Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2008; 43(4): 270-277
DOI: 10.1055/s-2008-1076610
Fachwissen
Anästhesiologie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Anästhesie bei Patienten mit Adipositas – Besonderheiten des perioperativen Managements

Anesthesia and obesity – Perioperative Management of the Obese PatientAndreas Meißner
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Publikationsdatum:
14. April 2008 (online)

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Zusammenfassung

Die Zahl adipöser Patienten steigt ständig, dieser Trend macht sich auch in der operativen Medizin bemerkbar. Bei der präoperativen Evaluation sollte der Patient hinsichtlich der adipositasassoziierten Begleiterkrankungen untersucht werden. Gleichzeitig muss man sich vergewissern, dass die OP–Ausrüstung eine ausreichende Belastbarkeit aufweist. Obwohl eine generelle Tendenz zu einer erhöhten Rate schwieriger Intubationen oder Aspirationen bei der Narkoseeinleitung nicht besteht, sollte eine sorgfältige Untersuchung erfolgen. Die Funktion des kardiovaskulären Systems ist eingeschränkt, ebenso die Toleranz gegenüber der chirurgischen Belastung. Die Lungenfunktion wird durch eine Anästhesie weiter eingeschränkt, diese Effekte sind noch 48 Stunden nach einem Eingriff nachweisbar. Weitere Einschränkungen betreffen die renale und hepatische Funktion, die Gerinnung und Stoffwechselhomöostase. Die Pharmakokinetik zahlreicher Anästhetika ist verändert hinsichtlich Verteilung, Elimination und Wirkdauer. Adipöse Patienten ohne wesentliche Einschränkungen sind für ambulante Operationen geeignet.

Abstract

The prevalence of obesity is increasing and a growing number of people with overweight present for surgery. For preoperative evaluation, the patients have to be checked for obesity–related diseases. The assurance whether the equipment can stand the increased stress needs a thorough check up. Although there is no general tendency for a higher rate of difficult intubation or increased rates of aspiration, there is a need of particular consideration. Cardiovascular function as well as tolerance to surgical stress is diminished. Pulmonary function is deterioated and impaired for at least 48 hours after surgery, which also applies to renal, hepatic function and to coagulation and glucose hemostasis. The pharmacokinetics of most anaesthetics is altered in view of initial distribution, elimination and duration of effects. Obese people without significant impairments are suitable for ambulatory surgery.

Kernaussagen

  • Mehr als die Hälfte der Menschen in Deutschland ist übergewichtig – Tendenz steigend.

  • Die Ausgaben für adipositasassoziierte Begleiterkrankungen haben die Höhe der Krebstherapie–Ausgaben erreicht.

  • Bei Adipositas besteht – neben der Häufung von bestimmten Krebserkrankungen – eine verschlechterte Funktion von Herz, Lunge, Leber, Niere, Stoffwechsel und Gerinnung.

  • Bei adipösen Patienten ist mit erheblichen kardiovaskulären Einschränkungen zu rechnen. Die Patienten sind hyperton, das Herz weist eine exzentrische Hypertrophie auf.

  • Bei adipösen Patienten finden sich Einschränkungen statischer und dynamischer Lungenfunktionsparameter. Diese werden durch eine Anästhesie weiter verschlechtert.

  • Die Anlage einer Regionalanästhesie kann bei adipösen Patienten erschwert sein, ist aber die Grundlage für eine suffiziente Schmerztherapie.

  • Der BMI allein ist kein eindeutiger Hinweis auf eine erschwerte Intubation oder eine erhöhte Aspirationsgefahr bei Narkoseeinleitung.

  • Je nach Substanz muss die Einleitungs– oder Erhaltungsdosis auf Basis des realen oder idealen Körpergewichts berechnet werden.

  • Ein erhöhter BMI ist per se keine Kontraindikation für eine ambulante Anästhesie.

Literatur

PD Dr. med. Andreas Meißner

eMail: a.meissner@uni-muenster.de