Handchir Mikrochir Plast Chir 2008; 40(6): 400-407
DOI: 10.1055/s-2008-1039222
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kritische Evaluierung der Diagnostik und Behandlung von Verletzungen des Plexus brachialis in Österreich: Eine retrospektive Studie über Inzidenz, Diagnostik, Behandlungsergebnisse und ‐algorithmus

Critical Evaluation of Diagnostics and Therapeutic Strategies in Brachial Plexus Injuries in Austria: A Retrospective Study on Incidence, Diagnostics, Treatment Results and AlgorithmT. H. Hausner1 , 2 , 3 , R. Schmidhammer1 , 4 , H. Pelinka5 , H. Redl6
  • 1Arbeitsgruppe Neuroregeneration, Austrian Cluster for Tissue Regeneration am Forschungszentrum der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt, Wien, Österreich
  • 2Abteilung für Unfallchirurgie und Sporttraumatologie, Unfallkrankenhaus Lorenz Böhler, Wien, Österreich
  • 3Universitätsklinik für Unfallchirurgie und Sporttraumatologie, Paracelsus Medizinische Privatuniversität, Salzburg, Österreich
  • 4Millesi Center für Chirurgie des Peripheren Nervensystems und des Plexus brachialis an der Wiener Privatklinik, Wien, Österreich
  • 5Ärztlicher Leiter, Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Wien, Österreich
  • 6Vorstand, Austrian Cluster for Tissue Regeneration am Forschungszentrum der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt, Wien, Österreich
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Publication History

eingereicht 10.4.2008

akzeptiert 13.11.2008

Publication Date:
08 December 2008 (online)

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Zusammenfassung

Ziel: Verletzungen des Plexus brachialis sind selten. Es resultieren häufig lebenslange motorische und sensorische Dysfunktionen, manchmal steht ein quälender neuropathischer Schmerz im Vordergrund. Das Ziel dieser retrospektiven Kohortenstudie war die Analyse des aktuellen Diagnose- und Behandlungsalgorithmus bei Verletzungen des Plexus brachialis und der Vergleich der gewonnenen Kennzahlen mit der Literatur. Patienten und Methoden: Es erfolgte die retrospektive Analyse von 214 Patienten aus 7 österreichischen Krankenhäusern, die eine Verletzung des Plexus brachialis in einem Zeitraum von 5 Jahren (2001–2005) erlitten haben. Ergebnisse: Ein suffizienter Algorithmus von Diagnosestellung und Behandlung war nicht erkennbar. Zu diesem Thema steht nur wenig Literatur zur Verfügung. Die Inzidenz für Österreich war mit 1,29 Fällen pro 100 000 Einwohner im internationalen Vergleich im mittleren Bereich. Die häufigste Ursache für Verletzungen des Plexus brachialis war der Sturz (45 %) Verkehrsunfälle (26,6 %). 20,1 % der Patienten waren polytraumatisiert, 29,9 % erlitten ein Schädel-Hirn-Trauma. 3,7 % zogen sich zusätzlich ein Rückenmarkstrauma zu. Im Gegensatz zur Literatur (9–13 %) fanden wir keine durch Schuss- oder Stichverletzungen bedingte Verletzung des Plexus brachialis. Bei 5,6 % der Patienten fand sich eine zusätzliche Gefäßverletzung, wobei in 2 Fällen eine Indikation zur Operation gestellt wurde. Klinische Untersuchungen wurden im Allgemeinen nur sehr unzureichend durchgeführt. Elektrophysiologische Untersuchungen wurden bei 34,6 % der Patienten, MRI in 13,6 % durchgeführt. Nur 38,3 % der Patienten zeigten keine klinische Besserung in einem Zeitraum von 3 Monaten nach dem Trauma. 8,4 % dieser Patienten wurden einer operativen Behandlung zugeführt. 61,1 % dieser operierten Patienten waren mit dem klinischen Ergebnis nicht zufrieden. Es wurden nahezu keine funktionell verbessernden rekonstruktiven Eingriffe durchgeführt. Schlussfolgerungen: Ein Algorithmus zur Diagnosestellung und Behandlung sollte erstellt werden. Das Bewusstsein für eine differenzierte Art der Behandlung dieser schweren Verletzung muss gefördert werden. Exakte klinische Untersuchung und Kenntnis über die Behandlungsmöglichkeiten dieser schweren Verletzungen sind zu fordern, um die Ergebnisse verbessern zu können.

Abstract

Background: Brachial plexus injury is a rare entity, often resulting in lifelong motor and sensory dysfunctions. Sometimes neuropathic pain is predominant. The aim of this retrospective cohort study was to analyse current algorithms of diagnostics and treatment in brachial plexus injuries. The results have been compared to literature. Patients and Methods: A retrospective analysis of 214 patients suffering from a brachial plexus injury was conducted. Our results were compared to those in the literature. Results: A sufficient algorithm for the diagnosis of and therapy for brachial plexus injuries was not apparent. Only a few studies have been published concerning this problem. The incidence for Austria is 1.29 cases per 100 000 inhabitants; this represents the middle range compared to international data. The main causes of brachial plexus injury were falls (45 %) and traffic accidents (26.6 %). 20.1 % of patients were multitraumatised, 29.9 % had a closed head injury. In 3.7 % the brachial plexus lesion was associated with spinal cord trauma. In contrast to the literature data (9–13 %), we did not find any stab or gun shot wounds. 5.6 % sustained a vascular injury at the arm or shoulder level; two patients had to undergo an ermergency surgical procedure because of this injury. Clinical assessment was generally insufficient. Electrophysiological assessment was performed in 34.6 % of the patients, MRI in 13.6 %. In 38.3 % of the patients no clinical improvement was observed after three months. An operative procedure was performed in 8.4 % of these patients. 61.1 % of these operated patients were not satisfied with the clinical results. Practically no reconstructive procedures had been performed. Conclusion: An algorithm for diagnosis and treatment needs to be established. Awareness for the sophisticated treatment of this type of injury has to be stimulated. Precise clinical assessment and knowledge of differentiated treatment options have to be available in order to improve the results.

Literatur

Dr. Thomas Hans Hausner

Arbeitsgruppe Neuroregeneration
Austrian Cluster for Tissue Regeneration am Forschungszentrum der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt

Donaueschingenstrasse 13

1200 Wien

Österreich

Email: thomas.hausner@lbitrauma.org