Jahren mussten sich die Rückfallprophylaxe-Maßnahmen des Wendepunkts hauptsächlich über die Gelder, die für die einzelnen Fälle flossen, finanzieren. Zum überwiegenden Teil bedeutete das eine Finanzierung durch das zuständige Jugendamt. Dieses kann für die Ambulante Rückfallprophylaxe Hilfen zur Erziehung (HzE) verfügen. Eine weitere Möglichkeit, die aber in den letzten Jahren deutlich seltener zum Tragen kommt, ist die Kostenübernahme durch das Justizministerium des Landes Schleswig-Holstein. Dafür ist eine richterliche Weisung Voraussetzung. Diese kann aber in Bezug auf Dauer und Zielsetzung inadäquat sein. In einem aktuellen Fall gibt es eine richterliche Weisung zur Teilnahme an drei Sitzungen „Sexualtherapie”. Ebenfalls schwierig wird es, wenn mit der Weisung lediglich Diagnostik verfügt wird. Das juristische Verfahren ist abgeschlossen. Was geschieht, wenn sich in der Diagnostik eine hohe Rückfallgefährdung ergibt?
2 Wahlden beschreibt das eindrucksvoll aus Sicht des Opfers in ihrem Jugendroman: „Sie hatte doch einen kurzen Rock an und wollte das auch…” (Wahlden 2001).
3 Im Rahmen des seit September 2007 laufenden Hamburger Modellprojektes „Sexuell auffällige
Minderjährige” haben wir die Möglichkeit, im Vorfeld weitere Diagnoseinstrumente einzusetzen:
– BARO (Basis Raads Onderzoek): Erfasst Basisdaten und psychische Störungen und / oder Auffälligkeiten
anhand eines halbstrukturierten Interviews.
S-BARO: Sexualmodul zum Screeninginstrument BARO. (Vgl. S. 242–244 in diesem Heft)
– CFT 20 (Culture Fair Intelligence Test): Sprachunabhängiger Grundintelligenztest.
– SPS-J: Screening psychischer Störungen.
– MSI-J (Multiphasic Sex Inventory für Jugendliche): Messung psychosexueller Merkmale.
4 Der Wendepunkt e. V. schickt die anonymisierten Daten aus diesen Fragebögen an das Kantonsspital Thurgau und nimmt damit an einem Programm teil, das Effekte der Arbeit mit jugendlichen Sexualstraftätern untersucht und gleichzeitig mehr Erfahrungen und Daten über diese Tätergruppe sammelt, um zukünftig die Einschätzung des Rückfallrisikos zu verbessern.
5 Gründe dafür könnten z. B. ein minderschweres Delikt, das Alter, oder andere Faktoren sein, die aber geprüft und in einer Fallbesprechung geklärt werden sollten.
6 Dieses pädagogisch-therapeutische Programm zur Verhaltensmodifikation von sexuell übergriffigen Jugendlichen, ist vom Wendepunkt e. V. im Rahmen des Modellprojekts für das Sozialministerium des Landes Schleswig-Holstein entwickelt worden.
7 Viele unserer Klienten berichten davon, dass sie Zugang zu pornografischem Material wissentlich, noch häufiger aber unwissentlich, über ihre Väter erhalten haben.
8 Dies gilt zumindest für Missbraucher mit jüngeren Opfern und Jungen mit „Hands Off” Delikten, wie z. B. Exihibitionisten.
9 Deswegen ist es uns wichtig, eng mit Kinder- und Jugendpsychotherapeuten und stationären Kinder- und Jugendpsychatrien zu kooperieren.
10 Die Eltern haben selber oft nicht gelernt oder sind aus anderen Gründen nicht in der Lage, einen differenzierten Blick auf Sexualstraftäter zu werfen. Es bleibt das häufig verzerrte Bild, das von einigen Medien vermittelt wird, welches sich nur schwer mit dem Eindruck vom eigenen Kind in Übereinstimmung bringen lässt.
B. Priebe
Wendepunkt e. V.
Max Brauer Allee 40
22765 Hamburg
Email: priebe@wendepunkt-ev.de