Intercarpal ligament injuries associated with fracture of the distal part of the radius.
J. Bone Joint Surg. 2007:89-A: 2334-2340
Einleitung
Einleitung
Läsionen des karpalen Bandapparats als Begleitverletzung der distalen Radiusfraktur
sind mit stark unterschiedlichen Inzidenzen von 9-98 % beschrieben worden, wobei skapholunäre
(SL-) Bandverletzungen generell den Löwenanteil ausmachen [1], [2]. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass bei B- und C-Verletzungen, also intraartikulären
Frakturen, karpale Bandverletzungen gehäuft auftreten. Während hinsichtlich der diagnostischen
Aussagekraft und der Präzision bei der Schweregradeinteilung heute der Arthroskopie
unbestritten im Vergleich mit Stressröntgenaufnahmen, Sonographie und MRT der erste
Platz eingeräumt wird, besteht noch Uneinigkeit über die optimale Behandlung parzieller
SL-Bandrupturen bzw. von Rupturen mit rein dynamischer Instabilität (Grad I und II-Verletzungen).
Bei traumatischen Komplettrupturen des SL-Bandkomplexes (Grad III) resultiert eine
statische Instabilität, die unbehandelt längerfristig zum karpalen Kollaps mit posttraumatischer
Arthrose (sog. SLAC-wrist) und oftmals erheblichen funktionellen Beschwerden und Beschränkungen
führt. Kompliziert wird die Situation dadurch, dass sich mit zunehmendem Lebensalter
vorbestehende degenerative SL-Instabilitäten mit den unmittelbar traumatischen Folgen
überlagern können [4].
Da zahlreiche Autoren nicht nur über die Inzidenz der karpalen Begleitläsionen berichtet
haben, sondern auch je nach Konzept unterschiedliche Behandlungsstrategien zum Einsatz
gebracht haben, sind Erkenntnisse über den Spontanverlauf einfacher und mittelgradiger
SL-Bandläsionen bei der distalen Radiusfraktur beschränkt.
Aufgabenstellung
Aufgabenstellung
Ziel der vorliegenden Arbeit war es daher im Rahmen einer Beobachtungsstudie die Prävalenz
von SL-Begleitverletzungen an einem Patientenkollektiv mit distaler Radiusfraktur
systematisch zu erfassen und den Spontanverlauf dieser Entitäten in einem 1-Jahres-Zeitraum
zu beschreiben. Patienten mit Osteoporose und einem höheren Lebensalter sollten zur
Minimierung des Einflusses degenerativ bedingter SL-Alterationen ausgeschlossen sein.
Material und Methode
Material und Methode
Es wurden insgesamt 51 Patienten (27 Frauen, 24 Männer, Alter (Median) 41 Jahre, Spannweite
20-59 Jahre) mit isolierter dislozierter distaler Radiusfraktur in die Studie einbezogen,
wobei der Anteil intraartikulärer Frakturen mehr als 50 % betrug. Bilaterale Standardröngtenaufnahmen
wurden präoperativ angefertigt. Alle Patienten wurden von einem einzigen Operateur
nach einem standardisierten Protokoll arthroskopiert, der auch die definitive Frakturversorgung
vornahm. Keine der arthroskopisch festgestellten karpalen Bandläsionen wurde - über
die Frakturversorgung hinaus - behandelt.
Die postoperative Evaluation erfolgte anhand einer Patientenbefragung und -untersuchung
mit Erfassung von Ruhe- und Belastungsschmerzen (VAS), der Bestimmung des aktiven
Bewegungsausmaßes, der Greifkraft sowie der Bestimmung mehrerer Scores (Gartland-Werley
und DASH) unter Hinzuziehung der Standardröntgen- und Stressaufnahmen in Ulnar- und
Radialabduktion des Handgelenks nach Jahresfrist.
Ergebnisse
Ergebnisse
10/51 Patienten zeigten eine skapholunäre Bandläsion Grad III, während sich bei den
übrigen 41 Patienten sich keine SL-Läsion (n=7), eine SL-Bandläsion I (n=11) und eine
SL-Bandruptur II (n=23) zeigte. War auf der Unfallröntgenaufnahme ein relativer Ulnarvorschub
im Vergleich zur unverletzten Seite manifest, lag das relative Risiko eine gleichzeitige
SL-Bandruptur III erlitten zu haben um das 3,9fache höher als bei Handgelenken ohne
Ulnarvorschub; bei intraartikulären Frakturen lag das Risiko um das 2fache höher als
bei extraartikulären Frakturen. Weitere karpale Bandverletzungen wie eine lunotriquetrale
Bandläsion oder eine Verletzung des TFCC waren deutlich seltener als SL-Bandläsionen.
Während keine funktionellen Unterschiede bei der 1-Jahreskontrolle der Patienten mit
SL-Läsion III verglichen mit dem Rest der Patienten auffällig wurden, fanden sich
subjektiv signifikant mehr Patienten mit Schmerzen und radiologischen Auffälligkeiten
in der Gruppe mit SL-Bandruptur III (Zunahme der skapholunären Winkeldifferenz im
Vergleich mit der gesunden Gegenseite, manifeste dynamische oder statische SL-Instabilität).
Kommentar
Kommentar
Eine präoperative akribische Röntgenbildanalyse insbesondere im Vergleich mit der
Aufnahme des unverletzten Handgelenks liefert hinsichtlich der Kenngröße des relativen
Ulnarvorschubs wesentliche Hinweise auf das Vorliegen einer SL-Bandläsion III: eine
Zunahme des relativen Ulnarvorschubs um 2 mm besitzt einen positiven prädiktiven Wert
von 40 %, was nicht anderes bedeutet als dass 2/5 aller Patienten mit diesem Kriterium
eine SL-Läsion III aufweisen. Die Funktion primär unbehandelter SL-Bandläsionen III
ist nach einem Jahr nicht wesentlich schlechter als bei den übrigen Patienten, wenngleich
röntgenmorphologische Zeichen der karpalen Instabilität bei der Mehrheit der Patienten
nachweisbar sind. In Kenntnis weiterer Studien ist ein Follow-up von 1 Jahr sicherlich
zu kurz, um bei zahlreichen Patienten mit kompletter SL-Bandruptur ein fortgeschrittenes
Stadium der karpalen Instabilität oder gar ein SLAC wrist manifest werden zu lassen
[1], [2]. Die Daten der Studie, dass mindergradige SL-Bandläsionen I und II offenbar nach
einem Jahr relativ gut abschneiden, sollte uns weder veranlassen, nicht nach diesen
Entitäten sorgfältig zu fahnden und gar auf den Einsatz der Arthroskopie zu verzichten,
noch die Verletzung sich selbst zu überlassen. Denn gemeinsam mit den Autoren können
wir spekulieren, dass gerade die minder instabilen SL-Bandläsionen früher, also zu
Zeiten einer längerfristigen Gipsimmobilisation "automatisch" mitbehandelt wurden,
unter konsequenter Anwendung moderner Osteosynthesetechniken (etwa dem Einsatz winkelstabiler
Implantate) mit allenfalls kurzfristiger perioperativer Ruhigstellung jedoch nicht
heilen und in eine klinisch relevante Problematik münden können. Dementsprechend sollten
wir uns weiterhin an den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Handchirurgie
orientieren [3].
Prof. Thomas Mittlmeier
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Univ.-Prof. Dr.med. Thomas Mittlmeier
Geschäftsf. Klinikdirektor der Chirurgischen Klinik und Poliklinik der Universität
Rostock und Leiter der Abt. für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie
Tel.: 03 81/494 60 51, Fax 03 81/494 60 52
eMail: thomas.mittlmeier@med.uni-rostock.de