Notfallmedizin up2date 2008; 3(4): 341-356
DOI: 10.1055/s-2008-1039152
Spezielle Notfallmedizin

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Gefäßnotfall

Knut P. Walluscheck
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Publikationsdatum:
08. Dezember 2008 (online)

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Kernaussagen

  • Unter einem „Gefäßnotfall“ sind Erkrankungen zu verstehen, die durch ein vaskuläres akutes Ereignis entstanden sind. Leitsymptome sind in der Regel Blutung oder Thrombose. Die Zielsetzung der primären und auch der definitiven Therapie ist darauf gerichtet, schnellstmöglich den Blutverlust zu stoppen oder die Durchblutung wiederherzustellen.

  • Entscheidend für die Prognose ist die richtige Beurteilung des Erstuntersuchers, um einen idealen Strategieplan unter Minimierung von Zeitverlusten zum Ablauf zu bringen.

Gefäßverletzungen

  • Arterielle oder venöse direkte Verletzungen durch penetrierende oder stumpfe Traumen.

  • Aufgrund des sehr hohen Blutverlusts bei signifikanten arteriellen Läsionen ist schnelles effektives Handeln vor lehrbuchhafte Standards zu stellen. Blutstillung durch Kompression oder Gefäßklemmung steht im Vordergrund.

  • Bei ausgedehnten Verletzungen (offene Frakturen, schwere Weichteilverletzungen, subtotale Amputationen) mit hieraus entstehender Indikation zur operativen Versorgung wird die genaue Beurteilung begleitender Gefäßverletzungen in der Regel intraoperativ in Form eines interdisziplinären Vorgehens erfolgen.

  • Stumpfe Gefäßverletzungen können primär leicht übersehen werden. Bei Pulslosigkeit einer Extremität ist daher auch an ein solches Verletzungsmuster zu denken.

Aortenaneurysma

  • Ein wahres Aneurysma (Aneurysma verum) ist eine umschriebene Aufweitung einer Arterie, die alle Wandschichten betrifft.

  • Das Auftreten von Symptomen deutet auf eine bestehende oder drohende Komplikation bzw. Ruptur hin. Leitsymptom bei Aneurysmen der Aorta thoracica ist bei Ruptur der „akute Thoraxschmerz“. Beim Bauchaortenaneurysma (BAA) sind bei unspezifischem Muster vornehmlich abdominelle und lumbale Schmerzen führend. Bei plötzlich aufgetretenen derartigen Symptomen sollte das BAA in die Differenzialdiagnose miteinbezogen werden. Dies bedeutet ein strenges Zeitmanagement, solange die Ruptur eines BAA nicht sicher ausgeschlossen werden kann.

  • Das primäre Ziel der Notfalltherapie ist die Stabilisierung der Hämodynamik. Dies darf jedoch keinesfalls zur überzogenen Volumensubstitution verleiten, sodass oberhalb eines systolischen Blutdrucks von 90 mmHg Volumengaben nicht oder nur in geringer Menge indiziert sind.

Aortendissektion

  • Bei ursächlich durch Arteriosklerose bedingter longitudinaler Aufspaltung der Gefäßwand kommt es vornehmlich bei Männern und besonders unter körperlicher Anstrengung (häufig: schweres Heben, Stuhlgang, Koitus, hypertensive Krise) zu einem akuten messerstichartigen thorakalen Zerreißungsschmerz.

  • Die akute Aortendissektion mit Ascendens-Beteiligung (Typ A) erfordert aufgrund der hohen Letalität den schnellstmöglichen Transport in eine herzchirurgische Klinik.

Akuter arterieller Extremitätenverschluss

  • Beim akuten arteriellen Verschluss einer Extremitätenarterie kommt es zu einer plötzlichen Minderperfusion durch Embolie (70–80 %) oder Thrombose (20–30 %).

  • Die typische Symptomatik mit Ausbildung der „6 Ps nach Pratt“ besteht beim Vollbild eines kompletten Ischämiesyndroms, kann aber bei inkomplettem Ischämiesyndrom in deutlich geringerer Ausprägung vorliegen und in ihrer akuten Bedeutung fehlinterpretiert werden.

  • Primär sind durch Tieflagerung und Polsterung Schutzmaßnahmen für die betroffene Extremität zu treffen.

  • Die initiale intravenöse Gabe von 5 000–10 000 I. E. (unfraktioniertem) Heparin wird empfohlen.

  • Aufgrund der besonderen prognostischen Bedeutung des Faktors Zeit ist die apparative Diagnostik der ersten Wahl die Doppler- und Duplexsonografie.

Literatur

Dr. Knut P. Walluscheck

Klinik für Gefäßchirurgie
Diakonissenkrankenhaus Flensburg

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