PPH 2008; 14(5): 247
DOI: 10.1055/s-2008-1027842
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Mehr Pflege und Betreuung für demenzerkrankte Menschen

S. Schoppmann
Further Information

Publication History

Publication Date:
04 November 2008 (online)

Mitte August ging es durch die Medien: Langzeitarbeitslose sollen, nach einer Schulung, zur Betreuung Demenzkranker eingesetzt werden.

Grundsätzlich sind Initiativen zur Verbesserung der Betreuung demenzkranker Menschen zu begrüßen, denn dass hier ein Defizit besteht ist unstrittig. Möglich wird diese angestrebte Verbesserung durch die Pflegereform 2008 [1]. Diese sieht vor, dass in Heimen Betreuungsassistenten eingestellt werden können. Ob allerdings gerade die Langzeitarbeitslosen diese Lücke schließen können? Wer sind denn überhaupt die Langzeitarbeitslosen und wer soll sie worin schulen?

Als langzeitarbeitslos gilt im Allgemeinen, wer mehr als 12 Monate arbeitslos ist [2]. Im Juli 2008 waren dies, der Bundesagentur für Arbeit [3] zufolge, 1 081 000 Menschen, von denen 612 000 länger als 24 Monate arbeitslos sind. Ein besonderes Risiko, langzeitarbeitslos zu werden, tragen junge Menschen im ausbildungsfähigen Alter, Menschen, die nahe am Rentenalter sind, Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen sowie Menschen mit einer geringen fachlichen Qualifikation.

Auch jede Initiative zur Reduzierung von Langzeitarbeitslosigkeit ist zu begrüßen, denn wie wir als psychiatrische Fachkräfte wissen, kann eine längere Arbeitslosigkeit neben den wirtschaftlichen Konsequenzen auch einen erheblichen Einfluss auf das Selbstwertgefühl und damit die psychische Verfassung der davon betroffenen Menschen haben. Da liegt es nahe, diese beiden Gruppen zueinander zu bringen und damit zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Aber kann das funktionieren?

Wie wir als psychiatrische Fachkräfte ebenfalls wissen, erfordert die Pflege und Betreuung demenzkranker Menschen neben speziellem Fachwissen auch ein besonderes Maß an interpretativen und kommunikativen Fähigkeiten, die weder einfach zu vermitteln noch einfach zu erlernen sind.

Am 19.8.2008 hat der GKV- Spitzenverband eine Richtlinie zur Qualifikation und zu den Aufgaben von zusätzlichen Betreuungskräften in stationären Pflegeeinrichtungen beschlossen [4], die nun vom Bundesgesundheitsministerium genehmigt werden muss. Darin sind für die Schulung der Betreuungsassistenten ein 5-tägiges Orientierungspraktikum vor Schulungsbeginn, ein Basiskurs von 100 Stunden, ein Betreuungspraktikum von zwei Wochen sowie ein Aufbaukurs von 60 Stunden vorgesehen. Im Basiskurs sollen u. A. Grundkenntnisse über Demenz- und andere Alterserkrankungen sowie Grundkenntnisse der Kommunikation und Interaktion vermittelt werden. Die Kurse sollen von den Arbeitsagenturen, privaten Weiterbildungseinrichtungen und Pflegeheimen angeboten werden. Die Auswahl von geeigneten Langzeitarbeitslosen will die Bundesagentur für Arbeit vornehmen. SPIEGEL ONLINE zufolge kommen dafür 30 000 Langzeitarbeitslose potenziell infrage [5].

Angenommen, es gelingt der Bundesagentur für Arbeit, geeignete Langzeitarbeitslose auszuwählen, die sich darüber hinaus auch tatsächlich für die Betreuung demenzkranker Menschen interessieren, an der inhaltlich und didaktisch gut aufgebauten Schulung aktiv teilnehmen, dabei wirklich etwas lernen und danach die mit der Betreuung Demenzkranker verbundenen Anforderungen auch bewältigen, dann, aber auch nur dann, wäre tatsächlich für beide Seiten etwas gewonnen. Allerdings, und das zeigt die durchaus erfolgreiche Arbeit mit ehrenamtlich tätigen Mitarbeitenden, brauchte es auch dann noch eine engmaschige Betreuung und Anleitung dieser Betreuungsassistenten durch die fachlich qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der jeweiligen Institutionen. Bleibt zu hoffen, dass diese das unter ihren realen Arbeitsbedingungen auch leisten können.

Literatur

  • 1 Pflegereform 2008.  , www.bmg.bund.de; [Stand 20.8.2008]
  • 2 Karr W. „Zur Definition von Langzeitarbeitslosigkeit oder: messen wir wirklich was wir messen wollen?”. Kleinhenz, G Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung IAB-Kompendium Arbeitsmarkt – und Berufsforschung 2002: 107-119
  • 3 Der Arbeits- und Ausbildungsmarkt in Deutschland.  Bundesagentur für Arbeit. Monatsbericht Juli 2008 , www.pub.arbeitsamt.de; [Stand 21.8.2008]
  • 4 Pressemeldungen 20.August 2008.  GKV-Spitzenverband. , www.gkv-spitzenverband.de; [Stand 21.8.2008]
  • 5 SPIEGELONLINE Politik 16.08.08.   , www.spiegel.de; [Stand 18.8.2008]
    >