ZWR - Das Deutsche Zahnärzteblatt 2008; 117(4): 186
DOI: 10.1055/s-2008-1076786
Praxisjournal

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Der Umfang der Aufklärung des Patienten

Franz Otto
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Publication Date:
29 April 2008 (online)

Der Umfang der notwendigen Aufklärung des Patienten über den Verlauf, die Chancen und die Risiken eines Eingriffs orientiert sich zunächst daran, welcher Eingriff vom behandelnden Arzt beabsichtigt ist und welche Erweiterungen des Eingriffs unter Umständen absehbar sind. Es ist grundsätzlich abzustellen auf die Sicht des behandelnden Arztes im Vorfeld der Operation, also zum Zeitpunkt des Aufklärungsgesprächs.

Das Oberlandesgericht Naumburg hat sich im Urteil vom 4.10.2007 - 1 U 11/07 - mit einem Sachverhalt befasst, wo eine entzündungshemmende Wurzelbehandlung durch den eröffneten Wurzelkanal gescheitert war, sodass eine chirurgische Wurzelspitzenresektion medizinisch angezeigt war. Hierbei handelte es sich um eine sogenannte absolute Indikation, d.h. die weitere Behandlung der entzündeten Zahnwurzel des Zahns 23 war wegen der erheblichen Schmerzen des Patienten dringend notwendig; sie konnte nicht ohne einen Schaden für den Patienten unterlassen werden.

Nun war der Patient über die Risiken der anstehenden Wurzelspitzenresektion vollständig aufgeklärt worden. Soweit die geplante Operation während ihrer Durchführung erweitert worden war, um die Entfernung der radikulären Knochenzyste oberhalb der Zahnwurzel des Zahnes 23 war dieses Vorgehen des Zahnarztes durch die mutmaßliche Einwilligung des Patienten gedeckt.

Eine Aufklärung über den Verlauf, die Risiken der Nichtbehandlung und die Risiken der operativen Entfernung der Zyste musste der Zahnarzt vor Beginn der Operation nicht vornehmen. Er konnte vor Beginn der Operation nicht vorhersehen, dass eine derartige Operationserweiterung auch nur entfernt in Betracht kam.

Es war nicht zu beanstanden, dass der Zahnarzt nach Entdeckung der Zyste die bereits begonnene Operation nicht abbrach, um dem Patienten die vorgefundene Situation und den erweiternden Eingriff zu erläutern. Der Zahnarzt durfte von einer mutmaßlichen Einwilligung des Patienten ausgehen.

Zum Zeitpunkt der erstmaligen Entdeckung der Zyste war der Kieferknochen bereits eröffnet; der Patient war lokal narkotisiert und befand sich nicht in einem Zustand eigener Entscheidungsfreiheit. Eine seriöse Aufklärung über den Verlauf, die Dringlichkeit und Risiken der Operationserweiterung wären nur in der Weise durchführbar gewesen, dass die Operation abgebrochen, das Operationsfeld verschlossen und der Patient zur späteren Aufklärung wieder einbestellt wurde. Die Operationserweiterung war aber absolut indiziert.

Der Abbruch der Operation war in dieser Lage medizinisch nicht vertretbar. In einer solchen Situation ist Facharztstandard, die Operation fortzuführen.

Im Ergebnis konnte der Patient, der Schadensersatz verlangte, nicht beweisen, dass der Zahnarzt die Operation nicht gemäß dem Facharztstandard ausgeführt hatte. Ein Behandlungsfehler war auch sonst nicht ersichtlich. So wurde die Schadensersatzklage zurückgewiesen.

Korrespondenzadresse

Dr. Franz Otto

Trienendorfer Straße 19

58452 Witten

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