Handchir Mikrochir Plast Chir 2008; 40(1): 2-3
DOI: 10.1055/s-2008-1038359
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

hand - handlos - kunsthand

The Hand - Handless - Prostheses
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Publication History

eingereicht 18.1.2008

akzeptiert 29.1.2008

Publication Date:
06 March 2008 (online)

Vor über 100 Jahren gab Höpfner (1903) einen entscheidenden Impuls für die Replantationschirurgie als er Hundeextremitäten abtrennte und wieder annähte. Carell und Guthrie setzten diese Experimente fort. Trotz beider Weltkriege mit dem Verlust tausender Extremitäten ist über eine Replantation in diesem Zeitraum nichts bekannt geworden. Interessant allerdings ist ein ausführliches Konzept über die Operation und die Nachbehandlung bei Replantationen von Hall 1944. 1962 gelang es Malt und Kann in Boston das erste Mal bei einem zwölfjährigen Knaben die rechte obere Extremität wieder anzunähen. In den 70er-Jahren wurden weltweit Replantationszentren aufgebaut und man berichtete anfangs sehr enthusiastisch über erfolgreiche Makro- und Mikroreplantationen. Funktionelle Spätergebnisse sind vor allem bei Oberarmreplantationen eher ernüchternd. Aus diesem Grund wird die Indikation zur Makroreplantation an den meisten Zentren heute nur dann gestellt, wenn kein Polytrauma vorliegt und die Anoxämiezeit kurz gehalten werden kann, da sonst die Muskulatur irreversibel geschädigt und die Gefahr eines Multiorganversagens für den Patienten erhöht ist. Zweietagenverletzungen oder ein ausgedehntes Quetschtrauma zählen ebenfalls zu den Ausschlusskriterien einer Makroreplantation, da das funktionelle Ergebnis zu wünschen übrig lässt. Aus diesen Gründen werden Patienten mit diesen schweren Verletzungen meist schon im erstversorgenden Krankenhaus stumpfversorgt und erhalten an einer Rehabilitationsklinik ihre Prothesen. Alle heute gängigen Prothesen sind jedoch wegen der fehlenden Übermittlung sensibler Empfindungsqualitäten nicht befriedigend. Körpereigene Ersatzrekonstruktionen bei vollständigem Verlust einer Extremität sind nicht möglich. Die Idee zur allogenen Transplantation dieses komplexen Funktionsorgans Hand ist deshalb verständlich und gut begründbar. So ist mit der „ersten“ Handtransplantation 1998 in Lyon ein weiterer Schritt in der rasanten Entwicklung der rekonstruktiven Chirurgie gesetzt worden (Die Anführungszeichen bei „erste“ bedeutet, dass ein neues, modernes, immunmodulierendes, medikamentöses Regime angewandt wurde). Die erste Transplantation einer Hand hat die Gemüter heftig erhitzt. Ein Hauptproblem der allogenen Handtransplantation allerdings ist die voraussichtlich lebenslang notwendige immunsuppressive Therapie, die die Häufigkeit des Auftretens von Infektionen und unter anderen Nebenwirkungen das Risiko für die Entstehung maligner Tumoren erhöht und somit eine schwer kalkulierbare Gefährdung und Beeinträchtigung des Patienten darstellt. In den seit der ersten Transplantation vergangenen zehn Jahren erfolgte die Handtransplantation weltweit nur in einigen Zentren, und es gilt abzuwarten, wie die Spätergebnisse und vor allem die durch die Immuntherapie verursachten Risiken einzustufen sind. An der Medizinischen Universität Innsbruck haben wir uns von Anfang an gegen die Einhandtransplantation - aus verschiedensten Gründen - ausgesprochen und führten bisher bei drei Patienten die Doppelhandtransplantation durch.[Abb. 1]

H. Piza-Katzer

Da ich also Zeitzeuge dieser sehr spannenden Entwicklung auf dem Gebiet der Wiederherstellungschirurgie bin und mit großem Enthusiasmus in den Anfängen der Mikrogefäß- und Nervenchirurgie aktiv mitwirken durfte, war es mir ein Bedürfnis, Kollegen aus verschiedenen Disziplinen zu einem eintägigen Symposium unter dem Thema „hand - handlos - kunsthand“ am 18. 11. 2006 einzuladen. Nicht fehlen durften Wissenschaftler und Ingenieure, die sich intensiv mit der prothetischen Entwicklung in den letzten Jahrzehnten beschäftigt haben und versuchen, Gelenke, Greiforgane und Computer zu entwickeln, um das faszinierende Organ Hand nachzuahmen. Der Herausgeber der HaMiPla, Prof. Dr. U. Lanz, bat mich am Ende des Symposiums, einige Vorträge in erweiterter schriftlicher Form für ein Sonderheft zusammenzustellen, was ich hiermit gerne tue.

Als Einstieg für das Symposium bat ich die Mutter eines inzwischen 18-jährigen Knaben, der ohne obere Extremitäten geboren worden war, uns über die Schwierigkeiten im täglichen Leben mit so einem Kind und Jugendlichen zu berichten. Es war wohl eine sehr eindrucksvolle Darstellung, die zeigt, mit welchen Schwierigkeiten man mit so einem Kind im täglichen Leben zu kämpfen hat, wie untere Extremitäten umfunktioniert werden können, welch Einsatz von Seiten einer allein erziehenden Mutter gefordert wird und mit wie wenig Unterstützung von Seiten der Gesellschaft für so ein Kind gerechnet werden kann.

Kollege Kinzl von der Psychiatrischen Universitätsklinik Innsbruck beleuchtete in seinem Vortrag die Wichtigkeit der Hand als Ausdrucksorgan für Beziehungen und Kreativität. Beim Kapitel angeborenes Fehlen von Teilen der oberen Extremität, vor allem Ober- und Unterarm, wurden interessante Fragen diskutiert, die vor allem die Art und den Zeitpunkt der prothetischen Versorgung dieser Kinder betrifft.

Aus den orthopädisch geführten Tumorzentren in Wien, Graz und Innsbruck wurde zum Thema tumorbedingte Amputationen, aus Traumazentren zu traumatisch bedingten Amputationen berichtet und Kollegen gewonnen, Manuskripte zu diesen Themen zu verfassen. Der Leiter eines der größten Rehabilitationszentren in Österreich führte uns seine Sichtweise zum Thema Replantation und Prothesenversorgung vor und leitete so zu dem sehr spannenden Thema der neuesten Entwicklungen von Hand- und Extremitätenprothesen über. Ein ausführlicher Bericht dazu wird aus dem Forschungszentrum in Karlsruhe, aber auch von der Firma Pohlig gegeben. Über die neueste Möglichkeit der verbesserten Steuerung myoelektrischer Armprothesen durch selektiven Nerventransfer berichtete eine Arbeitsgruppe aus Wien. Zum Abschluss wurden die ersten Erfahrungen in der Rehabilitation von Patienten mit Paresen der oberen Extremität durch ein Robotiksystem gezeigt. Die vorliegenden Arbeiten zum Thema „hand - handlos - kunsthand“ sind bei weitem nicht erschöpfend behandelt, sollen aber für die Leser Anregung zu Diskussionen und Überlegungen liefern. Für mich persönlich ist es keine Frage, dass wir unseren Horizont durch Interdisziplinarität erweitern müssen, und daher bin ich dankbar, einige erweiterte Manuskripte von Vorträgen dieses Symposiums in der HaMiPla vorlegen zu dürfen.

o. Univ.-Prof. Dr. med. Hildegunde Piza-Katzer

Universitätsklinik für Plastische und Wiederherstellungschirurgie
Medizinische Universität Innsbruck

Anichstraße 35

6020 Innsbruck

Österreich

Email: hildegunde.piza@uibk.ac.at

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