Tab. 1 Teilnehmer der Konsensuskonferenz, Arbeitsgruppen.
I. Klinische Diagnostik – Vorsitz: K. Herrlinger (Stuttgart), A. G. Schreyer (Regensburg)
|
S. Koletzko (München), D. Ludwig (Lübeck), M. Ratzlaff (DCCV, Nürtingen), C. Schmidt
(Bonn), H. J. Schulz (Berlin) |
II. Pathologie – Vorsitz: F. Autschbach (Heidelberg)
|
B. Siegmund (Berlin), M. Vieth (Bayreuth), J. Weismüller (Koblenz), C. Wittekind (Leipzig) |
III. Akuter Schub, steroidrefraktärer Verlauf, Ernährungstherapie – Vorsitz: A. Stallmach
(Jena), S. Schreiber (Kiel)
|
R. Behrens (Nürnberg), B. Kaltz (DCCV, Bremen), B. Klump (Stuttgart), S. Nikolaus
(Kiel), H. Lochs (Berlin), J. Stein (Frankfurt), E. F. Stange (Stuttgart) |
IV. Remissionserhaltung, steroidabhängiger Verlauf – Vorsitz: G. Rogler (Zürich),
W. Kruis (Köln)
|
B. Bokemeyer (Minden), A. Dignaß (Frankfurt), J. C. Hoffmann (Ludwigshafen), K. M.
Keller (Wiesbaden), T. Kucharzik (Lüneburg), D. Lümmen (DCCV, Berlin) |
V. Chirurgie, Fisteln – Vorsitz: C. F. Krieglstein (Köln), H. J. Buhr (Berlin)
|
E. C. Jehle (Ravensburg), A. J. Kroesen (Köln), B. Sido (Regensburg), M. Zeitz (Berlin) |
VI. Extraintestinale Manifestation und assoziierte Erkrankungen – Vorsitz: M. Reinshagen
(Braunschweig)
|
R. Duchmann (Berlin), U. Fölsch (Kiel), R. Raedsch (Wiesbaden), G. v. Boyen (Ulm) |
VII. Psychosomatik, komplementäre Therapie – Vorsitz: G. Moser (Wien)
|
W. Häuser (Saarbrücken), G. Jantschek (Lübeck), B. Küppers (Mannheim), J. Langhorst
(Essen), H. Matthes (Berlin) |
VIII. Methodik und Zentrale
|
W. Höhne (Berlin), T. Karge (Berlin) |
Inhaltsverzeichnis |
Seite |
Teil I
|
Einführung, Methodik, Definitionen
|
1095 |
|
Vorbemerkungen |
1095 |
|
Ziele der Leitlinie, Gültigkeitsdauer |
1096 |
|
Methodik |
1096 |
|
Organisatorischer Ablauf des Konsensusprozesses |
1096 |
|
Klassifikation der Evidenzklassen, Anwendbarkeit, Konsens, Empfehlungsgrade |
1097 |
|
Definitionen |
1098 |
Teil II
|
Diagnostik
|
1099 |
1.
|
Klinische Diagnostik
|
1099 |
|
Diagnosestellung |
1099 |
|
Etablierung der Diagnose |
1100 |
|
Dünndarmdiagnostik |
1101 |
|
Untersuchungen im Verlauf |
1102 |
|
Besondere Untersuchungssituationen |
1103 |
|
Nicht empfohlene Untersuchungen |
1103 |
2.
|
Pathomorphologische Diagnostik
|
1103 |
|
Histopathologische Diagnostik an endoskopischen Biopsien |
1103 |
|
Pathomorphologische Diagnostik an Operationspräparaten |
1105 |
|
Histopathologische Diagnostik von intraepithelialen Neoplasien (IEN) |
1105 |
Teil III
|
Therapie
|
1106 |
3.
|
Akuter Schub
|
1106 |
|
Einführung |
1106 |
|
Morbus Crohn mit Ileozökalbefall |
1106 |
|
Colitis Crohn |
1107 |
|
Ausgedehnter Dünndarmbefall |
1108 |
|
Befall des Ösophagus und Magens |
1108 |
|
Steroidrefraktärer Verlauf |
1109 |
|
Frührezidiv |
1109 |
|
Rezidiv nach steroidabhängigem Verlauf |
1110 |
|
Kinder und Jugendliche |
1110 |
4.
|
Remissionserhaltung
|
1111 |
|
Ziel der Langzeittherapie |
1111 |
|
Indikation zur remissionserhaltenden Therapie bei Morbus Crohn |
1111 |
|
Postoperative Remissionserhaltung |
1113 |
|
Kinder und Jugendliche |
1113 |
5.
|
Medikamente
|
1113 |
|
Budesonid |
1113 |
|
Systemisch wirksame Steroide |
1114 |
|
Sulfasalazin |
1114 |
|
Azathioprin/ 6-Mercaptopurin |
1114 |
|
Methotrexat |
1114 |
|
Anti-TNF-α-Antikörper |
1114 |
6.
|
Fertilität und Schwangerschaft
|
1115 |
|
Fertilität |
1115 |
|
Schwangerschaft |
1115 |
|
Medikamente in der Stillzeit |
1116 |
7.
|
Schmerztherapie
|
1116 |
8.
|
Chirurgie bei Morbus Crohn
|
1117 |
|
Dünndarm oder ileokolische Erkrankung |
1118 |
|
Morbus Crohn des Kolons |
1119 |
|
Chirurgie und Medikation |
1119 |
9.
|
Diagnose und Management des fistulierenden Morbus Crohn
|
1120 |
|
Diagnostik von anorektalen und perianalen Fisteln |
1120 |
|
Behandlung von Fisteln |
1121 |
Teil IV
|
Extraintestinale Manifestationen, Psychosomatik und komplementäre und alternative
Therapien
|
1123 |
10.
|
Extraintestinale Manifestationen
|
1123 |
|
Gelenkmanifestationen |
1124 |
|
Osteoporose |
1125 |
|
Hautmanifestationen |
1125 |
|
Augenmanifestationen |
1126 |
|
Hepatobiliäre Erkrankungen |
1126 |
|
Seltene extraintestinale Manifestationen bei Morbus Crohn |
1126 |
11.
|
Psychosomatik
|
1126 |
|
Krankheitsverlauf beeinflussende psychosoziale Faktoren |
1127 |
|
Therapeutische Ansätze |
1127 |
|
Kinder und Jugendliche |
1129 |
12.
|
Komplementäre und alternative Therapien
|
1129 |
|
Definition |
1130 |
|
Methodik |
1130 |
|
Anwendung und Prävalenz |
1130 |
|
Alternative Therapieverfahren |
1131 |
|
Komplementärmedizinische Verfahren |
1131 |
|
Danksagung |
1132 |
|
Literatur |
1132 |
Teil I Einführung, Methodik, Definitionen
Teil I Einführung, Methodik, Definitionen
Vorbemerkungen
Der Morbus Crohn (M. Crohn) ist neben der Colitis ulcerosa die wichtigste chronisch-entzündliche
Darmerkrankung (CED). Die Inzidenz für den Morbus Crohn liegt in Mitteleuropa zwischen
5,2 und 8,6 pro 100 000 Einwohner [1]
[2]
[3], wobei in Deutschland zuletzt 5,2 pro 100 000 Einwohner angegeben wurden [2]. Die Prävalenz dürfte bei 120 –200 pro 100 000 Einwohner liegen. Nach Shivananda
liegt in Europa die höchste alterspezifische Inzidenz bei den 15- bis 34-Jährigen
vor [1]. Somit beginnt für die meisten Patienten mit Morbus Crohn ihre Erkrankung während
der Schulzeit oder der Berufausbildung und dauert während ihres gesamten beruflichen
Lebens an. Daraus folgt, dass durch die Erkrankung nicht nur direkte Kosten (Medikamente,
Arztbesuche, Operationen, Krankenhausaufenthalte etc.), sondern auch umfangreiche
indirekte Kosten (Rente, Arbeitsausfälle etc.) entstehen. Es kann davon ausgegangen
werden, dass bei CED ca. 2 / 3 der Gesamtkosten den indirekten Kosten zuzuordnen sind
[4]. An Gesamtkosten wurden am Universitätsklinikum Ulm im Mittel knapp 1600 € pro Monat
für einen Patienten mit Morbus Crohn errechnet. Insgesamt entfielen 45 % der direkten
Kosten allein auf Arzneimittelkosten [4], wobei während des Erhebungszeitraums vermutlich noch relativ selten Biologika gegeben
wurden. Auch wenn im Durchschnitt die Kosten vermutlich niedriger liegen, kann man
hochrechnen, dass allein in Deutschland bis zu 3 Milliarden € pro Jahr für die Versorgung
von Patienten mit Morbus Crohn aufgewendet werden, davon 2 / 3 aufgrund von Arbeitsausfall
und Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit. Bis zu 400 Millionen € werden allein für Medikamente
von Patienten mit MC ausgegeben, wobei diese Kosten angesichts von Biologika absehbar
ansteigen dürften.
Eine besondere Untergruppe von Patienten mit Morbus Crohn sind Kinder und Jugendliche.
Bei 15 – 25 % der Patienten treten die ersten Symptome vor dem 20. Lebensjahr auf,
vereinzelt beginnt die Erkrankung im Säuglingsalter. Das Symptommuster unterscheidet
sich bei Kindern von dem erwachsener Patienten. Die Behandlung von Kindern und Jugendlichen
vor und während der Pubertät bis zum Abschluss des Wachstums sollte durch den in der
Gastroenterologie spezialisierten Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin erfolgen.
Der klinische Verlauf, das Befallsmuster und das Ausmaß an extraintestinalen Manifestationen
sind sehr variabel. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer komplexen Diagnostik
und einer abgestuften Therapie in der klinischen Praxis. Die jetzt überarbeitete Leitlinie
basiert wesentlich auf der Leitlinie der DGVS aus dem Jahr 2003 sowie der Leitlinie
der European Crohn’s and Colitis Organization (ECCO) von 2006 [5]
[6]. Die überarbeitete Leitlinie wird in 4 Teilen dargestellt, wobei der erste Teil
im Folgenden die Ziele der Überarbeitung, den organisatorischen Ablauf, die verwendete
Methodik sowie allgemeingültige Definitionen darstellt. Der zweite Teil behandelt
alle Aspekte der Diagnostik, der dritte Teil die der Therapie und der letzte Teil
die extraintestinalen Manifestationen, die Psychosomatik und die Komplementärtherapie.
Die methodische Grundlage für den organisatorischen Ablauf des Konsensusprozesses
war das Leitlinien-Manual des Ärztlichen Zentrums für Qualität in der Medizin [7], DELBI (http://www.delbi.net) und die Oxford-CEBM Levels of Evidence (http://www.cebm.net). Durch den im Folgenden beschriebenen organisatorischen Ablauf und die dargestellte
Methodik zur Ableitung von Empfehlungen erfüllt die Leitlinie die Kriterien einer
evidenzbasierten Konsensus-Leitlinie (Stufe 3).
Ziele der Leitlinie, Gültigkeitsdauer
Die Leitlinie richtet sich an alle an der Diagnostik und Therapie beteiligten Berufsgruppen
(Allgemeinmediziner, Internisten, Kinder- und Jugendmediziner, Chirurgen, Pathologen)
sowie Betroffene und Leistungserbringer (Krankenkassen, Rentenversicherungsträger).
Sie soll einen Handlungskorridor für die häufigsten Entscheidungen liefern. Eine separate
Version der Leitlinie wird für Betroffene erstellt. Die vorliegende Leitlinie entbindet
den Einzelnen nicht von seiner Verpflichtung, unter Würdigung aller relevanten Informationen
die bestmögliche Vorgehensweise für den einzelnen Patienten zu wählen.
Die Gültigkeit dieser überarbeiteten Leitlinie wird auf 5 Jahre geschätzt, sodass
die Revision für 2012 geplant ist. Sollten in dieser Zeit relevante neue Erkenntnisse
zur Diagnostik und Therapie der Morbus Crohn bekannt werden, wird die Leitlinie zu
einem früheren Zeitpunkt revidiert.
Methodik
Organisatorischer Ablauf des Konsensusprozesses
Basierend auf dem Teilnehmerkreis der früheren Konsensuskonferenz erstellte ein Koordinationskomitee
(J. C. Hoffmann, B. Bokemeyer, M. Zeitz und E. Stange) in Abstimmung mit einer Patientenvertreterin
(B. Kaltz) eine Teilnehmerliste für insgesamt 7 Arbeitsgruppen (Klassifikation & Diagnostik;
Pathologie; akuter Schub & steroidrefraktärer Verlauf & Ernährungstherapie; Remissionserhaltung
& steroidabhängiger Verlauf; Chirurgie & Fisteln; extraintestinale Manifestation &
assoziierte Erkrankungen; Psychosomatik & komplementäre Medizin; [Tab. 1]). Dabei erfolgte die Auswahl unter der Berücksichtigung folgender Kriterien:
-
Teilnehmerart: Ärzte, Patienten
-
Für Ärzte: Versorgungsstufe (Niedergelassene, Rehabilitationseinrichtung, Krankenhaus
der Grund-, Schwerpunkt- und Maximalversorgung)
-
Für Ärzte: Schlüsseldisziplin (Innere Medizin, Gastroenterologie, Ernährungsmedizin,
pädiatrische Gastroenterologie, Pathologie, Psychosomatik, Radiologie, Viszeralchirurgie)
-
Fachliche Expertise
Der zeitliche Ablauf des Konsensusprozesses ist in [Tab. 2] dargestellt. Um die Einbindung der ECCO-Leitlinie, die Methodik der Empfehlungsgrade
(s. u.) und den Ablauf des Konsensusprozesses zu besprechen, fand im Januar 2007 ein
Treffen des Koordinationskomitees mit den Arbeitsgruppenleitern statt. Dabei wurde
festgelegt, dass insbesondere die Statements der ECCO-Leitlinie die Grundlage für
die Überarbeitung der Morbus-Crohn-Leitlinie darstellen sollten. Dazu wurden die ECCO-Statements
ins Deutsche übersetzt und im Rahmen einer internetbasierten Befragung zur Abstimmung
gestellt (April –Mai 2007). Alle Teilnehmer der Konsensuskonferenz haben an dieser
Befragung teilgenommen. Die Teilnahme an dieser Befragung war eine Voraussetzung,
um an der Konsensuskonferenz teilnehmen zu können.
Tab. 2 Zeitlicher Ablauf des Konsensusprozesses.
Rubrik |
Teilpunkt |
Zeitraum |
Initiierung |
Festlegung eines Termins für die Update-Konferenz Auswahl der Konferenzteilnehmer |
8 / 2006 9 / 2006 |
Literaturrecherche |
Erstellung von Suchbegriffen für die Literaturrecherche Systematische Literaturrecherche |
1 – 4 / 2007 1 – 6 / 2007 |
„Delphi-Befragung” |
Übersetzung der ECCO-Statements von 2006 Erstellung der Online-Fragebogen Internetbasierte Beantwortung der Fragebogen durch alle Teilnehmer Auswertung der Fragebogen |
2 – 3 / 2007 4 / 2007 4 – 5 / 2007 5 / 2007 |
Konferenz |
Konsensuskonferenz: Arbeitsgruppensitzungen Konsensuskonferenz: Plenarsitzung mit Abstimmung |
15.6.2007 16.6.2007 |
Nachbereitung |
Koordinationsstelle: Vorbereitung der Leitlinie Arbeitsgruppenleiter: Überarbeitung der Kapitel Vorlage der Leitlinie bei der Leitlinienkommission der DGVS |
7 / 2007 8 / 07 – 4 / 08 6 / 2008 |
Für die systematische Literaturrecherche wurde eine Basissuchstrategie festgelegt,
die mit hoher Sensitivität alle systematischen Übersichten, Interventionsstudien,
Beobachtungsstudien sowie alle Arbeiten mit wirtschaftlichen Fragestellungen in MEDLINE
zum Thema Morbus Crohn im Zeitraum 2001 bis April 2007 erfasst. Diese Suchstrategie
wurde von den Arbeitsgruppen durch für ihr Thema relevante Suchbegriffe ergänzt ([Tab. 3]). Literatur bis 2001 war bereits für die vorausgegangene Leitlinie gesammelt worden.
Die zitierte Literatur der ECCO-Leitlinie wurde mitberücksichtigt. Die Cochrane Library
und PsycINFO wurden zentral nach Arbeiten durchsucht, die nicht in MEDLINE erfasst
waren ([Tab. 3]).
Tab. 3 Suchstrategien.
MEDLINE in PubMed |
Basis-Suchstrategie |
1. crohn OR crohn’s OR inflammatory bowel diseases[MeSH:noexp] 2. systematic[SB] 3. randomized controlled trial[PT] OR (clinical trial[PT] OR randomized[TIAB] OR placebo[TIAB]
OR dt[SH] OR randomly[TIAB] OR trial[TI] OR groups[TIAB] AND 2006 : 2007[EDAT]) 4. (epidemiologic studies[MeSH] OR case control studies[MeSH] OR cohort studies[MeSH]
OR case control[TW] OR longitudinal[TW] OR retrospective[TW] OR cross sectional[TW]
OR cross sectional studies[MeSH] OR Cohort analy*[TW]) OR ((follow up[TW] OR observational[TW]
OR cohort[TW]) AND (study[TW] OR studies[TW])) 5. (economic AND (evaluation* OR analys*)) OR (pharmacoeconomi* OR health economi*
OR cost benefit* OR cost containment* OR cost effective* OR cost minimi* OR cost utilit*
OR costs and cost analysis[MeSH] OR economics[MeSH]) 6. 2001 : 2007[PDAT] AND medline[SB] NOT (animals[MeSH] NOT humans[MeSH]) 7. #1 AND (#2 OR #3 OR #4 OR #5) AND #6 |
AG 1 |
1. sensitiv*[TIAB] OR sensitivity and specificity[MeSH] OR diagnos*[TIAB] OR diagnosis[MeSH:noexp]
OR diagnostic*[MeSH:noexp] OR diagnosis,differential[MeSH:noexp] OR diagnosis[SH:noexp] 2. incidence[MeSH:noexp] OR mortality[MeSH] OR follow up studies[MeSH:noexp] OR prognos*[TW]
OR predict*[TW] OR course*[TW] 3. #1 OR #2 |
AG 2 |
pathology[SH] OR biopsy[MeSH] OR neoplasms[MeSH] |
AG 3 |
„activity” OR flare OR acute OR severe OR mild |
AG 4 |
„steroid dependent” OR corticoid dependent OR maintenance OR remission |
AG 5 |
1. abscess OR ((pathologic constriction[MeSH] OR intestinal obstruction[MeSH] OR ileus[MeSH])
AND (ileocecal valve[MeSH] OR ileum[MeSH] OR ileitis[MeSH] OR ileal diseases[MeSH])) 2. appendicitis[MeSH] 3. „colon/surgery”[MeSH] OR colectomy[MeSH] OR colonic pouches[MeSH] OR ileoanal pouch
OR restorative proctocolectomy OR pouch-anal anastomosis OR laparoscopy[MeSH] OR ((dilation
OR dilatation) AND gastrointestinal endoscopy[MeSH]) 4. („crohn disease/surgery”[MeSH]) AND (azathioprine[MeSH] OR infliximab[Substance
Name])) OR (postoperative AND (complication OR risk OR morbidity) AND (immunosuppressant
OR immunosuppressive OR immunosuppression OR steroid OR cortisone OR corticosteroid
OR azathioprine OR cyclosporine OR mercaptopurine)) 5. pregnancy[MeSH] AND surgery[MeSH] 6. (fistula[MeSH] AND magnetic resonance imaging[MeSH]) OR (rectal fistula[MeSH] AND
exam under anesthesia) 7. rectal fistula[MeSH]) OR vaginal fistula[MeSH] OR „urinary bladder fistula/complications”[MeSH]
OR „urinary bladder fistula/drug therapy”[MeSH] OR „urinary bladder fistula/pathology”[MeSH]
OR „urinary bladder fistula/physiopathology”[MeSH] OR „urinary bladder fistula/prevention
and control”[MeSH] OR „urinary bladder fistula/surgery”[MeSH] OR „urinary bladder
fistula/therapy”[MeSH] OR „urinary bladder fistula/urine”[MeSH] OR (intestinal fistula[MeSH]
AND enterocutaneous) 8. #1 OR #2 OR #3 OR #4 OR #5 OR #6 OR #7 |
AG 6 |
psc OR skin OR eye OR arthritis OR osteoporosis |
AG 7 |
cam[SB] OR self help OR support group OR psychotherapy OR pain therapy OR analgesics[MeSH]
OR smoking OR smoking cessation |
Cochrane Library und PsycINFO in OVID
|
|
crohn.mp. OR crohn’s.mp. OR inflammatory bowel disease.mp. OR inflammatory bowel diseases.mp. |
Cochrane Library und PsycINFO in OVID
|
|
crohn.mp. OR crohn’s.mp. OR inflammatory bowel disease.mp. OR inflammatory bowel diseases.mp. |
Die Literatur wurde allen Arbeitsgruppen-Mitgliedern als Text-, Endnote- und Referencemanager-Datei
zur Verfügung gestellt. Es wurden innerhalb der Arbeitsgruppe nach Arbeitsgruppen
folgende Zahlen als Abstract bereitgestellt: AG 1: 1129, AG 2: 138, AG 3: 243, AG
4: 714, AG 5: 426, AG 6: 310, AG 7: 334; für alle zusätzlich über die Cochrane Library:
55; für alle zusätzlich über PsycINFO: 125.
Zur weiteren Vorbereitung der Konferenz erstellten die Arbeitsgruppen Vorschläge für
den Konsensus und ergänzten die systematische Literaturrecherche. Im Rahmen der eigentlichen
Konsensuskonferenz am 15./ 16. Juni 2007 in Berlin wurde am ersten Tag der Konsensus
durch die Arbeitsgruppen für die Abstimmung im Plenum vorbereitet. Dabei wurden die
Evidenzstärke (Literatur), die Anwendbarkeit und die Ergebnisse des Fragebogens berücksichtigt.
Am zweiten Tag wurde der Konsensusvorschlag in der Form von Statements durch jede
Arbeitsgruppe vorgetragen, im Plenum diskutiert, ggf. modifiziert und mittels elektronischer,
anonymer Abstimmung (TED) verabschiedet und elektronisch gespeichert. Der so erstellte
Konsensus in Form von Statements wurde allen Teilnehmern zur Verfügung gestellt und
schließlich durch die Arbeitsgruppenleiter durch Erläuterungen ergänzt.
Klassifikation der Evidenzklassen, Anwendbarkeit, Konsens, Empfehlungsgrade
Die Methodik für den verwendeten Konsensusprozess baut auf die in der Colitis-ulcerosa-Leitlinie
von 2004 verwendeten Vorgehensweise auf [8]. Grundprinzip dabei ist, dass man zunächst einzelnen Statements relevante Studien
zuordnet und diese bezüglich ihrer Evidenzklasse bewertet. Wie in der ECCO-Leitlinie
von 2006 erfolgte die Studienbewertung nach den Empfehlungen des Oxford-Centre for
Evidence-based Medicine (http://www.cebm.net) [9]. Diese so ermittelte Evidenzklasse war Basis für die Entwicklung eines Empfehlungsgrads
([Tab. 4]), welcher das Vertrauen in die der Empfehlung zugrunde liegenden Evidenz wiedergibt.
Neben der Evidenzklasse wurde die Anwendbarkeit einer Studie auf die klinische Fragestellung
(z. B. indirekte Anwendbarkeit bei einer Studie an Erwachsenen statt Kindern) und
der Konsensusgrad ermittelt. Die Konsensstärke ergab sich aus der Abstimmung über
die einzelnen Statements im Plenum am 16.6.2007 mittels TED ([Tab. 5]). Ein Konsens erforderte eine Zustimmung von mehr als 80 % der anwesenden Teilnehmer.
Stimmten weniger als 50 % einem Statement zu, wurde das Statement abgelehnt; eine
mehrheitliche Zustimmung (50 – 80 %) führte ebenso wie eine indirekte Anwendbarkeit
zu einer Abstufung der Empfehlungsgrade. Diese vereinfachte Methodik stellt damit
eine Weiterentwicklung der CU-Leitlinienmethodik dar und entspricht weitgehend der
Methodik der ECCO-Morbus-Crohn-Leitlinie [6]. Ergänzt wurde lediglich die Möglichkeit der mehrheitlichen Zustimmung, die zu einer
Herabstufung des Empfehlungsgrads führt. Wie in der CU-Leitlinie konnte von dem so
ermittelten Empfehlungsgrad aus besonderen Gründen grundsätzlich abgewichen werden.
Von dieser Möglichkeit wurde kein Gebrauch gemacht.
Tab. 4 Empfehlungsgrade.
Empfehlungsgrad |
Definition |
A |
Direkt anwendbare Studien der Evidenzklasse 1 |
B |
Studien der Evidenzklasse 2 oder 3; oder Extrapolationen von Studien der Evidenzklasse 1 oder Studien der Evidenzklasse 1 mit Mehrheitsentscheidung |
C |
Studien der Evidenzklasse 4; oder Extrapolationen von Studien der Evidenzklasse 2 oder 3 oder Empfehlungsgrad B mit Mehrheitsentscheidung |
D |
Studien der Evidenzklasse 5; oder Extrapolationen von Studien der Evidenzklasse 4 oder Empfehlungsgrad C mit Mehrheitsentscheidung oder auffällig inhomogene oder nicht aussagekräftige Studien irgendeiner Evidenzklasse |
Tab. 5 Konsensusstärke.
Konsensusgrad |
Definition |
Konsens |
> 80 % Zustimmung |
Mehrheitsentscheidung |
50 – 80 % Zustimmung |
kein Konsens |
< 50 % Zustimmung |
Definitionen
Um einen Empfehlungskorridor für die Diagnostik und Therapie des Morbus Crohn liefern
zu können, sind für die gesamte Leitlinie gültige Definitionen erforderlich. Bei diesen
Definitionen ist zu berücksichtigen, dass sie meistens nicht validiert sind und somit
häufig einer Übereinkunft entsprechen. Nach Auffassung des Plenums besteht für die
meisten Begriffe daher kein Grund, von Definitionen der früheren Leitlinie bzw. der
europäischen Leitlinie abzuweichen.
Aktive Erkrankung
Die Krankheitsaktivität beim Morbus Crohn wird allgemein in eine geringe, mäßige oder
hohe eingruppiert ([Tab. 6]). Die einzelnen Stufen sind dabei nicht genau definiert. Die meisten klinischen
Studien legen fest, dass die Krankheitsaktivität nach Best (CDAI) > 220 liegen muss,
bei Kindern und Jugendlichen entsprechend der pädiatrische Index (PCDAI) 30 Punkte
oder mehr für eine mäßig bis hohe Erkrankungsaktivität [10]. Angesichts der hohen Ansprechraten in Placebogruppen von kürzlich publizierten
Studien [8] wird in letzter Zeit zusätzlich ein CRP-Wert > 10 mg/l gefordert.
Tab. 6 Krankheitsaktivität.
Parameter |
Krankheitsaktivität gering |
Krankheitsaktivität mäßig |
Krankheitsaktivität hoch |
Ess- und Trinkgewohnheiten |
normal |
intermittierend Erbrechen möglich |
↓ |
Gewichtsverlust |
< 10 % |
> 10 % |
Kachexie |
Ileus |
nein |
(+) |
evtl. ja |
Fieber |
nein |
(+) |
evtl. ja |
Exsikkose |
nein |
(+) |
evtl. ja |
Resistenz |
nein |
(+) |
evtl. ja |
Druckschmerzhaftigkeit |
nein |
(+) |
evtl. ja |
Abszess |
nein |
nein |
evtl. ja |
CRP |
normal/(↑) |
↑ |
↑↑ |
Therapieansprechen |
ja |
primär nein |
ggf. refraktär |
Remission
Als Kriterium für eine Remission wird in klinischen Studien allgemein ein Abfall des
CDAI auf unter 150 Punkte definiert [11], bei Kindern und Jugendlichen entsprechend der PCDAI kleiner oder gleich 10 Punkte.
Diese Definition wird daher grundsätzlich für klinische Studien gefordert und dient
als Richtwert für die klinische Praxis, wobei außerhalb von Studien wegen der fehlenden
Praktikabilität der präzise CDAI nicht ermittelt werden muss. In Übereinstimmung mit
der International Organisation on Inflammatory Bowel disease und der European Crohn’s
and Colitis Organisation wird für Studien zur Remissionserhaltung eine minimale Beobachtungsdauer
von 12 Monaten gefordert.
Ansprechen
Ein Ansprechen (Response) auf eine Behandlung wird in Studien durch einen Abfall des
CDAI von mindestens 100 Punkten definiert, bei Kindern und Jugendlichen entsprechend
einem Abfall des PCDAI um mindestens 12,5 Punkte. Diese Definition wird daher grundsätzlich
für klinische Studien gefordert und dient als Richtwert für die klinische Praxis,
wobei außerhalb von Studien der präzise CDAI nicht ermittelt werden muss. In manchen
Studien wurde ein Ansprechen bereits durch einen Abfall um 70 Punkte definiert, was
wegen der geringen klinischen Relevanz als problematisch gesehen wird.
Rezidiv
Ein Rezidiv ist gekennzeichnet durch das Wiederauftreten von Symptomen bei einem Patienten
mit bekanntem Morbus Crohn, bei welchem eine Remission bestand. Ein Rezidiv sollte
in der Regel durch objektive Parameter wie Laboruntersuchungen, radiologische Befunde,
Ultraschallbefunde und/oder Endoskopiebefunde untermauert werden. Innerhalb von klinischen
Studien wird ein Rezidiv dadurch definiert, dass einerseits ein CDAI-Anstieg von >
70 Punkten (PCDAI ≥ 12,5 Punkte) und ein Gesamt-CDAI von > 150 vorliegt, vorausgesetzt,
vorher bestand eine Remission mit einem CDAI von < 150 Punkten. Diese Definition widerspricht
scheinbar der Definition eines Ansprechens mit einem CDAI-Abfall von > 100. Es handelt
sich somit um die derzeit übliche Studiendefinition. Diese Definition wird daher grundsätzlich
für klinische Studien gefordert und dient als Richtwert für die klinische Praxis,
wobei außerhalb von Studien der präzise CDAI nicht ermittelt werden muss.
Frührezidiv
Ein Frührezidiv wird willkürlich definiert als ein Rezidiv innerhalb von 3 Monaten
nach erreichter Remission.
Steroidrefraktärer Verlauf
Patienten mit aktiver Erkrankung trotz einer systemischen Steroidtherapie (mindestens
0,75 mg Prednisolonäquivalent/kg/Tag) über mindestens 4 Wochen.
Steroidabhängiger Verlauf
Patienten, die entweder
-
die Steroiddosis innerhalb von 4 Monaten nach Beginn der Steroidtherapie nicht vollständig
ausschleichen können, ohne dass es zu einem Rezidiv kommt, oder
-
die ein Rezidiv innerhalb von 3 Monaten nach der Beendigung der Steroidmedikation
bekommen.
Beide Möglichkeiten setzen voraus, dass Komplikationen des Morbus Crohn nicht aufgetreten
sind. Zu betonen ist, dass die Zielsetzung stets sein sollte, Steroide vollständig
auszuschleichen.
Lokalisierte Erkrankung
Crohn-Befall eines Darmabschnitts von < 30 cm Länge. Dies betrifft zumeist den Ileozökalbereich,
kann aber auch kurze Dünn- oder Dickdarmabschnitte betreffen.
Ausgedehnte Erkrankung
Crohn-Befall eines Darmabschnitts von > 100 cm Länge unabhängig von dem Darmabschnitt.
Wenn ein diskontinuierlicher Befall vorliegt, bezieht sich die Länge auf die Summe
der einzelnen betroffenen Darmabschnitte.
Expertenmeinung
Der Begriff Expertenmeinung bezieht sich auf die Meinung von CED-Spezialisten, die
im deutschsprachigen Sprachraum eine für die CED-Behandlung relevante Fachrichtung
vertreten. Diese Spezialisten vertreten gleichzeitig ihre entsprechende Fachgesellschaft.
Teil II Diagnostik
Teil II Diagnostik
1. Klinische Diagnostik
Diagnosestellung
Allgemein
Statement 1.1
Eine einzelne Untersuchung als Goldstandard für die Diagnosestellung des Morbus Crohn
gibt es nicht. Die Diagnose setzt sich zusammen aus Anamnese, klinischem Erscheinungsbild
und einer Kombination aus biochemischen, sonografischen, endoskopischen, histologischen
und/oder radiologischen Befunden (D).
Kommentar
Der Morbus Crohn ist gekennzeichnet durch ein heterogenes Bild diverser Phänotypen.
Befallsmuster und Ausmaß des Befalls variieren stark, prinzipiell können alle Abschnitte
des Gastrointestinaltrakts in unterschiedlicher Kombination befallen sein. Die Diagnose
eines Morbus Crohn erfolgt in Zusammenschau von klinischen und pathomorphologischen
Kriterien. Die klinischen Kriterien basieren auf der körperlichen Untersuchung und
bildgebender Diagnostik mittels Endoskopie und sonografischer/radiologischer Techniken,
die in den folgenden Statements definiert werden. Die pathomorphologischen Kriterien
ergeben sich aus der Biopsieentnahme bei der Endoskopie oder aus der Aufarbeitung
von Operationspräparaten (siehe Pathologie). Charakteristisch für den Morbus Crohn
sind die diskontinuierliche Entzündung und der histologische Nachweis von Granulomen
[12]
[13].
Leitsymptome
Statement 1.2
Die klinischen Symptome des Morbus Crohn können vielfältig sein, häufig beinhalten
sie Durchfall für mehr als 6 Wochen, abdominelle Schmerzen und/oder Gewichtsverlust.
Diese Symptome sollten insbesondere bei jungen Patienten den Verdacht auf einen Morbus
Crohn erregen. Systemische Symptome wie allgemeines Krankheitsgefühl oder Fieber sind
häufig (D). Bei Kindern kann eine Wachstumsverzögerung im Vordergrund stehen (B).
Kommentar
Das häufigste Symptom eines Morbus Crohn ist der chronische Durchfall [12]. Schwierig kann manchmal die Abgrenzung von der selbstlimitierenden Durchfallerkrankung
sein, daher ist der chronischer Durchfall hier definiert als Durchfall über einen
Zeitraum von mehr als 6 Wochen [14]. Bauchschmerzen und/oder Gewichtsverlust sind die nächsthäufigsten Symptome und
werden bei etwa zwei Dritteln der Patienten beobachtet [15]. Bei pädiatrischen Patienten liegt die klassische Trias von Bauchschmerzen, Durchfall
und Gewichtsverlust nur bei etwa einem Viertel der Patienten vor [16].
Krankheitsgeschichte
Statement 1.3
Eine komplette Krankheitsgeschichte sollte eine detaillierte Befragung beinhalten
über den Beginn der Symptome, eine kürzliche Reiseanamnese, Nahrungsmittelunverträglichkeiten,
Kontakte mit infektiösen Durchfallerregern, eine Medikamentenanamnese (insbesondere
bzgl. Antibiotika und nicht steroidalen Antirheumatika) sowie die Raucheranamnese,
die Familienanamnese und die Frage nach einer Appendektomie (D). Wichtig ist die Anamnese
bzgl. nächtlicher Symptome und extraintestinaler Manifestationen (Mund, Haut, Augen
und/oder Gelenke sowie perianale Abszesse und/oder Analfissuren) (D).
Kommentar
Nikotinkonsum, Appendektomie und eine positive Familienanamnese sind unabhängige und
reproduzierbare Risikofaktoren für einen Morbus Crohn [13]
[17]. Ein Befall des peripheren und/oder axialen Skelettsystems ist die häufigste extraintestinale
Manifestation chronisch entzündlicher Darmerkrankungen [15].
Körperliche Untersuchung
Statement 1.4
Die körperliche Untersuchung beinhaltet die Erfassung des Allgemeinzustands des Patienten,
Pulsfrequenz, Blutdruck und Körpertemperatur, weiterhin die Untersuchung nach abdominellem
Druckschmerz und/oder tastbarer Resistenz sowie die perineale und orale Inspektion
und die digital-rektale Untersuchung. Die Bestimmung von Körpergewicht und Body-Mass-Index
werden empfohlen (D). Bei Kindern und Jugendlichen ist die Bestimmung von Länge, Gewicht,
Wachstumsverlauf und der Vergleich mit alterstypischen Perzentilen sowie die Bestimmung
des Pubertätsstadiums obligat (D).
Kommentar
Die gründliche körperliche Untersuchung ist Basis jeder internistischen Diagnostik.
Ein besonderes Augenmerk gilt der Detektion von extraintestinalen Manifestationen
und Fisteln. Da Mangelernährung mit einem erhöhten perioperativen Risiko einhergeht,
ist die Erhebung des Ernährungszustands insbesondere präoperativ zu empfehlen. Bei
vorliegender Mangelernährung sollte eine Ernährungstherapie durchgeführt werden (siehe
auch Kapitel 3, Akuter Schub, und Kapitel 8, Chirurgie).
Bei Kindern und Jugendlichen ist zur Diagnose von Wachstumsverzögerungen bei jeder
Visite der z-Score oder das Längensollgewicht im Vergleich zu nationalen geschlechtsspezifischen
Referenzwerten zu erheben. Bei Wachstumsretardierung ist durch eine Röntgenaufnahme
der nicht dominanten Hand das Knochenalter zu bestimmen. Weiterhin sollte das Pubertätsstadium
nach Tanner bestimmt werden [18].
Initiale Laboruntersuchungen
Statement 1.5
Die Patienten sollten untersucht werden auf Zeichen der akuten und/oder chronischen
Entzündung, Anämie, Flüssigkeitsdefizit und Zeichen der Mangelernährung bzw. Malabsorption
(D). Die initiale Labordiagnostik sollte das C-reaktive Protein (B) und ein Blutbild
(D) beinhalten. Mikrobiologische Tests auf infektiöse Durchfallerreger inklusive Clostridium-difficile-Toxin
werden empfohlen (B). Zusätzliche Tests können bei Patienten mit Auslandsreiseanamnese
notwendig sein. Bestätigt sich der Verdacht auf einen Morbus Crohn, können weitere
laborchemische Untersuchungen im Einzelfall notwendig sein (D).
Statement 1.6
Die quantitative Bestimmung von Calprotectin im Stuhl kann in der Abgrenzung nicht
entzündlicher Ursachen der gastrointestinalen Beschwerden hilfreich sein (A).
Kommentar
Das Serum-CRP korreliert zumindest annäherungsweise mit der Krankheitsaktivität, gemessen
in klinischen Aktivitätsindizes für den Morbus Crohn [19]
[20]
[21]
[22]. Weder CRP noch BSG sind spezifisch für den Morbus Crohn und tragen daher nicht
zur Differenzialdiagnose bei. Erhöhte Entzündungsparameter kommen auch bei der Colitis
ulcerosa oder bei bakteriellen Komplikationen vor. Insbesondere bei der Erstdiagnostik
sind zur Abgrenzung und zur Diagnostik von selbstlimitierenden infektiösen Kolitiden
Stuhlkulturen hilfreich [22]. Zwei kleine Studien berichten über einen Stellenwert von Procalcitonin zur Abgrenzung
selbstlimitierender Kolitiden [23]
[24]. Die Bestimmung des CRP kann hilfreich sein für Therapieentscheidungen bei Morbus
Crohn und in der Verlaufsbeurteilung, z. B. zur Risikoabschätzung eines Rückfalls
[25]. Anämie und Thrombozytose als Zeichen der chronischen Entzündung sind die häufigsten
Veränderungen im Blutbild von Patienten mit Morbus Crohn. Das MCV und MCH können Hinweise
auf Mangelerscheinungen liefern. Die Beschränkung auf die genannten Entzündungsparameter
schließt selbstverständlich die Bestimmung weiterer klinisch sinnvoller Parameter
wie z. B. Nierenretentionswerte oder Elektrolyte nicht aus. Bestätigt sich der Verdacht
auf einen Morbus Crohn, kann weitere Labordiagnostik indiziert sein, z. B. die Bestimmung
von GGT und AP zur Diagnostik einer primär sklerosierenden Cholangitis. Bei ausgeprägtem
Befall des terminalen Ileums bzw. nach Resektionsoperation sollte an die Bestimmung
von Vitamin B 12 gedacht werden. Bei pädiatrischen Patienten sollten bei Verdacht
auf einen Morbus Crohn ein großes Blutbild, CRP (evtl. auch BSG) und Kreatinin sowie
Albumin und Leberfunktionstests (GOT, GPT und γ-GT) bestimmt werden [18]. Bezüglich der notwendigen Laborkontrollen unter immunsuppressiver Therapie wird
auf die entsprechenden Therapiekapitel verwiesen.
Calprotectin ist ein zytosolisches Neutrophilenprotein mit antimikrobiellen Eigenschaften,
das im Falle einer intestinalen Entzündung im Stuhl ausgeschieden wird [26]. Es korreliert mit der endoskopischen Aktivität der Colitis ulcerosa [27] und mit der Entzündungsaktivität in der Leukozytenszintigrafie bei Morbus Crohn
[28]. Auch fäkales Lactoferrin, ein weiteres Neutrophilenprotein, ist als Marker für
eine intestinale Entzündung geeignet [29]
[30]. Ein neuer fäkaler Marker ist das S 100A12 [31]
[32]
[33]. Naturgemäß ist eine Differenzierung verschiedener Ursachen der Entzündung, insbesondere
zwischen chronisch entzündlichen Darmerkrankungen und infektiösen Diarrhöen, nicht
möglich. Der Stellenwert der fäkalen Stuhlparameter liegt in der Abgrenzung funktioneller
Beschwerden. In einer kürzlich publizierten Metaanalyse konnte gezeigt werden, dass
sowohl pädiatrische als auch erwachsene Patienten mit Morbus Crohn signifikant höhere
fäkale Calprotectinwerte aufweisen als die Normalbevölkerung und als Patienten mit
Reizdarmsyndrom [33]. Ein Grenzwert von 100 µg/g scheint eine höhere Präzision zu haben als der Grenzwert
von 50 µg/g.
Etablierung der Diagnose
Statement 1.7
Bei Patienten mit Hinweisen auf einen Morbus Crohn in der Ileokoloskopie wird in jedem
Fall eine weiterführende Diagnostik empfohlen, um die Lokalisation und die Ausbreitung
des Morbus Crohn im übrigen Gastrointestinaltrakt zu bestimmen, unabhängig vom endoskopischen
und histologischen Befund des terminalen Ileums (A).
Statement 1.8
Bei Verdacht auf einen Morbus Crohn gehört der transabdominelle Ultraschall, die Ileokoloskopie
mit Biopsien aus dem terminalen Ileum und jedem Dickdarmsegment sowie eine erweiterte
Dünndarmdiagnostik zu den Basisuntersuchungen zur Etablierung der Diagnose (A).
Kommentar
Bei etwa 10 % der Patienten sind isoliert proximale Dünndarmanteile befallen, die
mit der Ileokoloskopie nicht zu erreichen sind. Daher gehört zur Primärdiagnostik
des Morbus Crohn eine erweiterte Dünndarmdiagnostik, um das komplette Befallsmuster
zu erfassen.
Der abdominelle Ultraschall gehört zu den Basisuntersuchungen der Gastroenterologie.
In der Initialdiagnostik ist er in erfahrener Hand exzellent als Screeninguntersuchung
geeignet, entzündete Dünn- und Dickdarmsegmente zu identifizieren [34]
[35]. Auch Abszesse können diagnostiziert werden [36]. Zur spezifischen Diagnostik ist die Koloskopie mit Biopsieentnahme aus Dünn- und
Dickdarm der Standard [37]
[38]. Die charakteristischen makroskopischen Veränderungen sind ein diskontinuierliches
Befallsmuster, der Analbefall, tiefe longitudinale Ulzera und ein „kopfsteinpflasterartiges”
Bild. Die endoskopische Beurteilung des terminalen Ileums ist der radiologischen Bildgebung
überlegen. Allerdings ist bei der Primärdiagnostik eine erweiterte Dünndarmdiagnostik
zur vollständigen Diagnostik des Befallsmusters obligat (s. o.).
Strikturen
Statement 1.9
Endoskopisch nicht erreichbare Darmabschnitte erfordern bildgebende Techniken, um
das Ausmaß und die Lokalisation der Erkrankung zu diagnostizieren (A).
Kommentar
Neben dem transabdominellen Ultraschall gehören konventionelle radiologische Techniken
wie etwa Doppelkontrastuntersuchungen zu den etablierten Methoden der Wahl. Virtuell
endoskopische Techniken wie die CT- oder MR-Kolonografie sind in der Hand von erfahrenen
Untersuchern zur weiteren Abklärung endoskopisch nicht erreichbarer Darmabschnitte
eine empfehlenswerte Alternative [39]
[40].
Kinder und Jugendliche
Statement 1.10
Die initiale Diagnostik bei Kindern und Jugendlichen mit Verdacht auf einen Morbus
Crohn sollte eine Ileokoloskopie mit Stufenbiopsieentnahme (A) sowie eine Ösophagogastroduodenoskopie
mit Stufenbiopsieentnahme (B) beinhalten. Zusätzlich sollte eine Dünndarmdarstellung,
bevorzugt durch Ultraschall und MRT, erfolgen (B). Die Endoskopie sollte in Vollnarkose
oder tiefer Analgosedierung durchgeführt werden (B).
Kommentar
Die Koloskopie mit Biopsieentnahme aus allen erreichten Abschnitten ist die wichtigste
Untersuchungsmethode, um das Ausmaß der Entzündung, das Befallsmuster und eine Differenzierung
zwischen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa zu erreichen [18]. Hierbei sollte die Intubation des terminalen Ileums unbedingt angestrebt werden,
ein isolierter Ileumbefall wird immerhin bei 9 % der Kinder mit Morbus Crohn beobachtet
[41]. Eine Ösophago-Gastro-Duodenoskopie wird bei allen Kindern empfohlen [18], eine Histologie mit Crohn-typischen Läsionen sichert die Diagnose eines Morbus
Crohn in zweifelhaften Fällen bei bis zu 29 % der pädiatrischen Patienten [42]
[43]
[44]. Die Aufklärung und Vorbereitung einschließlich Darmreinigung vor der Endoskopie
muss möglichst wenig traumatisierend und dem Alter des Kindes bzw. Jugendlichen angemessen
sein. Die tiefe Analgosedierung bei der Endoskopie ist auch bei pädiatrischen Patienten
sicher [45]
[46]. Sie wird neben der Vollnarkose von der Arbeitsgruppe CED der European Society for
Pediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition (ESPGHAN) empfohlen [18]. Die Anwesenheit eines zweiten Arztes, der in der tiefen Analgosedierung, Narkose
und ggf. Intubation und Notfallbehandlung in dieser Altersklasse erfahren ist, ist
obligat. Eine Dünndarmdiagnostik ist bei der Erstpräsentation obligat, auch wenn das
terminale Ileum in der Ileokoloskopie unauffällig war, da auch isoliert befallene
proximale Dünndarmabschnitte vorliegen können [47]
[48]. Wegen des Vorteils der fehlenden Strahlenexposition sollten der abdominelle Ultraschall
[49]
[50] und die Magnetresonanztomografie [51]
[52] bevorzugt werden.
Dünndarmdiagnostik
Statement 1.11
Es gibt verschiedene bildgebende Techniken für die Dünndarmdiagnostik, z. B. den transabdominellen
Ultraschall, die fraktionierte Magen-Darm-Passage, das Dünndarm-Enteroklysma, endoskopische
Diagnostik, die Computertomografie (CT) und die Magnetresonanztomografie (MRT). Die
hochauflösende Ultraschalluntersuchung sollte durch eine weitere komplette Bildgebung,
wegen der fehlenden Strahlenexposition bevorzugt durch die MRT-Untersuchung des Dünndarms,
ergänzt werden (B).
Kommentar
Der abdominelle Ultraschall ist integraler Bestandteil der Basisuntersuchung des Dünndarms,
der in der Hand erfahrener Untersuchern exzellente Sensitivität und Spezifität bei
der Identifikation von Dünndarmläsionen hat [34]
[35]
[53]. Durch orale Kontrastmittelgabe (PEG) kann die Sensitivität verbessert und die Untersucherabhängigkeit
des Verfahrens reduziert werden [54]. Die fraktionierte Magen-Darm-Passage sowie die Doppelkontrastuntersuchung des Dünndarms
in der Modifikation nach Herlinger und Sellink gehören zu den etablierten und weitverbreiteten
Verfahren. Dennoch können durch neue Techniken wie dem CT- oder MR-Enteroklysma (Intubation
des Duodenums zur Kontrastmittelapplikation) bzw. der CT- und MR-Enterografie (ausschließlich
orale Kontrastierung) identische oder bessere Sensitivität und Spezifität mit zusätzlicher
extraluminaler Diagnostik erreicht werden [19]
[55]
[56]
[57]. Der MRT ist dabei durch die fehlende Strahlenexposition der Vorzug zu geben. Zur
vollständigen Dünndarmdarstellung sollte initial bei weiterhin z. T. kontroverser
Studienlage bezüglich des abdominellen Ultraschalls [58] eine MRT-Untersuchung des Dünndarms mit oraler Kontrastierung, die wie der Ultraschall
ohne ionisierende Strahlung auskommt, durchgeführt werden. Durch dopplersonografische
Flussmessungen in den Mesenterialarterien können Ausmaß entzündlicher Veränderungen
und Ansprechen auf die Therapie (z. B. Steroide, Azathioprin) bei Patienten mit Morbus
Crohn besser abgeschätzt werden [59]
[60]. Mittels Power-Doppler kann der Blutfluss auch in der Darmwand direkt dargestellt
und quantifiziert werden. Unklar ist allerdings die Relevanz dieser Messungen für
die Verlaufsbeurteilung [61]. Nach Kontrastmittelgabe (SonoVue®, Levovist®) werden gering entzündlich veränderte
Segmente besser dargestellt. Auch die Differenzierung akut entzündlicher gegenüber
narbigen Veränderungen scheint hierdurch möglich zu sein [62]. Diese Verfahren werden bisher nur an wenigen Zentren eingesetzt.
Die Rolle der Gastroskopie mit Biopsie
Statement 1.12
Die Ösophago-Gastro-Duodenoskopie mit Biopsien wird bei der Erstdiagnostik und bei
Auftreten von Symptomen des oberen Gastrointestinaltrakts im Verlauf empfohlen (D).
Kommentar
Um das Befallsmuster komplett zu dokumentieren, gehört die Ösophago-Gastro-Duodenoskopie
zu den diagnostischen Verfahren der Primärdiagnostik. In der Regel ist der Magenbefall
verbunden mit Dünn- oder Dickdarmbefall [63]
[64]. Biopsien aus dem Magen können bei fokaler Gastritis zur Diagnose eines Morbus Crohn
beitragen, falls zum Beispiel ein Kolonbefall nicht sicher zu klassifizieren ist.
Die Rolle der Kapselendoskopie
Statement 1.13
Die Kapselendoskopie kann bei symptomatischen Patienten mit Verdacht auf einen Dünndarmbefall
erwogen werden, wenn Strikturen bzw. Stenosen ausgeschlossen worden sind, die Endoskopie
des terminalen Ileums unauffällig oder technisch nicht möglich war und der Ultraschall,
Durchleuchtungs- und/oder Schnittbildverfahren keine Läsionen des Dünndarms gezeigt
haben (A).
Kommentar
Die Kapselendoskopie ist sehr sensitiv in der Detektion von Dünndarmläsionen. In Vergleichsstudien
ist sie der konventionellen Dünndarmdiagnostik mittels Magnetresonanztomografie [65]
[66], dem CT-Enteroklysma [67] und dem Barium-Doppelkontrast-Enteroklysma [68]
[69] überlegen. Dies wird bestätigt durch eine kürzlich publizierte Metaanalyse, die
die Kapselendoskopie mit den genannten Verfahren und der Ileokoloskopie in der Dünndarmdiagnostik
des nicht stenosierenden Morbus Crohn vergleicht [70]. Der Informationsgewinn im Sinne zusätzlich detektierter Läsionen beträgt 40 % gegenüber
dem Barium-Doppelkontrast, 15 % gegenüber der Ileokoloskopie, 39 % gegenüber dem CT-Enteroklysma,
bietet allerdings keinen signifikanten Vorteil gegenüber der Magnetresonanztomografie
(bei nur einer vorliegenden Vergleichsstudie) [67]. In die Studien der Metaanalyse wurden allerdings nur Patienten eingeschlossen,
bei denen zuvor durch die genannten Verfahren Strikturen oder Stenosen ausgeschlossen
worden waren, um eine Kapselretention zu vermeiden. Dies limitiert den Einsatz der
Kapselendoskopie bei der Dünndarmdiagnostik des Morbus Crohn, sodass sich ein klinisch
relevanter Nutzen nur für die im Statement definierte Patientengruppe ergibt. Problematisch
ist zusätzlich die unklare Signifikanz zweifelhafter Läsionen ohne die Möglichkeit
einer histologischen Sicherung. Falsch positive Ergebnisse in der Kapselendoskopie
werden bei 10 – 21 % gesunder Probanden berichtet [71]
[72].
Zur endoskopischen Diagnostik des Dünndarms (Single- oder Doppelballonenteroskopie)
des Morbus Crohn existieren zurzeit lediglich Fallserien, sodass der Stellenwert dieser
Untersuchungsmethode noch nicht ausreichend beurteilt werden kann [73].
Untersuchungen im Verlauf
Laboruntersuchungen
Statement 1.14
Die Labordiagnostik im Verlauf der Erkrankung orientiert sich an dem klinischen Bild,
Befallsmuster und der Therapie der Patienten (D). Bei untypischem und oder schwerem
klinischem Bild sollte eine erweiterte mikrobiologische und virologische Diagnostik
erfolgen (D).
Kommentar
Bei schwerem und langjährigem Verlauf kann ein Screening auf Mangelerscheinungen sinnvoll
sein (z. B. Eisen, Zink, 25-OH Vitamin D, Vitamin B 12) [74]
[75]. Auf die notwendigen Laborkontrollen unter immunsuppressiver Therapie wird im Therapiekapitel
eingegangen. Insbesondere beim schwerem Schub und therapierefraktären Verläufen sollte
eine intestinale Infektion ausgeschlossen werden. Hierbei handelt es sich um das Standardspektrum
darmpathogener Keime (E. coli, Campylobacter, Yersinia, Salmonella, Shigella). Insbesondere
nach Antibiotikaeinnahme sollte auch auf Clostridium difficile getestet werden [76]
[77]. Eine CMV-Colitis scheint beim Morbus Crohn seltener vorzukommen als bei der Colitis
ulcerosa [78]
[79], stellt aber bei steroidrefraktärem Verlauf eine wichtige Komplikation dar [80]. Zur Diagnostik gehört die immunhistochemische Aufarbeitung der Biopsie, der Antigennachweis
im Blut und die PCR aus Blut oder Biopsie [81].
Endoskopie und bildgebende Verfahren
Statement 1.15
Bei klinischem Rezidiv sollte immer eine sonografische Diagnostik erfolgen (B). Eine
ergänzende Diagnostik mit anderen bildgebenden Verfahren und Endoskopie ist bei unklarem
Befund oder Verdacht auf Komplikationen erforderlich (D).
Kommentar
Die transabdominelle Sonografie sollte als Basisuntersuchung (s. o.) initial durchgeführt
werden. Bei nicht eindeutigen Ergebnissen sollten dann weitere bildgebende Verfahren
wie die MR- oder CT-Enterografie ergänzend durchgeführt werden.
Karzinomsurveillance
Statement 1.16
Das Risiko für ein Kolonkarzinom scheint, insbesondere bei Kolonbefall eines Morbus
Crohn, im Vergleich zur Normalbevölkerung erhöht zu sein (B). Der Nutzen eines Überwachungsprogramms
mit Ileokoloskopie zur Früherkennung eines Karzinoms ist bei der Colitis Crohn ungeklärt.
Kommentar
Das Risiko für ein Kolonkarzinom ist bei der Colitis ulcerosa im Vergleich zur Normalbevölkerung
signifikant erhöht [82]. Im Gegensatz dazu sind die Daten zum Karzinomrisiko bei Morbus Crohn widersprüchlich
(Literaturübersicht bei [83]). Große epidemiologische Studien der letzten Jahre sprechen (bei insgesamt sehr
niedriger Inzidenz) für ein erhöhtes Risiko für ein Dünndarmkarzinom [84], aber auch für ein erhöhtes Kolonkarzinomrisiko bei Morbus Crohn [85]. Eine kürzlich publizierte Metaanalyse aus 6 populationsbasierten Kohortenstudien
berechnet ein 2,5-fach erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Kolonkarzinoms [83]. Dabei scheint das Risiko insbesondere für die Patienten mit Kolonbefall zu bestehen
(standardized incidence ratio, SIR 4,3), während Patienten mit Ileumbefall kein erhöhtes
Kolonkarzinomrisiko tragen (SIR 0,9). Auf dem Boden der heterogenen Datenlage und
bei fehlenden Interventionsstudien kann keine generelle Empfehlung für eine Überwachungsstrategie
bei Morbus Crohn gegeben werden, allerdings scheint bei Patienten mit ausgedehntem
Kolonbefall ein Vorgehen analog zur Colitis ulcerosa gerechtfertigt [86]. Die Datenlage zum Kolonkarzinomrisiko bei Patienten mit Morbus Crohn und primär
sklerosierenden Cholangitis (PSC) ist nicht ausreichend, um generelle Empfehlungen
zu geben. Da auch bei Morbus Crohn die PSC als Risikofaktor für ein Kolonkarzinom
gesehen wird, ist analog zur ECCO-Kolitis-Leitlinie [6] eine jährliche Überwachungskoloskopie ab Diagnosestellung der PSC vertretbar.
Besondere Untersuchungssituationen
Untersuchungen zur Detektion extramuraler Komplikationen
Statement 1.17
Bei Verdacht auf extramurale Komplikationen wie Fisteln oder Abszesse sind der Ultraschall,
die CT und/oder die MRT geeignete Untersuchungsmethoden (A).
Kommentar
Der transabdominelle Ultraschall ist bei Verdacht auf extramurale Komplikationen eine
leicht verfügbare und hoch sensitive Basisuntersuchung [36]
[53]. Dennoch sollte bei unklaren Ergebnissen sowie erschwerten abdominellen Schallbedingungen
wie etwa luftgefülltem Darm eine weitere Diagnostik wie die CT oder MRT, die eine
höhere Sensitivität und Spezifität aufweisen, durchgeführt werden [58]. Die CT ist dabei eine schnell verfügbare Methode, die ggf. eine CT-gesteuerte Drainagentherapie
in der gleichen Sitzung erlaubt, jedoch eine nicht unbeträchtliche Strahlenexposition
verursacht. Die MRT des Abdomens hat bei fehlender ionisierender Strahlung etwa die
gleiche Sensitivität bei Abszessen und eine deutlich höhere Sensitivität bei der Beurteilung
von Fisteln.
Präoperative Diagnostik
Statement 1.18
Die Strategie der präoperativen Bildgebung entspricht den oben genannten Prinzipien
der Diagnostik des Morbus Crohn (D).
Nicht empfohlene Untersuchungen
Statement 1.19
Es kann keine gesicherte Empfehlung für die routinemäßige Bestimmung folgender Untersuchungen
im klinischen Alltag ausgesprochen werden:
-
genetische Tests (z. B. NOD2 /CARD15),
-
serologische Marker (z. B.: ASCA, ANCA, ompC, I 2, Flagellinantikörper),
-
intestinale Permeabilitätstestung und
-
phänotypbasierte Klassifikationen.
Kommentar
Mutationen von NOD2 /CARD15 sind klar assoziiert mit dem Morbus Crohn, insbesondere
mit Ileumbefall und mit stenosierendem Verlauf [87]
[88]
[89]
[90]
[91] Allerdings fehlen bisher Studien, die zeigen, dass sich der individuelle Krankheitsverlauf
vorhersagen bzw. beeinflussen lässt. Die serologischen Marker ASCA und ANCA sprechen
für einen Morbus Crohn bei einer Konstellation ASCA+/ANCA [92]
[93]. Sie können im Falle einer nicht zu klassifizierenden Kolitis nützlich sein, allerdings
sind sie wegen ihrer geringen Sensitivität nicht für den Routinegebrauch geeignet
[94]. Die intestinale Permeabilitätsmessung ist pathologisch bei Patienten in Remission,
die ein erhöhtes Rezidivrisiko innerhalb eines Jahres haben [95]
[96], sie ist allerdings spezialisierten Zentren vorbehalten und kann deshalb nicht für
die Routinediagnostik empfohlen werden. Die Vienna-Klassifikation und ihre aktualisierte
Fassung aus Montreal [97] erlauben die standardisierte Phänotypisierung der Patienten mit Morbus Crohn. Allerdings
muss die Relevanz und Wertigkeit für den klinischen Alltag erst in Interventionsstudien
validiert werden.
2. Pathomorphologische Diagnostik
Histopathologische Diagnostik an endoskopischen Biopsien
Im Rahmen der Diagnosefindung des Morbus Crohn stellt die histologische Befundung
von endoskopischen Mukosabiopsien eine Untersuchungsmethode der ersten Wahl dar.
Statement 2.1
Bioptische Befunde, welche die histopathologische Diagnose eines Morbus Crohn erlauben,
sind: fokale/fleckförmige (diskontinuierliche) chronische Entzündung (Lymphozyten
und Plasmazellen) in Kombination mit einer fokalen (diskontinuierlichen) Störung der
Krypten-/Villusarchitektur und/oder epitheloidzellige Granulome (abseits von Krypten)
(B).
Statement 2.2
Zur histopathologischen Erstdiagnose eines Morbus Crohn sind multiple Biopsieentnahmen
aus dem terminalen Ileum und jedem Kolonsegment unter Einschluss des Rektums erforderlich
(zumindest 2 Proben pro Region, aus befallenen und nicht befallenen Abschnitten) (B).
Statement 2.3
Die bioptisch gewonnenen Proben sollten bezüglich der Lokalisation gekennzeichnet
sein und durch Informationen zum klinischen Bild ergänzt werden (Symptomatik, Alter
des Patienten, Dauer der Erkrankung, Art und Dauer der Behandlung, Endoskopiebefund
u. a.) (B).
Statement 2.4
Da die entzündlichen Läsionen gegebenenfalls nur milde oder fokal ausgebildet sein
können, wird die Aufarbeitung der bioptischen Proben in Stufen- oder Serienschnitten
empfohlen (C).
Der Pathologiebefund (Biopsien, Resektate) sollte eine Aussage zur histologischen
Entzündungsaktivität enthalten. Ein inaktiver Entzündungsbefund in der Biopsie reflektiert
nicht notwendigerweise einen inaktiven Entzündungsstatus beim Patienten (D).
Kommentar
Die Diagnose eines Morbus Crohn basiert auf dem Nachweis einer charakteristischen
Kombination von klinischen, endoskopischen, radiologischen, laborchemischen und pathomorphologischen
Befunden. Einen definierten Goldstandard für die Diagnose gibt es nicht. Auch die
pathomorphologische Diagnostik beruht auf der synoptischen Beurteilung einer Kombination
von Charakteristika, die schwerpunktmäßig die Art und Verteilung der Entzündungsinfiltrate
sowie Veränderungen der Mukosaarchitektur betreffen [98]
[99]
[100]
[101]
[102]
[103]
[104]
[105]
[106]
[107]
[108]
[109]
[110]
[111]. Die histologischen Einzelbefunde sind hierbei für sich genommen nicht diagnostisch
diskriminierend und können zum Teil auch bei anderen Formen entzündlicher Darmerkrankungen
auftreten.
Morphologische Kriterien, die im Rahmen der histopathologischen Beurteilung von Darmbiopsien
zur Diagnose eines Morbus Crohn herangezogen werden, sind:
-
diskontinuierliche Störung der Krypten-/Villusarchitektur, Kryptenatrophie,
-
diskontinuierliche, fokale/fleckförmige Entzündung mit einem vermehrten Infiltrat
aus Lymphozyten und Plasmazellen,
-
Plasmozytose im basalen Schleimhautstroma,
-
epitheloidzellige Granulome,
-
Panethzell-Metaplasien distal der rechten Kolonflexur,
-
fokale Reduktion des Muzingehalts und/oder der Anzahl von Becherzellen, Präservation
von Muzin im Randbereich von Ulzerationen/Erosionen.
Eine Störung der Krypten-/Villusarchitektur beinhaltet Irregularitäten in Form, Orientierung
und Größe der Krypten mit irregulären Verzweigungen (> 10 % der Krypten; mehr als
2 verzweigte, nicht parallel orientierte Krypten in einer Biopsie) [105]
[107]
[109]
[111]. Unter Kryptenatrophie versteht man eine verminderte Kryptendichte (Distanz von
mehr als einem Kryptenquerschnitt zwischen zwei benachbarten Krypten) und/oder eine
Distanzbildung zwischen Kryptenbasis und der Lamina muscularis mucosae, zumeist verbunden
mit einem basal vermehrten mononukleären, plasmazellreichen Infiltrat [103]
[104]
[107]
[109]. Fokale/fleckförmige chronische Entzündung beinhaltet einen herdförmig gesteigerten
Gehalt an mononukleären Zellen der Lamina propria unter Einbeziehung der mittleren
und basalen Schleimhautabschnitte [103]
[107]. Eine basale Plasmozytose ist definiert durch den Nachweis von Plasmazellen in den
basalen Bezirken (1 / 5) der Lamina propria oder zwischen der Kryptenbasis und der
Lamina muscularis mucosae (subkryptal) [104]
[105].
Epitheloidzellige Granulome bei Morbus Crohn sind fokale Ansammlungen (> 5 Zellen)
epitheloidzellig transformierter Makrophagen/Histiozyten mit oder ohne Ausbildung
mehrkerniger Riesenzellen und ohne Nekrosen [107]
[112]. Der Nachweis gut ausgebildeter, basal orientierter und abseits von entzündlich
alterierten Krypten gelegener mukosaler Granulome dieser Art besitzt bei entsprechender
Befundkonstellation einen hohen diagnostischen Stellenwert [99]
[102]
[103]
[108]
[109]
[110], ist jedoch von limitierter Sensitivität (ca. 20 – 50 %) [99]
[103]
[108]
[109]
[110]
[113]. Die bioptische Diagnose eines Morbus Crohn erfordert daher nicht zwingend einen
positiven Granulomnachweis. Kryptenassoziierte Granulome und Riesenzellen werden u.
a. auch bei der Colitis ulcerosa gefunden und besitzen eine geringere Spezifität [112]. Bei Vorliegen von Granulomen sind infektiöse Darmerkrankungen differenzialdiagnostisch
zu berücksichtigen (Mykobakteriose, Yersiniose, Chlamydieninfektion, Salmonellose
u. a.).
Die bioptische Diagnose eines Morbus Crohn in Abgrenzung zur Colitis ulcerosa und
anderen entzündlichen Darmerkrankungen stützt sich im Wesentlichen auf einen topografisch
variabel ausgeprägten, diskontinuierlichen Nachweis der genannten histopathologischen
Veränderungen im Darm. Daher sollten zumindest im Rahmen der Erstdiagnostik Stufenbiopsien
aus dem Ileum und aus allen Kolonabschnitten unter Einbeziehung des Rektums gewonnen
werden, wobei auch endoskopisch nicht entzündete bzw. weniger betroffene Areale einzuschließen
sind (getrennte Einsendung von Biopsien unterschiedlicher Lokalisation mit entsprechenden
Angaben). Die diagnostische Aussagekraft kann so im Vergleich zu singulären bzw. nicht
systematischen Biopsien deutlich gesteigert werden [37]
[99]
[100]
[114].
Bei Patienten mit fulminanter Kolitis sollte die Biopsieentnahme den individuellen
Gegebenheiten angepasst werden. Eine Immersionsfixierung der Gewebeproben in neutral
gepuffertem Formalin oder einer gleichwertigen Fixierungslösung unmittelbar nach Probenentnahme
ist erforderlich. Die Detektion fokaler Befunde kann durch eine Aufarbeitung der bioptischen
Proben in Stufen- oder Serienschnitten verbessert werden [115]
[116].
Unter den genannten Voraussetzungen kann die histopathologische Diagnose eines Morbus
Crohn an Mukosabiopsien mit einer Sensitivität und Spezifität von etwa 60 – 70 % [99]
[100]
[101]
[106]
[111], in einigen Studien von bis über 90 % gestellt werden [108]
[109]
[110], zumindest bei aktiver Erkrankung. Einige Autoren propagieren die Beurteilung der
oben genannten Kriterien anhand von standardisierten Score-Schemata mit numerischen
Koeffizienten [108]
[109]
[110]. Zur Etablierung der Diagnose ist der Nachweis mehrerer der genannten histopathologischen
Kriterien (zumindest 2 – 3), bei Anwesenheit epitheloidzelliger Granulome zumindest
ein weiteres Kriterium (diskontinuierliche chronische Entzündung, Architekturstörung
der Schleimhaut) zu fordern. Topografische Aspekte (Ileumbeteiligung, Fehlen einer
distalen Entzündungsakzentuierung im Kolon) und der fehlende Nachweis einer kontinuierlich
ausgebildeten, transmukosalen Entzündung mit diffuser Störung der Schleimhautarchitektur
können zur Abgrenzung gegen eine Colitis ulcerosa herangezogen werden.
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das morphologische Erscheinungsbild chronisch-entzündlicher
Darmerkrankungen biologischen Variationen unterliegt und zudem durch die Therapie
modifiziert werden kann [117]
[118]. So kann es im Verlauf einer Colitis ulcerosa durchaus zur diskontinuierlichen Ausprägung
des Entzündungsbilds, auch mit Aussparung des Rektums, kommen [119]. Insbesondere bei pädiatrischen CED-Patienten (< 10 Jahre) ist auch ohne vorangegangene
Therapie mit abweichenden Mustern zu rechnen [120]
[121]
[122]. Informationen zur Anamnese, Erkrankungsdauer, Art und Dauer der Therapie und zum
Patientenalter sind daher für eine effiziente histopathologische Befundung erforderlich.
Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die differenzialdiagnostische Abgrenzung
idiopathischer chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen von anderweitigen, ätiologisch
oder phänotypisch definierten Entzündungsformen wie infektiösen Enterocolitiden, Ischämiereaktionen,
medikamentös bedingten (z. B. NSAR, Zytostatika) oder therapieassoziierten Entzündungen
(z. B. diversionsassoziierte Entzündung), divertikelkrankheitsassoziierte Kolitis,
obstruktive/distensionsbedingte Entzündungen, Mukosaprolaps-Syndrom, lymphozytäre/kollagene
Kolitis, allergische Reaktionen, eosinophile Enterocolitis u. a. [123]
[124]
[125].
Die Diagnose eines Morbus Crohn kann in problematischen Fällen durch ösophago-gastro-duodenale
Biopsien erhärtet werden [126]
[127]. Insbesondere der Nachweis einer granulomatösen Entzündung hat bei entsprechender
Konstellation eine hohe diagnostische Spezifität (> 90 %). Der Befund einer diskontinuierlichen,
sog. fokal-aktiven Gastritis spricht bei erwachsenen Patienten ebenfalls für einen
Morbus Crohn [128]
[129], ist jedoch bei Kindern mit Vorsicht zu interpretieren (eine fokale Gastritis wurde
in einer Fallserie bei > 20 % der pädiatrischen Patienten mit Colitis ulcerosa gefunden
[130]).
Die histopathologische Einordnung der Entzündungsaktivität bei entzündlichen Darmerkrankungen
orientiert sich am Ausmaß der Gewebeinfiltration durch segmentkernige neutrophile
Granulozyten und der hiermit assoziierten Schädigung des Darmepithels mit neutrophiler
Epithelinvasion, Ausbildung von Kryptitisherden und Kryptenabszessen bis hin zu erosiven
und ulzerösen Läsionen [103]
[106]
[107]
[109]. Im Gegensatz zur Situation bei der Colitis ulcerosa ist eine Beurteilung der histologischen
Entzündungsaktivität anhand von Score-Systemen beim Morbus Crohn wegen des nicht selten
topografisch umschriebenen, diskontinuierlichen Charakters der Veränderungen nicht
generell etabliert. Histologischer Befund und klinische Krankheitsaktivität korrelieren
beim individuellen Patienten nur bedingt miteinander [131]. Aus Therapiestudien gibt es allerdings Hinweise auf die Assoziation zwischen klinischer
Besserung und Rückgang aktiver histologischer Veränderungen [132]. Ein aktives morphologisches Bild ist mit dem Auftreten rezidivierender Erkrankungsschübe
assoziiert [133]. Eine Beurteilung der Entzündungsaktivität ist daher insbesondere im Hinblick auf
die Verlaufsbeurteilung von Interesse.
Pathomorphologische Diagnostik an Operationspräparaten
Statement 2.5
Die Aufarbeitung von Operationspräparaten bei Morbus Crohn erfordert eine systematische
makromorphologische Begutachtung. Nach äußerer Besichtigung wird das Darmpräparat
in der Längsachse eröffnet (antimesenterial). Es sollten Proben aus verschiedenen
Darmabschnitten (Kolonsegmente, terminales Ileum/Dünndarm, Appendix) unter Einbeziehung
von Lymphknoten für die histopathologische Untersuchung asserviert werden (C).
Kommentar
Einige der charakteristischen Veränderungen bei Morbus Crohn betreffen insbesondere
die submukösen und tieferen Schichten der Darmwand und erschließen sich daher erst
am Operationspräparat der pathomorphologischen Beurteilung.
Charakteristische Befunde, die zur Diagnose eines Morbus Crohn am Operationspräparat
herangezogen werden, sind [134]
[135]
[136]
[137]:
Makroskopie
-
segmentale, diskontinuierliche Entzündung mit Strikturen, Stenosen, Darmwandverbreiterung
-
sklerolipomatöser Überwuchs („Fat wrapping”), Serositis, Darmwandadhäsionen
-
aphthoide Läsionen, lineare und fissurale Ulzerationen, Pflastersteinrelief
-
Fisteln
-
Ileum-/Dünndarmbeteiligung, keine regelhafte Rektumbeteiligung
-
perianale Läsionen
Mikroskopie
-
transmurale chronische Entzündung (unter Einbeziehung der Muskularis propria und Subserosa/Adventitia)
mit lymphoiden Aggregaten
-
Verbreiterung der Submukosa mit Ödem, Lymphangiektasien, submuköser Fibrose
-
neuromatöse Hyperplasie, ggf. Ganglionitis
-
transmurale Fissuren und Fisteln
-
intramurale epitheloidzellige Granulome, granulomatöse Lymphadenitis
Es gibt bislang keinen Richtwert bezüglich der optimalen Anzahl von Proben, die aus
einem Darmresektat entnommen werden sollten. Die Entnahme multipler Proben erhöht
allerdings die diagnostische Aussagekraft. In Analogie zum Vorgehen bei Biopsieentnahmen
sollten sowohl makroskopisch entzündete als auch makroskopisch nicht bzw. weniger
betroffene Areale untersucht werden.
Histopathologische Diagnostik von intraepithelialen Neoplasien (IEN)
Statement 2.6
Die Diagnose und Graduierung intraepithelialer Neoplasien (früher: Dysplasien) bei
Morbus Crohn mit Kolonbeteiligung erfolgt nach den gleichen histopathologischen Kriterien
(WHO) wie bei der Colitis ulcerosa (B).
Statement 2.7
Wie bei der Colitis ulcerosa ist auch beim Morbus Crohn die Unterscheidung sporadischer
Adenome von sogenannten DALM-Läsionen (dysplasieassoziierte Läsion oder Masse) notwendig,
da sich das klinische Management sporadischer Adenome von dem kolitisassoziierter
intraepithelialer Neoplasien unterscheidet. Das Patientenalter, die Lokalisation und
Morphologie der Läsion sowie Biopsien aus der umgebenden flachen Mukosa können bei
der Entscheidungsfindung hilfreich sein (B).
Statement 2.8
Bei Diagnose einer intraepithelialen Neoplasie muss eine unabhängige Zweitmeinung/Referenzbegutachtung
eingeholt werden (D).
Kommentar
In Abhängigkeit von der Dauer und Ausdehnung der Erkrankung wird Patienten mit Morbus
Crohn ein erhöhtes Risiko zur Entwicklung kolorektaler Adenokarzinome (relatives Risiko
ca. 2,5- bis 3-fach) und von Dünndarmkarzinomen (bis > 30-fach) zugeschrieben [83]
[84]
[138]
[139]
[140]
[141]. Intraepitheliale Neoplasien (IEN, früher: Dysplasien) sind eindeutig neoplastische
Läsionen des Darmepithels, die in der Umgebung, aber auch abseits von bereits manifesten
Karzinomen bei Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen gefunden werden
und als Indikatorläsion eines gesteigerten individuellen Karzinomrisikos gelten [142]. Sie sind charakterisiert durch adenomähnliche strukturelle Veränderungen des Darmepithels
(tubuläre und/oder villöse drüsige Formationen, Sprossphänomene, mehrreihige Epithelstrukturen)
verbunden mit nukleären Atypien (Hyperchromasie, Anisonukleose, Polaritätsverlust,
Mitosefiguren). Im Rahmen der IEN-Karzinom-Sequenz stellen IEN potenzielle Vorläuferläsionen
invasiver Karzinome dar. Das Auftreten von IEN wird analog zur Situation bei der Colitis
ulcerosa auch bei Patienten mit Morbus Crohn beobachtet, das morphologische Erscheinungsbild
ist bei beiden Erkrankungen gleich [143]
[144]. Die histopathologische Diagnose einer IEN erfolgt nach den Kriterien der WHO auf
der Basis der Vorschläge der Wien-Klassifikation [145]
[146]. Zur bioptischen Abklärung einer IEN wird die Entnahme einer möglichst großen Zahl
von systematischen Stufenbiopsien empfohlen [139]
[142]
[147]. Verfahren der hochauflösenden Endoskopie mit Chromoendoskopie können die Detektionsrate
erhöhen [148]
[149].
Abhängig vom Ausmaß der neoplastischen Veränderungen des Darmepithels sollte eine
histopathologische Unterteilung in IEN von niedrigem und hohem Neoplasiegrad („low
grade” IEN, „high grade” IEN) vorgenommen werden. Niedriggradige IEN müssen differenzialdiagnostisch
von entzündungsassoziierten oder anderweitig reaktiv bedingten Veränderungen des Darmepithels
abgegrenzt werden, was im Einzelfall problematisch sein kann. Weiterhin ist eine Kategorisierung
in flache IEN versus tumorös erhabene (endoskopisch sichtbare) IEN von Bedeutung.
IEN in Form makroskopisch identifizierbarer, unregelmäßig begrenzter nodulärer oder
polypoider Strukturen, samtartiger oder verruköser flächenhaft-beetartiger Areale
und/oder plaqueartig indurierter Läsionen werden unter dem Oberbegriff DALM (dyplasieassoziierte
Läsion oder Masse) zusammengefasst [150] und gehen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit einer Progression zum Karzinom bzw.
eines bereits koexistenten Karzinoms einher. Der Nachweis flacher hochgradiger IEN
ist ähnlich kritisch zu bewerten [151].
Bei Vorliegen einer IEN in Form einer scharf begrenzten polypoiden Läsion mit glatter
Oberfläche (flach aufsitzend oder gestielt) ist differenzialdiagnostisch ein mögliches
sporadisches Adenom bzw. eine sogenannte adenomartige IEN (ALM; „adenoma-like mass”)
abzugrenzen. Es hat sich gezeigt, dass unter bestimmten Voraussetzungen (singuläre
Befunde, Fehlen koexistenter flacher IEN, Verlaufsbeobachtung) eine lokale Abtragung
solcher Läsionen eine gangbare Therapie darstellt [152]
[153]
[154]
[155]. Kriterien, die bei der Abgrenzung zwischen CED-assoziierter IEN/DALM und einem
möglichen sporadischen Adenom genutzt werden können, betreffen das Patientenalter
(< / > 60 Jahre), die Lokalisation und den makroskopischen Aspekt der Läsion (s. o)
sowie histopathologische Charakteristika. Der Nachweis eines abrupten Übergangs zwischen
neoplastischen Drüsen und der umgebenden Mukosa, eine gleichmäßige Konfiguration der
neoplastischen Drüsen mit apikaler/luminaler Lokalisation der Proliferationszone und
spärlichem Stroma sowie ein fehlender Wechsel zwischen normalen und intraepithelial
neoplastischen Epithelien an der Polypenoberfläche sprechen für eine Einordnung als
Adenom bzw. adenomartige Läsion [154]
[155]
[156].
Bezüglich der Einschätzung des Potenzials niedriggradiger flacher IEN zur neoplastischen
Progression und der Implikationen für das Management von Patienten existieren derzeit
kontroverse Resultate [157]
[158]
[159]
[160]. Da auch der Befund einer flachen niedriggradigen IEN gegebenenfalls Konsequenzen
für das weitere Vorgehen hat, besteht Konsensus, dass die Diagnose einer IEN durch
eine unabhängige Zweitmeinung/Referenzbegutachtung überprüft werden soll. In diesem
Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass bei der histopathologischen Klassifikation
von IEN eine relativ hohe Variabilität zwischen unabhängigen Untersuchern besteht,
speziell bei der Beurteilung von Läsionen mit einem niedrigen Grad der intraepithelialen
Neoplasie [159]
[161].
Teil III Therapie
Teil III Therapie
3. Akuter Schub
Einführung
Weder medikamentöse noch chirurgische Maßnahmen stellen eine kausale Therapie des
Morbus Crohn (M. Crohn) dar. Da die Erkrankung nicht geheilt werden kann, haben medikamentöse
Therapie und die Ernährungstherapie das Ziel, durch Verringerung der Entzündungsaktivität
die klinische Symptomatik möglichst langfristig zu verbessern, die Lebensqualität
des Patienten zu steigern und einen Verlust der Darmfunktion zu verhindern. Bei der
in Abstimmung mit dem Patienten zu treffenden Auswahl medikamentöser Therapieansätze
sind die Krankheitsaktivität, das Befallsmuster, das Vorhandensein extraintestinaler
Manifestationen, potenzielle Nebenwirkungen der Medikamente und das Ansprechen auf
Vorbehandlungen zu bedenken. Außerdem sind der Ernährungszustand sowie Mangelzustände
zu berücksichtigen [162]
[163]. Schwierig ist die objektive Erfassung und die Prognose der Krankheitsaktivität;
zahlreiche epidemiologische Studien weisen auf Subpopulationen mit niedriger Krankheitsaktivität
und seltenen Schüben (Patienten mit guter Prognose) im Gegensatz zu Patienten mit
therapierefraktären Verläufen oder chronischer Krankheitsaktivität hin (Patienten
mit ungünstiger Prognose).
Für die Behandlung pädiatrischer Patienten basieren die Empfehlungen meist nicht auf
den Ergebnissen kontrollierter Studien, sondern auf einer Übertragung der Ergebnisse
aus Therapiestudien bei Erwachsenen. Die Besonderheiten der medikamentösen Therapien
(Wirkungen, Nebenwirkungen, Patientenzuverlässigkeit) im Kindesalter (insbesondere
bei Kindern vor und während der Pubertät), der Auswirkungen von Krankheit und Therapie
auf Wachstum und psychosoziale Entwicklung müssen beachtet werden. Kinder und Jugendliche
mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) sollten daher durch einen Kinder-
und Jugendarzt mit Expertise in Gastroenterologie (Kindergastroenterologe) mitbetreut
werden.
Morbus Crohn mit Ileozökalbefall
Leichte Entzündungsaktivität
Statement 3.1
Budesonid ist in dieser Situation die Therapie der Wahl (A). Die therapeutische Wirksamkeit
von Mesalazin ist begrenzt (A). Antibiotika können nicht empfohlen werden (B). Bei
leichten Beschwerden kann eine symptomatische Therapie genügen (D).
Kommentar
Die Therapie mit 9 mg Budesonid pro Tag (als Einmalgabe oder verteilt über drei Einzeldosen)
ist effektiv und der Behandlung mit 5–ASA überlegen [164]. Mit dieser Therapie wird in 51 – 60 % der Patienten innerhalb von 8 – 10 Wochen
eine Remission erreicht. Diese Behandlung ist nebenwirkungsarm und Steroidnebenwirkungen
treten signifikant seltener auf als bei systemischer Glukokortikoidbehandlung [165]
[166]
[167]
[168]
[169]
[170]. Es besteht eine Dosis-Wirkungs-Abhängigkeit.
Eine generelle Indikation für Mesalazin-Präparate besteht nicht; eine Metaanalyse
zeigte für 5–ASA (4 g/Tag) im Vergleich zu Placebo auch bei Patienten mit einem ileozökalen
Befallsmuster zwar einen statistisch signifikanten Effekt, dessen klinische Bedeutung
ist aufgrund seiner geringen Ausprägung jedoch unklar [171]. Die Wirksamkeit von Mesalazin zur Induktion einer Remission ist auch bei Kindern
mit aktivem Morbus Crohn nicht belegt.
Bei Patienten mit niedriger Krankheitsaktivität, insbesondere ohne extraintestinale
Manifestationen, kann eine Ernährungstherapie erfolgen [163] oder auch eine symptomatische Therapie, z. B. mit Analgetika (Paracetamol, Metamizol),
Spasmolytika und niedrig dosierten Antidiarrhoika, ausreichen. Hierfür sprechen auch
die relativ hohe Remissionsraten (bis zu 40 %), die bei der Placebotherapie in kontrollierten
Studien beobachtet werden [172].
Antibiotika haben zur Behandlung der Grunderkrankung keinen gesicherten Stellenwert,
auch wenn einzelne kleinere Studien therapeutische Effekte (z. B. für Rifaximin [173]) andeuten [173]
[174]
[175]
[176]
[177]
[178]
[179]
[180]. Größere kontrollierte Studien, in denen Antibiotika mit den etablierten Standardtherapien
verglichen wurden, fehlen. Auch die gegen Mykobakterien gerichtete antibiotische Kombinationstherapie
zeigte sich in einer großen Langzeitstudie im Vergleich zu Placebo als nicht wirksam
[181].
Mäßige Entzündungsaktivität
Statement 3.2
Patienten mit Ileozökalbefall und mäßiger Entzündungsaktivität sollten vorzugsweise
mit Budesonid oder systemisch wirkenden Glukokortikoiden behandelt werden (A). Die
enterale Ernährungstherapie ist ebenfalls effektiv und kann bei ausgewählten Patienten
angewandt werden (A).
Statement 3.3
Antibiotika sollten bei Verdacht auf infektiöse Komplikationen im Rahmen der Grunderkrankung
zusätzlich verabreicht werden (D).
Kommentar
Beim mäßiggradig aktiven Morbus Crohn ist die Wirkung von Budesonid im Vergleich zu
einer systemisch wirkenden Steroidtherapie (1 mg/kg KG/Tag) geringer, es treten aber
auch deutlich weniger Nebenwirkungen auf [164]. Durch eine Prednison/Prednisolon-Behandlung mit 1 mg/kg KG/Tag kann bei bis zu
92 % der Patienten innerhalb von 6 Wochen eine Remission erreicht werden [182]
[183].
Die Ernährungstherapie mit sondenapplizierten Diäten ist bei Erwachsenen insgesamt
den anti-inflammatorischen Behandlungsstrategien, z. B. mit Prednison unterlegen.
Insbesondere der Aufwand bei der länger dauernden Applikation und die fehlende Bereitschaft
bzw. Akzeptanz durch die Patienten limitieren den Einsatz. Bei Patienten mit guter
Therapietreue, insbesondere bei Patienten mit deutlich erniedrigtem Körpergewicht,
sind sie ähnlich wie Steroide wirksam und können somit angewandt werden [163]
[184]
[185]. Bezüglich detaillierter Empfehlungen zur enteralen und parenteralen Ernährung wird
über diese Leitlinienempfehlungen hinaus auf die aktuellen Empfehlungen der Europäischen
Gesellschaft für parenterale und enterale Ernährung und der Deutschen Gesellschaft
für Ernährungsmedizin verwiesen [163]
[186]. Im Falle einer Mangelernährung ist eine enterale Sondenernährung und/oder Trinknahrung
mit hochmolekularen Lösungen indiziert. Spezifische Defizite (Spurenelemente, Vitamine
und Eisen) sollten korrigiert werden, wobei die Gabe von Eisen bei Krankheitsaktivität
nur parenteral erfolgen sollte [163]
[187].
Manchmal ist es schwierig, zwischen der Krankheitsaktivität und septischen Komplikationen
zu unterscheiden; in diesen Situationen (Fieber, lokale Abwehrspannung) können Antibiotika
zusätzlich eingesetzt werden. Sie haben jedoch z. B. in einer Kombinationstherapie
mit Budesonid keinen zusätzlichen remissionsinduzierenden Effekt [188]. Beim Nachweis von Abszessen durch bildgebende Verfahren sind neben Antibiotika
drainierende Therapieverfahren indiziert bzw. primäre chirurgische Behandlungsoptionen
zu prüfen.
Hohe Entzündungsaktivität
Statement 3.4
Morbus Crohn Patienten mit Ileozökalbefall und hoher Entzündungsaktivität sollten
initial mit systemisch wirkenden Glukokortikoiden behandelt werden (A).
Statement 3.5
Bei inkomplettem Ansprechen sollten zusätzlich zu systemisch wirkenden Glukokortikoiden
Azathioprin bzw. 6-MP als Immunsuppressiva (oder, falls Unverträglichkeiten bestehen
bzw. Nebenwirkungen auftreten, Methotrexat) eingesetzt werden (A). Die Behandlung
mit Antikörpern gegen TNF-α sollte bei Nichtansprechen auf Glukokortikoide und Immunsuppressiva
bzw. bei Nebenwirkungen dieser Therapieformen – nach Ausschluss chirurgischer Therapieoptionen
– durchgeführt werden (A). Im Einzelfall können bei Persistenz der hohen Krankheitsaktivität
trotz adäquater Steroiddosis oder Kontraindikation für Glukokortikoide anti-TNF-α-Antikörper
vor Immunsuppressiva eingesetzt werden (A).
Kommentar
Da in dieser Situation ein möglichst rasches Ansprechen erreicht werden soll, sind
systemisch wirkende Steroide (1 mg/kg KG/Tag) Medikament der ersten Wahl [183], bei Kindern und Jugendlichen ist die ausschließliche Ernährungstherapie die Therapie
der 1. Wahl (siehe 3.22). Zur Therapie des steroidrefraktären Verlaufs s. u.
Colitis Crohn
Statement 3.6
Patienten mit Crohn-Kolitis mit leichter bis mäßiger Aktivität sollten entweder mit
Sulfasalazin oder systemisch wirksamen Glukokortikoiden behandelt werden (A).
Statement 3.7
Bei distalem Befall sollten begleitend Suppositorien, Klysmen oder Schäume (5–ASA,
Steroide) eingesetzt werden (D).
Statement 3.8
Für Patienten mit hoher Krankheitsaktivität gelten dieselben Therapieprinzipien wie
für Patienten mit Ileozökalbefall (A).
Statement 3.9
Bei Patienten mit Frührezidiv sollte Azathioprin bzw. 6-Mercaptopurin zusätzlich (oder,
falls Unverträglichkeiten bestehen bzw. Nebenwirkungen auftreten, Methotrexat) eingesetzt
werden (B).
Kommentar
Bei Patienten mit Crohn-Kolitis ist die Therapie mit Salazosulfapyridin (3 – 6 g/Tag)
wirksam [189]
[190]; wichtig ist die relativ hohe Nebenwirkungsrate, die zum Abbruch der Therapie bei
über 30 % der Patienten führt. Extraintestinale Manifestationen, insbesondere Arthritiden,
stellen zusätzliche Indikationen für diese Therapie dar [191]. Für die Akutbehandlung mit 5–ASA-Präparaten (unabhängig der verschiedenen galenischen
Formen) besteht kein Wirkungsnachweis.
Systemisch wirkende Steroide sind in der Akuttherapie effektiv [183]
[189]
[190]. Für Budesonid (9 mg/Tag) besteht bei Patienten mit isoliertem Kolonbefall nur eine
stark eingeschränkte Wirkung – vermutlich aus galenischen Gründen. Bei Patienten,
die im Rahmen eines Ileozökalbefalls entzündliche Veränderungen nur im proximalen
Kolon haben, kann Budesonid bei niedriger Krankheitsaktivität versucht werden [192].
Ein distaler Befall, insbesondere ein perianaler Befall, ist ein prognostisch ungünstiger
Parameter [193]; die therapeutischen Möglichkeiten sind limitiert. So gibt es Patienten mit Morbus
Crohn, bei denen einzig der perianale Befall mit seinen Symptomen und Komplikationen
(siehe dazu auch Fisteltherapie) das Krankheitsbild bestimmt. Aufgrund fehlender Studien
besteht für den Einsatz topischer 5–ASA- oder Steroid-Präparate (Suppositorien, Klysmen
oder Schäume) kein sicherer Wirksamkeitsnachweis. Für den Einsatz dieser Präparate
bestand jedoch bei den Experten ein sehr hoher Konsens.
Ausgedehnter Dünndarmbefall
Statement 3.10
Ein Morbus Crohn mit ausgedehntem Dünndarmbefall sollte mit systemisch wirkenden Glukokortikoiden
behandelt werden (B).
Statement 3.11
Bei mäßiger bis schwerer Krankheitsaktivität sollte diese Therapie frühzeitig durch
eine immunsuppressive Therapie mit Azathioprin bzw. 6-MP (oder, falls Unverträglichkeiten
bestehen, Methotrexat) ergänzt werden (C). Die Behandlung mit Antikörpern gegen TNF-α
sollte bei Nichtansprechen auf Glukokortikoide und Immunsuppressiva nach Ausschluss
chirurgischer Therapieoptionen durchgeführt werden. Im Einzelfall können bei Persistenz
der hohen Krankheitsaktivität trotz adäquater Steroiddosis oder Kontraindikationen
für Glukokortikoide anti-TNF-α-Antikörper vor Immunsuppressiva eingesetzt werden (B).
Statement 3.12
Da bei Patienten mit Dünndarmbefall eine Mangelernährung droht, sollte eine enterale
Ernährungstherapie frühzeitig in Betracht gezogen werden (C).
Kommentar
Die Langzeitfolgen eines ausgedehnten Dünndarmbefalls mit den Auswirkungen der Malabsorption,
aber auch die Gefahren des Kurzdarmssyndroms nach (wiederholten) chirurgischen Eingriffen
begründen bei betroffenen Patienten eine frühzeitig einsetzende, intensivierte medikamentöse
Therapie. Diese Patienten können auf systemisch wirkende Steroide ansprechen. Budesonid
ist nicht geeignet. Bei unzureichendem Ansprechen ist der zusätzliche Einsatz von
Azathioprin/ 6-Mercaptopurin bzw. bei Unverträglichkeiten Methotrexat effektiv. Grundsätzlich
stellt ein Dünndarmbefall keine Kontraindikation für chirurgische Therapieverfahren
dar. Die Behandlung sollte in Zentren durchgeführt werden, die über eine entsprechende
Expertise verfügen, um ausgiebige Resektionen und damit ein Kurzdarmsyndrom zu vermeiden
[194]
[195]. Bei einer entzündlichen und/oder langstreckigen Stenose sollte eine antientzündliche
Therapie bevorzugt werden.
Größere Studien, insbesondere randomisierte Studien, die ausschließlich bei Patienten
mit ausgedehntem Dünndarmbefall unterschiedliche Medikamente miteinander verglichen
hätten, liegen nicht vor [196]. Die Empfehlungen wurden daher abgeleitet aus Studien, in denen zumeist Patienten
mit Ileozökalbefall oder Kolitis eingeschlossen waren. Wahrscheinlich sind die Ergebnisse
dieser Studien übertragbar.
Bei der Diskussion der verschiedenen medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten wurde
in der Paneldiskussion aufgrund der ungünstigen Prognose, der negativen Folgen der
Malnutrition und der Gefahr des Kurzdarmsyndroms bei diesen Patienten die Meinung
vertreten, auch anti-TNF-α-Antikörper frühzeitig in die Therapie bei diesen Patienten
mit aufzunehmen. So konnte in verschiedenen Post-hoc-Analysen gezeigt werden, dass
das Ansprechen von Patienten mit Morbus Crohn mit kurzer Krankheitsdauer auf eine
anti-TNF-α-Antikörper-Behandlung günstiger ist als bei Patienten mit längerer Krankheitsdauer
[197]
[198]. Ob dieses jedoch auch auf Patienten mit ausgedehntem Dünndarmbefall zu trifft,
ist unklar.
Bei Kindern und Jugendlichen mit isoliertem Dünndarmbefall ist die ausschließliche
Ernährungstherapie die Therapie der 1. Wahl (siehe 3.22).
Befall des Ösophagus und Magens
Statement 3.13
Bei Befall des Ösophagus sollten bei relevanter Krankheitsaktivität primär systemisch
wirkende Glukokortikoide eingesetzt werden (B).
Statement 3.14
Auch bei symptomatischem gastro-duodenalem Befall sollten primär systemisch wirkende
Glukokortikoide in Kombination mit PPI eingesetzt werden. (C)
Statement 3.15
Der frühzeitige Einsatz von Azathioprin/ 6-Mercaptopurin (oder, falls Unverträglichkeiten
bestehen bzw. Nebenwirkungen auftreten, Methotrexat) ist zu erwägen (D).
Statement 3.16
Eine immunsuppressive Behandlung ist insbesondere bei stenosierenden Komplikationen
im oberen GI-Trakt indiziert (D). Die Indikation für eine Dilatationsbehandlung bzw.
chirurgische Therapie ist bei Stenosesymptomatik zu überprüfen (D).
Statement 3.17
Die Therapie mit Antikörpern gegen TNF-α ist eine Option bei therapierefraktärem Verlauf
(B).
Kommentar
Kontrollierte Studien zur Therapie bei Patienten mit Morbus Crohn des oberen Gastrointestinaltrakts
(Ösophagus, Magen, Duodenum) fehlen, die Behandlungsempfehlungen basieren auf kleineren
Fallserien und Expertenempfehlungen [199]
[200]. In der Regel ist frühzeitig eine Behandlung mit systemisch wirkenden Steroiden
in Kombination mit Protonenpumpeninhibitoren notwendig [201].
Steroidrefraktärer Verlauf
Statement 3.18
Der steroidrefraktäre Morbus Crohn sollte mit Azathioprin/ 6-MP (oder, falls Unverträglichkeiten
bestehen, Methotrexat) behandelt werden (A).
Statement 3.19
Wenn keine infektiösen Komplikationen vorhanden sind, wenn kein Ansprechen auf diese
immunsuppressive Therapie erfolgt, wenn Kontraindikationen für diese bestehen oder
wenn ein schnelles Ansprechen notwendig ist, ist eine zusätzliche Therapie mit Antikörpern
gegen TNF-α indiziert. Chirurgische Therapieoptionen sollten vorher erwogen und in
die Diskussion miteinbezogen werden. (A).
Kommentar
Azathioprin (2,0 – 2,5 mg/kg KG/Tag) bzw. 6-Mercaptopurin (1,0 – 1,5 mg/kg KG/Tag)
haben einen steroideinsparenden Effekt und wirken remissionsinduzierend und -erhaltend
bei einem insgesamt günstigen Nebenwirkungsprofil [202]
[203]. Eine langsame Dosissteigerung bis zum Erreichen der therapeutischen Dosierung (s.
o.) kann mitunter gastrointestinale Nebenwirkungen verhindern, die sofortige Gabe
der vollen therapeutischen Dosis führt möglicherweise jedoch zu einem dementsprechend
schnelleren Wirkungseintritt. Klare Evidenzen, die das eine oder andere Vorgehen begründen,
gibt es nicht; in einer retrospektiven Studie konnte gezeigt werden, dass ein Beginn
der Therapie mit der vollen therapeutischen Dosis mit einer höheren Abbruchrate wegen
Nebenwirkungen assoziiert ist [204].
MTX ist eine geeignete Alternative (25 mg i. m./Woche) [205]
[206]. Auch in Fallserien an pädiatrischen Patienten mit aktivem Morbus Crohn, die auf
Azathioprin nicht ansprachen, erreichten 65 – 80 % der Patienten durch MTX (15 mg/m2 KOF i. m.) eine Remission [207]
[208]
[209]
[210].
In den großen kontrollierten Studien, die die Wirkung von anti-TNF-α-Antikörpern bei
Patienten mit therapierefraktärem Verlauf überprüfen, ist nur ein Teil der Patienten
mit Glukokortikoiden vorbehandelt. Die Ergebnisse dieser Studien können also nur eingeschränkt
auf Patienten übertragen werden, die auf eine hoch dosierte Steroidmedikation (1 mg/kg KG)
nicht ansprechen [211]
[212].
Man kann davon ausgehen, dass bei Patienten, bei denen durch die Behandlung mit systemisch
wirkenden Steroiden innerhalb eines adäquaten Zeitraums (der auch durch die Krankheitsaktivität
bestimmt wird) keine Remission erreicht werden kann, die Behandlung mit Antikörpern
gegen den Tumor-Nekrose-Faktor-α (Infliximab, Adalimumab) zu einem Therapieerfolg
in bis zu 70 % der Patienten führt [211]
[212]
[213]
[214]
[215], der sich bei 40 % der Patienten, die initial auf die Therapie ansprachen, auch
langfristig stabilisieren lässt [216]
[217]
[218]
[219]. Dieses Subkollektiv entspricht 20 – 25 % der Ausgangspopulation. Die verschiedenen
Antikörper sind trotz unterschiedlicher molekularer Wirkungsmechanismen in ihrem therapeutischen
Effekt anscheinend gleichwertig, auch wenn direkte Vergleichsstudien fehlen [220]. Daneben ermöglichen anti-TNF-α-Antikörper die Dosisreduktion einer Glukokortikoidtherapie.
Nach anti-TNF-α-Therapie findet sich in unkontrollierten Studien eine höhere Knochendichte
[221]
[222]
[223].
Die frühzeitige Behandlung mit anti-TNF-α-Antikörpern führt bei einem Großteil der
Patienten zu einer Abheilung von endoskopisch nachweisbaren Läsionen („Mucosal Healing”)
[224]. Ob das „Mucosal Healing” kausal mit einer besseren Prognose für die Patienten verbunden
ist oder nur einen günstigeren Verlauf der Patienten anzeigt, ist zurzeit noch unklar.
Belegt ist, dass Patienten, bei denen Ulzerationen unter einer Therapie abheilen,
bei Fortführen der Therapie eine bessere Prognose haben und z. B. seltener operiert
werden müssen [225].
Der Wirkungseintritt nach Beginn einer Therapie mit Azathioprin bzw. Methotrexat ist
im Einzelfall erst nach 6 bzw. 2 Monaten zu beobachten [226]
[227]. Der Wirkungseintritt der anti-TNF-α-Antikörper-Therapie ist unabhängig von der
Begleitmedikation (Glukokortikoide, Immunsuppressiva) oft schon nach wenigen Tagen
zu beobachten; eine Remission tritt innerhalb der ersten 2 – 6 Wochen ein. Bei hoher
Krankheitsaktivität ist somit der Zeitraum bis zum Wirkungseintritt einer Immunsuppression
mit Azathioprin/Methotrexat nicht akzeptabel. Hier ist in Abwägung mit chirurgischen
Behandlungsmöglichkeiten die Indikation zur Gabe von anti-TNF-α-Antikörpern zu prüfen.
Dabei ist die genaue Kenntnis der Anamnese, des Befallsmusters und möglicher Komplikationen
von Bedeutung. So könnte bei Patienten mit kurzstreckigem Ileozökalbefall und penetrierenden
Komplikationen (z. B. blind endenden Fisteln oder Abszessen) eine chirurgische Behandlung
indiziert sein. Ein Kolonbefall oder Befall des oberen Gastrointestinaltrakts verbunden
mit Fisteln oder bestimmte, ausgeprägte extraintestinale Komplikationen (z. B. schwere
Spondylarthropathie) favorisieren den Einsatz von Antikörpern.
Kontraindikationen für eine systemische Steroidtherapie können z. B. eine ausgeprägte
Osteoporose oder eine anamnestisch bekannte steroidinduzierte Psychose sein.
Frührezidiv
Statement 3.20
Patienten mit Frührezidiven sollten immunsuppressiv behandelt werden (C). Eine chirurgische
Intervention ist in dieser Situation als Alternative zu prüfen. (C).
Kommentar
Frühe Rezidive nach anti-entzündlicher Therapie bzw. häufige entzündliche Schübe führen
mittelfristig zu penetrierenden oder stenosierenden Veränderungen [228]. Man hofft, mit dem frühzeitigen Einsatz von Immunsuppressiva, diese Komplikationen
zu vermeiden.
Nach Resektionen treten endoskopische Frührezidive bei fast allen Patienten auf [229]
[230]. Das Ausmaß des endoskopischen Frührezidivs ist prognostisch relevant für das klinische
Rezidiv [231].
Rezidiv nach steroidabhängigem Verlauf
Statement 3.21
Kommt es in dieser Situation zu einem akuten Schub, scheint eine erneute Stoßtherapie
mit systemisch wirkenden Glukokortikoiden weniger effektiv als eine Induktionstherapie
mit anti-TNF-α-Antikörpern (D). Vor dem Hintergrund der potenziellen Nebenwirkungen
ist eine sorgfältige Abwägung beider Therapieoptionen sowie chirurgischer Therapieoptionen
notwendig (D).
Kommentar
Rezidive bei Patienten mit steroidabhängigem Verlauf sind ein therapeutisch schwierig
zu lösendes Problem. Grundsätzlich stellt der steroidabhängige Verlauf eine Indikation
für eine immunsuppressive Therapie mit Azathioprin bzw. Methotrexat dar (siehe auch
unten, Statement 4.6 Remissionserhalt mit Azathioprin/ 6-Mercaptopurin). Kommt es
bei Patienten mit steroidabhängigem Verlauf und Behandlung mit Azathioprin/ 6-Mercaptopurin
zum Rezidiv, ist die Therapietreue zu prüfen. Eine alleinige Erhöhung der Steroiddosis
im Sinne einer Steroidstoßtherapie bessert zwar in der Regel die akuten Krankheitssymptome,
stellt aber auch kurzfristig kein sinnvolles Therapiekonzept dar, da mit Reduktion
der Steroiddosis die Krankheitsaktivität wieder zu nimmt. In dieser Situation ist
– nach Ausschluss einer chirurgischen Therapieoption – eine Induktionstherapie mit
anti-TNF-Antikörpern indiziert. In einer prospektiven placebokontrollierten Studie
unter Einbeziehung einer relativ kleinen Patientenzahl konnte nachgewiesen werden,
dass aus der Induktionstherapie mit Infliximab eine signifikant gesteigerte Remissionshäufigkeit
nach 12 Monaten bei Azathioprin-naiven (52 vs. 32 %) und Azathioprin vorbehandelten
Patienten (27 vs. 12 %) resultiert [232].
Kinder und Jugendliche
Grundsätzlich gelten für Kinder und Jugendliche die gleichen Therapieempfehlungen
wie für erwachsene Patienten. Folgende Besonderheiten müssen jedoch beachtet werden:
Statement 3.22
Der Einsatz von Glukokortikoiden sollte zugunsten einer Ernährungstherapie und einer
frühzeitigen immunsuppressiven Therapie mit Azathioprin/ 6-MP (oder, falls Unverträglichkeiten
bestehen, Methotrexat) minimiert werden (B). Dabei sind insbesondere die negativen
Effekte der Glukokortikoide auf das Wachstum und die Knochendichte zu bedenken.
Statement 3.23
Die Wirksamkeit von Mesalazin zur Induktion einer Remission bei Kindern mit aktivem
Morbus Crohn ist nicht belegt (B).
Statement 3.24
Bei Wachstumsverzögerung, umschriebenem Befall oder anhaltender Krankheitsaktivitat
ist eine elektive Operation zu erwägen, u. a., um einen Wachstumsschub auslösen zu
können (D). Dabei sollte die Operationsindikation in Abhängigkeit vom Pubertätsstadium
frühzeitig gestellt werden. Pubertätsentwicklungsverzögerungen sind bei heranwachsenden
Morbus-Crohn-Patienten häufig und bedürfen keiner speziellen hormonellen Behandlung
(D). Vielmehr sind die Patienten darüber aufzuklären, dass die Pubertät verspätet
auftritt (D).
Kommentar
Bei Kindern ist eine Wachstumshemmung ein häufiges Problem. Die Ursache einer Wachstumsverzögerung
bei Morbus Crohn besteht in erster Linie in der Krankheitsaktivität an sich. Daher
sollte diese konsequent behandelt werden. Glukokortikoide (auch niedrig dosiert) haben
einen wachstumshemmenden Effekt; daher sollte eine längerfristige Gabe dieser Medikamente
unbedingt vermieden werden [233]. Bei chronischem Glukokortikoidbedarf ist der steroidsparende Effekt von Azathioprin
bzw. anti-TNF-α-Antikörpern nachgewiesen und eine Beendigung der Glukokortikoidtherapie
ist unbedingt anzustreben, ggf. auch durch eine Therapieintensivierung mit Immunsuppressiva/anti-TNF-α-Antikörpern.
Infliximab führt in einem relativ hohen Prozentsatz der pädiatrischen Patienten zur
Remission [234]. Bei absehbarer Indikation und umschriebener Lokalisation kann eine Resektion glukokortikoidsparend
und wachstumsinduzierend sein [235].
Ileozökalbefall bei Kindern und Jugendlichen
Statement 3.25
Bei Ileozökalbefall (prädominanten Dünndarmbefall) ist auch bei hoher Krankheitsaktivität
die Ernährungstherapie Behandlung der 1. Wahl (A).
Statement 3.26
Falls Steroide eingesetzt werden sollen, ist Budesonid in der Therapie des leicht
bis mäßig aktiven Morbus Crohn mit Ileozökalbefall effektiv und systemisch wirkenden
Glukokortikoiden vorzuziehen, da signifikant weniger Nebenwirkungen beobachtet werden
(B).
Kommentar
Insbesondere bei pädiatrischen Patienten konnte die Wirksamkeit der Ernährungstherapie
nachgewiesen werden. In einer Metaanalyse von 5 randomisierten, kontrollierten Studien,
in denen eine Ernährungstherapie gegen Steroide bei 147 Patienten mit akutem Morbus
Crohn getestet wurde, fand sich die Ernährungstherapie gegenüber der Glukokortikoidtherapie
gleichwertig, unabhängig davon, ob eine Elementar-, Semielementar- oder polymere Diät
verwandt wurde [236]. Die Therapietreue lag bei über 90 %. In einer weiteren pädiatrischen Studie konnte
gezeigt werden, dass bei rein ilealem Morbus Crohn eine Remission in 93 % und bei
Ileocolitis in 82,1 % erreicht wurde [237].
Für pädiatrische Patienten konnte in 2 kleinen randomisierten Studien (eine davon
nicht verblindet) keine Überlegenheit von Prednisolon/Prednison gegenüber Budesonid
gezeigt werden. Aus methodischen Gründen (zu kleine Fallzahl) konnte in diesen Studien
der Nachweis einer Gleichwertigkeit der beiden Medikamente ebenfalls nicht geführt
wurde. In der doppelblinden Studie waren nach 4-wöchiger Therapie mit 9 mg Budesonid
55 % der Patienten in Remission gegenüber 71 % der Patienten, die mit Prednisolon
1 mg/kg Körpergewicht behandelt wurden. Nebenwirkungen wurden in der Budesonidgruppe
signifikant seltener beobachtet [168]
[238].
4. Remissionserhaltung
Nach dem Erreichen einer klinischen Remission besteht grundsätzlich das Risiko eines
erneuten Schubes. Dieses Risiko ist für den einzelnen Patienten nicht abzuschätzen.
In klinischen Studien zeigte sich eine Rezidivhäufigkeit im ersten Jahr zwischen 30
und 60 % und im zweiten Jahr zwischen 40 und 70 % der betroffenen Patienten [189]
[190].
Für die Vorhersage eines komplizierten Krankheitsverlaufs wurden verschiedene Prädiktoren
vorgeschlagen. So wurde ein Index beschrieben, der Veränderungen der Serumspiegel
von α1-Glykoprotein, α2-Globulin und der BSG einbezieht [239]. Dieser Index hat sich klinisch jedoch nicht durchgesetzt. Schreiber und Kollegen
zeigten, dass höhere TNF-α-Spiegel in endoskopischen Biopsien prädiktiv für ein Rezidiv
sind [240]. Hier ergibt sich jedoch die Notwendigkeit für rezidivierende Endoskopien und Biopsieentnahmen.
In den letzten Jahren wiesen Targan und Mitarbeiter auf die prädiktive Wertigkeit
von Antikörpern gegen Bakterienwandbestandteile (anti-Flagellin, anti-CBir, anti-OmpC)
für einen komplizierten Krankheitsverlauf hin [241]
[242]
[243]
[244]; diese deuten wohl auf die Entwicklung penetrierende Komplikationen hin; jedoch
scheint auch eine höhere Schubfrequenz bei Patienten, die mehrere dieser Antikörper
aufweisen, zu bestehen.
Frühe Rezidive scheinen prädiktiv für häufigere Erkrankungsschübe in der Folgezeit
und allgemein für einen komplizierten und schweren Krankheitsverlauf zu sein [245]. Als klinisch am wertvollsten können epidemiologische Daten angesehen werden, die
darauf hindeuten, dass jüngeres Alter bei Erkrankungsbeginn, eine kurze Zeit seit
dem letzten Erkrankungsschub (< 6 Monate), eine Kolon- bzw. perianale Beteiligung
und die Notwendigkeit einer Glukokortikoidtherapie schon beim ersten Schub mit häufigeren
Rezidiven und einer schlechteren Prognose assoziiert sind [193]
[246]. Eine remissionserhaltende Therapie könnte daher in dieser Patientengruppe besonders
sinnvoll sein. Eine allgemeine Empfehlung lässt sich jedoch aktuell nicht geben.
Ziel der Langzeittherapie
Statement 4.1
Ziel einer Langzeittherapie sollte die Erhaltung der klinischen Remission sein (A).
Kommentar
Die Remission des Morbus Crohn ist durch fehlende klinische Zeichen und Symptome der
aktiven Erkrankung definiert. Die Wertigkeit der endoskopischen Entzündungsfreiheit
ist nicht eindeutig definiert (s. auch „steroidrefraktärer Verlauf”).
Indikation zur remissionserhaltenden Therapie bei Morbus Crohn
Statement 4.2
Angesichts des Verhältnisses von Nutzen, Risiken und Kosten gibt es derzeit keine
ausreichende Basis, eine remissionserhaltende Therapie generell bei allen Patienten
durchzuführen (A). Die Indikation zur remissionserhaltenden Therapie, die Wahl des
anzuwendenden Medikaments und die Dauer der Therapie werden unter Berücksichtigung
des individuellen Krankheitsverlaufs, des spezifischen Risikoprofils und der Patientenpräferenz
festgelegt (B).
Statement 4.3
Erleidet ein Patient ein Rezidiv, kann eine Initiierung oder eine Intensivierung der
remissionserhaltenden Therapie erwogen werden (D). Eine Operation sollte immer als
Option mitbedacht werden (C).
Kommentar
Wie oben erwähnt, gibt es nach dem Erreichen einer Remission in der Folge eines ersten
Erkrankungsschubs keine eindeutigen prädiktiven Parameter, die es erlauben, den weiteren
Krankheitsverlauf vorherzusehen. Aufgrund der oben geschilderten Datenlage sollten
vor allem der bisherige Krankheitsverlauf (initiale Präsentation, Schubhäufigkeit
und Schwere der Schübe) sowie die individuellen Bedürfnisse der/des Betroffenen berücksichtigt
werden.
Bei einer medikamentös induzierten Remission wurde vielfach diskutiert, wie diese
Remission zu erhalten ist. Es ist dabei zu berücksichtigen, mit welcher Substanz die
Remission erreicht wurde. Nach einem ersten Schub und leichter bis mäßiger Erkrankungsaktivität
ist es gerechtfertigt, keinerlei remissionserhaltende Therapie einzusetzen [247]
[248]
[249].
Die Wirkung von Mesalazin zur Remissionserhaltung nach medikamentös induzierter Therapie
konnte durch Metaanalysen nicht bestätigt werden [249]. Allerdings erscheint einigen Experten eine Behandlung mit 5–ASA zur Remissionserhaltung
dann gerechtfertigt, wenn bei mildem Morbus Crohn eine Remission durch 5–ASA erreicht
werden konnte. Hierfür existieren jedoch keine entsprechenden Belege aus klinischen
Studien, sodass auch keine Empfehlung ausgesprochen werden kann.
Bei einem Rezidiv sollte grundsätzlich die Prüfung einer Operationsindikation erfolgen.
Nutzen und Risiken einer remissionserhaltenden Therapie und einer Operation sollten
gegeneinander abgewogen werden und mit dem Betroffenen eine individuelle Entscheidung
gesucht werden.
Remission und Tabakrauchen
Statement 4.4
Patienten, die rauchen, müssen zu Abstinenz von Tabakgebrauch angehalten werden (A).
Kommentar
Die Beendigung des Tabakrauchens bei rauchenden Patienten ist vermutlich effektiver
für die Remissionserhaltung als jede medikamentöse Therapie. Durch Beendigung des
Rauchens kann die langfristige Rezidivrate des Morbus Crohn halbiert werden [250]
[251]
[252]
[253]. Daher sollte eine Aufklärung über die Auswirkungen des Rauchens Teil jeder Diskussion
über eine remissionserhaltende Therapie sein (siehe auch Abschnitt Psychosomatik).
Remissionserhaltung und Steroide
Statement 4.5
Steroide sind für die remissionserhaltende Therapie ungeeignet (A).
Kommentar
In einer Reihe von Studien konnte keine remissionserhaltende Wirkung für Steroide
nachgewiesen werden. Bei mangelnder remissionserhaltender Wirkung und multiplen, schwerwiegenden
Nebenwirkungen in der Langzeittherapie dürfen Steroide grundsätzlich nicht zur Remissionserhaltung
eingesetzt werden [254]
[255].
Remissionserhaltung mit Azathioprin/ 6-Mercaptopurin
Statement 4.6
Bei Patienten mit komplexem Krankheitsverlauf sollte Azathioprin/ 6-Mercaptopurin
als remissionserhaltende Therapie verabreicht werden (A).
Statement 4.7
Bei Patienten, bei denen eine Azathioprin- oder 6-Mercaptopurin-Behandlung zur Remissionserhaltung
durchgeführt wird und die einen Schub erleiden, sollten Dosis und Zuverlässigkeit
der Medikamenteneinnahme überprüft werden (B).
Kommentar
Bei Patienten, bei denen eine Remission mit Azathioprin oder mit 6-Mercaptopurin erzielt
werden konnte, sollten diese Medikamente auch zur Remissionserhaltung weitergegeben
werden. Insbesondere bei einem steroidabhängigen Verlauf sollte unbedingt Azathioprin/
6-Mercaptopurin oder bei Unverträglichkeit Methotrexat eingesetzt werden. Aus der
Definition des steroidabhängigen Verlaufs (s. Teil I) ergibt sich, dass darunter auch
Patienten fallen, die schon kurz nach Beendigung der Steroidtherapie einen erneuten
Schub erleiden. Auch in Fällen, in denen bei kompliziertem Erkrankungsverlauf oder
häufigen Rezidiven (> 2 /Jahr) mithilfe von Steroiden eine Remission erreicht werden
konnte, ist eine remissionserhaltende Therapie mit Azathioprin indiziert.
Für eine langfristige Therapie sind Azathioprin in einer Tagesdosis von 2,0 – 2,5
mg/kg KG und 6-Mercaptopurin in einer Tagesdosis 1,0 – 1,5 mg/kg KG geeignet. Die
Wirksamkeit beider Substanzen zur Remissionserhaltung ist gut [247]
[256].
Ein stark erniedrigter 6-TGN-Spiegel insbesondere in Verbindung mit einem ebenfalls
erniedrigten 6-MMPR-Spiegel kann eine unzureichende Medikamenteneinnahme („non-adherence”)
anzeigen. Bei niedrigen 6-TGN-Spiegeln und erhöhten 6-MMPR-Spiegeln kann eine verstärkte
Metabolisierung vorliegen [257]. Andererseits hat es sich gezeigt, dass eine Therapie, die sich vor allem an den
6-TGN-Wirkspiegeln orientiert, nicht effektiver als eine wirkspiegelunabhängige Therapie
ist [258].
Dauer der remissionserhaltenden Therapie mit Azathioprin/ 6-Mercaptorpurin
Statement 4.8
Bei Patienten in Remission unter remissionserhaltender Therapie mit Azathioprin/ 6-Mercaptopurin
ohne Steroide sollte diese Therapie mindestens 4 Jahre durchgeführt werden (A). Nach
4 Jahren Remission ohne Steroidgabe kann eine Beendigung der Therapie diskutiert werden
(A). Bei Patienten, die im Verlauf intermittierend zusätzlich Steroide brauchen, sollte
eine Therapie mit Azathioprin/ 6-MP länger durchgeführt werden (D).
Kommentar
Die Therapie mit einer der beiden Substanzen sollte über einen längeren Zeitraum erfolgen.
Vermutlich ist auch noch nach 4 Jahren ein positiver Effekt der Substanzen zu verzeichnen
[259]
[260]. Wurde eine Therapie mit Azathioprin nach 42 Monaten beendet, fand sich in den folgenden
18 Monaten eine Rezidivhäufigkeit von 21 %, während bei Betroffenen unter fortgesetzter
Azathioprintherapie nur eine Rezidivhäufigkeit von 8 % beobachtet wurde [259]. Trotz dieser Daten, die für eine Fortsetzung sprechen, kann im Einzelfall diskutiert
werden, die Therapie zu beenden, jedoch nur, wenn über 4 Jahre keine Rezidive aufgetreten
sind und der Patient die Gefahr einer erhöhten Rezidivrate akzeptiert.
Remissionserhaltende Therapie bei Azathioprin/6-Mercaptopurin-Versagen
Statement 4.9
Bei Azathioprin-/ 6-Mercaptopurin-Wirkungslosigkeit können Methotrexat (C) oder anti-TNF-α-Antikörper
(A) alternativ oder in Kombination (A) eingesetzt werden. Eine Operation muss insbesondere
bei lokalisiertem Befall als Option mitbedacht werden (B).
Kommentar
Eine Therapie mit anti-TNF-α-Antikörpern hat sich bei Versagen einer immunsuppressiven
Therapie (AZA/ 6-MP oder MTX) als wirksam erwiesen [232]. Dabei ist für Infliximab eine Erhaltungstherapie („scheduled treatment”) einer
einmaligen Induktionstherapie (Woche 0,2 und 6) bzw. einer an der Krankheitsaktivität
orientierten Wiederholungstherapie („episodic treatment”) überlegen [261]. Unter einer Wiederholungstherapie mit Infliximab ohne gleichzeitige Gabe eines
Immunsuppressivums treten deutlich mehr Antikörper gegen Infliximab auf, die bei dieser
Therapieform mit einem schlechteren Krankheitsverlauf verbunden sind [262]
[263]
[264].
Remission nach anti-TNF-α-Therapie
Statement 4.10
Wenn eine Remission durch anti-TNF-α-Antikörper induziert werden konnte, sind Azathioprin,
6-Mercaptopurin, Methotrexat oder anti-TNF-α-Antikörper für die remissionserhaltende
Therapie geeignet (A). Eine Operation muss insbesondere bei lokalisiertem Befall als
Option mitbedacht werden (C).
Kommentar
Für jede der medikamentösen Optionen liegen placebokontrollierte Studien vor, jedoch
gibt es noch keine Studien, die die relative Effektivität dieser Ansätze miteinander
vergleichen [216]
[217]
[232]
[264]
[265].
Remissionserhaltende Therapie bei Versagen der anti-TNF-α-Therapie
Bei Patienten, die ein sekundäres Therapieversagen unter Infliximab entwickeln, wurden
verschiedene Vorgehensweisen evaluiert. Möglich ist einerseits die Verkürzung der
Abstände zwischen den Infusionen bei der Erhaltungstherapie oder eine Erhöhung der
Dosis auf bis zu 10 mg/kg KG [216]
[263]. Alternativ ist auch eine Umstellung auf Adalimumab möglich [266]. Auch die Adalimumabdosis kann bei sekundärem Therapieversagen verdoppelt, das heißt
wöchentlich statt 2-wöchentlich gegeben werden [217]. Jede dieser Strategien führt jedoch nur bei einer kleinen Subgruppe der Patienten
zu einer dauerhaften Remission; insgesamt ist die Prognose für dieses sehr kleine
Kollektiv von Patienten schlecht.
Postoperative Remissionserhaltung
Statement 4.11
Eine generelle Indikation zur postoperativen medikamentösen Therapie besteht nicht.
Die Wahl eines ggf. anzuwendenden Medikaments und die Dauer der Therapie werden unter
Berücksichtigung des individuellen Krankheitsverlaufs und des spezifischen Risikoprofils
festgelegt (A).
Statement 4.12
Mesalazin hat in der postoperativen Remissionserhaltung eine geringe Wirkung und kann
eingesetzt werden (A). Für Antibiotika der Imidazol-Gruppe konnte gezeigt werden,
dass sie nach einer Ileozökalresektion effektiv sind. Sie sollten jedoch wegen der
hohen Nebenwirkungsrate zur Remissionserhaltung nicht eingesetzt werden (A). Eine
immunsuppressive Therapie (Azathioprin/ 6-Mercaptopurin) soll bei Patienten mit komplexem
Verlauf in Erwägung gezogen werden (B).
Kommentar
Die generelle Durchführung einer remissionserhaltenden Therapie bei allen operierten
Patienten ist aufgrund der vorhandenen Datenlage nicht gerechtfertigt. Das Risiko
eines postoperativen Rezidivs variiert abhängig vom präoperativen Verlauf der Erkrankung
erheblich.
Die Entscheidung zur remissionserhaltenden Therapie im Rahmen des postoperativen Managements
sollte auch in der Diskussion mit dem/der Betroffenen gefällt werden. Eine remissionserhaltende
Therapie erscheint insbesondere gerechtfertigt bei Patienten mit einem hohen Risiko
für ein frühes postoperatives Rezidiv oder mehrfachen Crohn-Operationen in der Vorgeschichte.
Als Risikofaktoren für ein Rezidiv wurden unter anderem eine hohe präoperative Aktivität,
Tabakabusus, ein penetrierender Verlauf, endoskopische Veränderungen in der Anastomose,
ein junges Alter und ein ausgedehnter Befall identifiziert [267]
[268].
Azathioprin oder 6-MP sind in der postoperativen Remissionserhaltung am wirksamsten
[269]
[270]. Optimale Dosis und Therapiedauer sind unklar, man wird sich jedoch an den Daten
zur medikamenteninduzierten Remission (s. o.) orientieren können.
Aminosalizylate sind in der postoperativen Situation mit einer Dosis von 3 – 4 g/die
über einen Zeitraum von bis zu 3 Jahren signifikant besser wirksam als Placebo [271]
[272]. Die Number Needed to Treat (NNT) liegt hier bei 13.
Eine 3-monatige postoperative Therapie mit Metronidazol weist ebenfalls einen remissionserhaltenden
Effekt über einen Zeitraum von einem Jahr auf [268]
[273]
[274]
[275]. Die Gabe von Metronidazol zur Remissionserhaltung ist jedoch durch die Nebenwirkungen
bei chronischer Gabe, v. a. durch die häufig auftretende und bisweilen nicht mehr
reversible Polyneuropathie limitiert.
Kinder und Jugendliche
Remissionserhaltende Therapie
Statement 4.13
Prinzipiell gelten für Kinder und Jugendliche die gleichen Therapieprinzipien wie
für Erwachsene. Es ist allerdings zu beachten, dass zusätzlich Wachstumsretardierung
und verzögerte Pubertät als besondere Zeichen der Krankheitsaktivität für die Therapieentscheidung
bedeutsam sind (D).
Statement 4.14
Bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen sollte die Ernährungstherapie als
weitere Behandlungsoption bedacht werden (B).
Kommentar
Aufgrund der vielfach fehlenden spezifisch pädiatrischen Daten gelten für Kinder die
gleichen Therapieprinzipien wie für Erwachsene.
Insbesondere bei der Ernährungstherapie wurde nur eine abgeschwächte Empfehlung gegeben,
da nur eine kontrollierte Studie bei Erwachsenen mit positivem Effekt existiert, während
bei pädiatrischen Patienten zur Remissionserhaltung nur Beobachtungsstudien vorliegen
[276]
[277]. Die Empfehlung beruht zum Teil auch auf den guten Daten zur Ernährungstherapie
bei Kindern und Jugendlichen im akuten Schub [236].
5. Medikamente
Auf der Website des Kompetenznetzes Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (www.kompetenznetz-ced.de) stehen Medikamenteninformationen getrennt für Ärzte und Patienten zur Verfügung,
die zum Beispiel auch über die notwendigen Laborkontrollen während der Therapie Auskunft
geben.
Budesonid
In den relevanten Studien wurde Budesonid in einer Dosis von 9 mg tgl. über 8 – 16
Wochen gegeben; 6 mg Budesonid pro Tag reichen zur Induktion einer Remission nicht
aus [164]. Höhere Dosen als 9 mg scheinen nicht sehr viel wirksamer zu sein, führen jedoch
zu einer erhöhten Rate an unerwünschten systemischen Wirkungen. Die Gabe von Budesonid
setzt eine normale Leberfunktion voraus und sollte bei Patienten mit eingeschränkter
Leberfunktion nur sehr zurückhaltend eingesetzt werden. Andernfalls werden sehr hohe,
systemisch wirksame Steroiddosen erreicht.
Systemisch wirksame Steroide
Prednisolon/Prednison werden bei leichter bis mäßiger Entzündungsaktivität zumeist
in einer initialen Dosis von 40 – 60 mg täglich eingesetzt (entsprechend 32 – 40 mg
Methylprednisolon). Bei höherer Krankheitsaktivität sollte 1 mg/kg KG/Tag (siehe oben)
verwandt werden. In Abhängigkeit vom klinischen Ansprechen wird die Dosis über 2 –
4 Monate wöchentlich reduziert. Eine raschere Dosisreduktion kann zum Frührezidiv
führen [183]. Bei Gabe systemisch wirkender Steroide ist eine Osteoporoseprophylaxe mit Kalzium
(1000 – 1500 mg/d) und Vitamin D (400 – 1200 IE/d) indiziert [278]. Kontraindikationen für eine systemische Steroidtherapie können z. B. eine ausgeprägte
Osteoporose oder eine anamnestisch bekannte steroidinduzierte Psychose sein.
Sulfasalazin
Die bei Kolitis wirksame Dosis liegt zwischen 3 und 6 g [189]
[190]. Bei 10 – 30 % aller Patienten treten unter einer Therapie mit Sulfasalazin unerwünschte
Wirkungen auf. Schwere Nebenwirkungen sind jedoch selten. Während der Therapie sollten
Laborkontrollen insbesondere von Kreatinin und Blutbild erfolgen. Im Gegensatz zu
5–Aminosalizylsäurepräparaten und Azathioprin führt Sulfasalazin zu einer dosisabhängigen
Verminderung der Spermienzahl und -motilität [279]
[280]
[281]
[282]
[283].
Azathioprin/ 6-Mercaptopurin
Eine körpergewichtsadaptierte Dosierung von 2,0 – 2,5 mg/kg KG tgl. hat gegenüber
einer 6-TGN(aktive Metaboliten des Azathioprins)-Spiegel-adaptierten Dosierung keine
Nachteile [258]. Es besteht zwischen der Wirkung und der Dosis eine klare Abhängigkeit, niedrige
Dosierungen von z. B. 1,0 mg/kg KG/Tag sind unwirksam [203]. Es wird kontrovers diskutiert, ob von Beginn an direkt die volle Dosis gegeben
werden kann oder langsam eine Dosissteigerung (innerhalb von 2 – 4 Wochen) bis zur
therapeutischen Dosis durchgeführt werden sollte. Es gibt keine klaren Evidenzen,
die einen klaren Vorteil für das eine oder andere Vorgehen belegen. In einer retrospektiven
Studie, die als Volltext auf Spanisch publiziert wurde, war der Beginn der Purinanaloga-Therapie
mit der vollen therapeutischen Dosis mit einem 4-fach höheren Abbruchrisiko wegen
Nebenwirkungen verknüpft [204]. Außerdem wird argumentiert, dass im Einzelfall eine Agranulozytose bei einschleichender
Dosierung kürzer dauern würde, ohne dass bei den meisten Patienten damit wesentliche
Nachteile verbunden wären.
Bei Übelkeit, Erbrechen und Magendruck unter der Azathioprintherapie ist ein Therapieversuch
mit 6-Mercaptopurin gerechtfertigt. Bei 3 – 6 % der Patienten tritt unter Azathioprineinnahme
eine Leberwerterhöhung auf. In diesen Fällen lässt sich bei der Hälfte die Therapie
nach einem Wechsel auf 6-Mercaptopurin fortführen. Bei etwa 3 % tritt eine Pankreatitis
auf. In diesen Fällen ist ein Wechsel auf 6-Mercaptopurin nicht sinnvoll. Die Therapie
mit einer der beiden Substanzen sollte über einen längeren Zeitraum erfolgen. Vermutlich
ist auch noch nach 4 Jahren ein positiver Effekt der Substanzen zu verzeichnen [259]
[260]
[284].
Beide Substanzen werden über die Thiopurin-Methyltransferase (TPMT) abgebaut. Bei
einer verminderten Aktivität der TPMT tritt unter Therapie mit Azathioprin häufig
im Verlauf eine schwere Leukopenie auf [285]
[286]. Dies ist insbesondere der Fall bei einer homozygoten Mutation im TPMT-Gen, die
bei ca. 0,3 % der Bevölkerung auftritt. Die Mehrzahl der Leukopenien unter Azathioprin/
6-Mercaptopurin-Therapie (etwa 80 %) tritt jedoch unabhängig vom TPMT-Genotyp auf
[286]. Daher ist eine engmaschige Blutbildkontrolle unter der Therapie notwendig. Diese
sollte während der ersten 2 Monate häufiger und dann weiterhin in regelmäßigen Abständen
durchgeführt werden. Unter der Therapie mit Azathioprin tritt eine Lymphopenie auf,
die therapeutisch erwünscht ist. In der Kombinationstherapie mit anderen Immunsuppressiva
kann diese Lymphopenie so ausgeprägt sein, dass die T-Helferzellzahl unter 200 /µl
absinkt. Es ist offensichtlich, dass hierunter eine Immundeffizienz entstehen muss.
Die Gesamtleukozytenzahl ist hier nicht aussagekräftig, da diese durch einen hohen
Neutrophilenanteil noch im Normbereich sein kann, wenn schon eine ausgeprägte Lymphopenie
vorhanden ist. Daher kann gelegentlich ein Differenzialblutbild durchgeführt werden,
welches eine Abschätzung der T-Helferzellzahl erlaubt.
Methotrexat
Mit der parenteralen Gabe von Methotrexat in einer Dosis von 25 mg (bei Kindern 15
mg/ 1,73 m2 Körperoberfläche, maximal 25 mg) wöchentlich kann ein akuter Schub effektiv behandelt
werden. Aus Studien zur rheumatoiden Arthritis ist bekannt, dass MTX parenteral besser
wirkt als oral [287]. Gute Studien zum Morbus Crohn liegen bezüglich der Schubtherapie nur für intramuskulär
gegebenes MTX vor [227]. Da subkutan appliziertes MTX sehr gut resorbiert wird, kann MTX s. c. als gleichwertig
angesehen werden, auch wenn es formal keine Studie zum Vergleich von MTX i. m. versus
s. c. gibt. Da MTX mindestens 8 Wochen benötigt, bis eine Wirkung eintritt, sollte
eine Dosisreduktion auf 15 mg s. c. frühestens nach dieser Zeit erfolgen. Für 15 mg
i. m. (s. c. vermutlich genauso wirksam) ist gezeigt worden, dass eine Remissionserhaltung
möglich ist [288].
Einige der gastrointestinalen Nebenwirkungen unter einer Therapie mit Methotrexat
lassen sich ohne relevanten Wirkverlust durch die Gabe von Folsäure (z. B. 5 mg am
Tag nach der MTX-Gabe) vermeiden [289].
Auch in Fallserien an pädiatrischen Patienten mit aktivem Morbus Crohn, die auf Azathioprin
nicht ansprachen, erreichten 65 – 80 % der Patienten durch MTX (15 mg/m2 KOF i. m.) eine Remission [207]
[208]
[209]
[210]. Wie auch bei den Fallserien mit erwachsenen Patienten wurde Methotrexat teilweise
auf eine orale Gabe umgesetzt mit akzeptablen langfristigen Ergebnissen. Möglicherweise
ist die dauerhafte parenterale Gabe jedoch effektiver.
Anti-TNF-α-Antikörper
Die wesentliche Ursache der teilweise letal verlaufenden Nebenwirkungen der anti-TNF-α-Antikörpertherapie
ist die Immunsuppression, die aber auch durch andere Substanzen ausgelöst werden kann
[290]
[291]. Die anti-TNF-α-Therapie hat zu größeren Serien von Tbc-Fällen durch Reaktivierung
latenter Erkrankungen geführt. Vor jeder hoch dosierten immunsuppressiven Behandlung
(wie z. B. der anti-TNF-α-Behandlung, aber auch einer Therapie mit Azathioprin) muss
der Ausschluss einer Tuberkulose erfolgen. Dieser Ausschluss muss eine ausführliche
klinische Anamnese, einschließlich einer Tuberkulosevorerkrankung oder möglichem Kontakt
zu Tuberkulose-Kranken und einer vorherigen und/oder derzeitigen immunsuppressiven
Therapie, umfassen. Geeignete Screeningtests, d. h. ein Tuberkulintest und eine Röntgenaufnahme
des Thorax, müssen bei allen Patienten durchgeführt werden. Das Datum der Durchführung
dieser Tests sollte dokumentiert werden. Eine alleinige Intrakutantestung (PPD-Hauttestung)
ist aufgrund der häufigen falsch negativen Befunde [292] nicht ausreichend. In-vitro-Blutteste (die die Reaktivität von Lymphozyten gegen
mykobakterielle Antigene nachweisen), besitzen eine höhere Sensitivität und Spezifität,
können aber eine latente Tuberkulose insbesondere bei immunsuppressiver Behandlung
(z. B. Glukokortikoide) auch nicht immer ausschließen [293]. Weiterhin wurden gehäufte Infekte, insbesondere Pneumonien, Weichteilinfekte und
opportunistische Infektionen unter einer Therapie mit anti-TNF-α-Antikörpern berichtet
und bei einer Kombinationstherapie mit Immunsuppressiva wurden bei jungen Patienten
eine relevante Zahl an zumeist tödlich verlaufenden, seltenen Lymphomen (hepatosplenische
T-Zell-Lymphome) beobachtet [294]
[295]
[296]
[297]. Ansteigende ANA-Titer lassen sich recht häufig beobachten, ein medikamenteninduzierter
Lupus tritt unter einer Therapie mit anti-TNF-α-Antikörpern jedoch nur selten auf
[298]
[299].
Zurzeit bestehen in Deutschland Zulassungen für Infliximab und Adalimumab zur Behandlung
eines schwergradigen, aktiven Morbus Crohn bei Patienten, die trotz einer vollständigen
und adäquaten Therapie mit einem Glukokortikoid und/oder einem Immunsuppressivum nicht
ausreichend angesprochen haben oder die eine Unverträglichkeit oder Kontraindikationen
für solche Therapien haben. Für Infliximab besteht weiterhin eine Indikation zur Behandlung
des aktiven Morbus Crohn mit Fistelbildung. Certolizumab-PEGol wurde in der EU bisher
nicht zugelassen.
6. Fertilität und Schwangerschaft
Fertilität
Statement 6.1
Die Fertilität scheint bei Patienten mit Morbus Crohn in Remission nicht beeinträchtigt
zu sein (B); allerdings führt die aktive Erkrankung zu verminderter Fertilität (B).
Weibliche Patienten, die operiert werden müssen, tragen ein erhöhtes Risiko für eine
beeinträchtigte Tubenfunktion (B).
Statement 6.2
Bei männlichen Patienten kann eine Operation im Becken zu Impotenz oder Ejakulationsproblemen
führen (C). Eine Therapie mit Sulfasalazin kann bei männlichen Patienten eine (reversible)
Infertilität durch Beeinträchtigung der Samenqualität bewirken. Eine Sulfasalazin-Therapie
sollte bei Männern mit Kinderwunsch abgesetzt werden (B).
Kommentar
Mehrere Studien belegen, dass die Fertilität von Patienten mit Morbus Crohn in Remission
im Vergleich zur Normalbevölkerung grundsätzlich nicht beeinträchtigt ist [300]
[301]
[302]. Allerdings ist bei aktiver Erkrankung die Fertilität vermindert. Dabei spielen
verschiedene Faktoren wie eine mögliche Entzündung der Eileiter und Ovarien, schmerzhafter
Geschlechtsverkehr bei perianaler Erkrankung [302]
[303]
[304]
[305] oder stattgehabte Operationen eine Rolle [306]
[307]
[308]
[309]. Im Gegensatz zu 5–Aminosalizylsäurepräparaten und Azathioprin führt Sulfasalazin
zu einer dosisabhängigen Verminderung der Spermienzahl und -motilität [279]
[280]
[281]
[282]
[283].
Schwangerschaft
Einfluss der Krankheitsaktivität auf Verlauf und Ergebnis einer Schwangerschaft
Statement 6.3
Vor der Konzeption ist eine klinische Remission anzustreben. Schübe während der Schwangerschaft
sollten behandelt werden, um Komplikationen zu vermeiden (B). Die aktive Erkrankung
erhöht das Risiko für Frühgeburtlichkeit und niedriges Geburtsgewicht (B). Bislang
liegen unzulängliche Daten zur maternalen Morbidität und fetalen Mortalität im Falle
einer notwendigen chirurgischen Intervention während der Schwangerschaft vor.
Kommentar
Ein Morbus Crohn in Remission hat allenfalls einen geringen Einfluss auf Verlauf und
Ergebnis der Schwangerschaft [301]
[310]. Eine aktive Erkrankung hingegen erhöht das Risiko für einen Verlust des Feten,
für Totgeburten, Frühgeburten, niedriges Geburtsgewicht und Entwicklungsdefizite.
Hierfür scheint in erster Linie die Entzündungsaktivität der aktiven Erkrankung und
nicht die Medikamente während der Schwangerschaft verantwortlich zu sein [303]
[304]
[311]
[312]. Die fetale Mortalität ist im Falle notwendiger Operationen erhöht, die Rate an
Fehl- und Frühgeburten liegt bei 18 – 40 % [313]. Engmaschige gynäkologische und internistische Betreuung während der Schwangerschaft
sind zu empfehlen, insbesondere im dritten Trimenon [300]
[314].
Einfluss der Schwangerschaft auf den Krankheitsverlauf
Statement 6.4
Wenn die Empfängnis in der Remissionsphase der Erkrankung eintritt, ist das Risiko,
einen Schub zu erleiden, vergleichbar mit dem nicht schwangerer Patientinnen (D).
Wenn zum Zeitpunkt der Empfängnis eine aktive Erkrankung vorliegt, wird bei zwei Dritteln
der Patientinnen die Krankheitsaktivität persistieren und sich bei wiederum zwei Dritteln
dieser Patientinnen sogar verschlechtern (B).
Kommentar
Bei Empfängnis während einer Remissionsphase der Erkrankung erleidet etwa ein Drittel
der Patientinnen während der Schwangerschaft einen Schub, damit ist das Risiko vergleichbar
mit dem nicht schwangerer Patientinnen während der gleichen Zeitspanne [312]. Bei Empfängnis im Zustand einer aktiven Erkrankung wird bei zwei Dritteln der Patientinnen
die Krankheitsaktivität weiter hoch bleiben, bei zwei Dritteln dieser Patientinnen
wird sich die Krankheitsaktivität sogar verschlechtern [301]
[315]
[316]. Daher sollte eine geplante Schwangerschaft im Zustand der Remission angestrebt
werden. Zwei Studien legen die Vermutung nahe, dass Schwangerschaften den Verlauf
der Erkrankung beeinflussen [317]
[318]. So scheint mit Anzahl der Geburten die Notwendigkeit von Operationen zu sinken.
Patientinnen mit vorausgegangenen Schwangerschaften benötigen weniger Operationen
und das Intervall zwischen Operationen scheint länger zu werden im Vergleich zu Patientinnen
ohne vorausgegangene Geburten. Im Jahr nach einer Geburt liegt die Schubrate niedriger
als im Jahr vor der Geburt.
Medikamente während der Schwangerschaft
Statement 6.5
Eine Schub- oder eine remissionserhaltende Therapie sollte bei bestehender Indikation
auch bei Kinderwunsch und während der Schwangerschaft durchgeführt werden (B).
Statement 6.6
Eine Methotrexat-Therapie muss mindestens 3 Monate vor einer Schwangerschaft beendet
werden (D).
Statement 6.7
Eine Folsäuresubstitution muss bei Frauen mit Kinderwunsch durchgeführt werden (D).
Kommentar
Aufgrund der Risken, die ein Rezidiv eines Morbus Crohn für den Schwangerschaftsverlauf
und die fötale Entwicklung mit sich bringt, sollte eine erfolgreiche remissionserhaltende
Therapie nicht beendet werden. Für Mesalazin und Azathioprin/ 6-MP wurde in großen
Beobachtungsstudien kein erhöhtes fetales und maternales Risiko nachgewiesen [319]. Sie können daher für die remissionserhaltende Therapie in der Gravidität angewandt
werden. Im Falle von anti-TNF-α-Antikörpern sind die vorliegenden Daten noch limitiert.
Für Infliximab wurden bisher keine negativen Folgen für eine Gravidität berichtet.
Da Infliximab auf den Feten übertragen wird, ist damit zu rechnen, dass bis 3 Monate
nach der Geburt ein Neugeborenes erheblich immunsupprimiert ist. Sofern Infliximab
überhaupt in der Schwangerschaft gegeben wird, sollte Infliximab in den 3 Monaten
vor dem errechneten Geburtstermin, wann immer möglich, pausiert werden. Methotrexat
ist streng kontraindiziert. Methotrexat wirkt abortiv und ist teratogen.
Schwangerschaft und Endoskopie
Statement 6.8
Während der Schwangerschaft kann eine endoskopische Untersuchung durch erfahrene Endoskopiker
durchgeführt werden (D).
Kommentar
Allerdings muss insbesondere in der Schwangerschaft die Indikation für eine endoskopische
Untersuchung besonders bedacht werden. Es sind nur wenige Situationen vorstellbar,
in denen es einer endoskopischen Evaluation unbedingt bedarf. Alternative diagnostische
Verfahren, insbesondere die Sonografie durch einen erfahrenen Untersucher, sollten
vordringlich genutzt werden. Ein MRT kann ergänzend auch erwogen werden, wobei leicht
erhöhte Fehlbildungsraten möglich sind.
Fisteln und Schwangerschaft
Statement 6.9
Bei Schwangerschaft sind die OP-Indikationen identisch (D).
Art der Entbindung
Statement 6.10
Die Art der Entbindung sollte sich in erster Linie nach geburtshilflichen Notwendigkeiten
und Indikationen richten. Anzustreben ist die Zusammenarbeit mit einem Gastroenterologen.
Patientinnen mit unkompliziertem Morbus Crohn ohne perianalen Befall sollten nach
vorausgegangener geburtshilflicher Untersuchung vaginal entbinden (C). Bei aktiver
perianaler Erkrankung sollte eine Sectio bevorzugt werden (C). Bei inaktiver perianaler
Erkrankung kann die Sectio erwogen werden (D). Patientinnen mit Colostoma oder Ileostoma
können vaginal entbinden (C). Bei erhöhtem geburtshilflichem Risiko sollte eine Sectio
durchgeführt werden. Allerdings ist die Sectio unter diesen Umständen mit einem erhöhten
Komplikationsrisiko behaftet (C).
Statement 6.11
Die Episiotomie sollte möglichst vermieden werden, ist aber im Zweifelsfall besser
als der spontane unkontrollierte Dammriss. Allerdings ist die Literatur zu diesem
Thema uneinheitlich (C).
Kommentar
Über die Art der Entbindung sollte der behandelnde Gynäkologe entscheiden. Allerdings
sollte ein Gastroenterologe hinzugezogen werden, um perianale Komplikationen zu beurteilen.
Bei Patientinnen in Remission oder milder Erkrankung ist die vaginale Entbindung Standard
[320]. Die Sectio wird empfohlen bei Patientinnen mit perianaler Erkrankung [321] ebenso wie bei Patientinnen mit ileo-pouch-analer Anastomose wegen der theoretischen
Gefahr der Sphinkterverletzung [307]
[321]
[322]
[323]. Patientinnen mit Kolostomie oder Ileostomie können vaginal entbinden [322]. Wegen der hohen Rate an perianalen Komplikationen sollte ein Dammschnitt möglichst
vermieden werden, ist aber dem unkontrollierten Dammriss vorzuziehen [324].
Medikamente in der Stillzeit
Statement 6.12
Mesalazin und Kortikosteroide können während der Stillzeit unter gründlicher Überprüfung
der Indikation fortgeführt werden (D). Bei notwendiger Immunsuppression mit Azathioprin/
6 MP, Methotrexat, Cyclosporin, Tacrolimus und anti-TNF-α-Antikörpern sollte abgestillt
werden (D).
7. Schmerztherapie
Statement 7.1
Schmerzen können in allen Stadien der Erkrankung aus verschiedenen Ursachen auftreten.
Eine differenzierte Schmerzanalyse (Krankheitsaktivität, chirurgisch behandelbare
Komplikationen wie Stenosen oder Abszesse, Nebenwirkungen der antiinflammatorischen
Therapie, funktionelle gastrointestinale Störungen, psychische Störungen) sollte vor
Einleitung einer symptomatischen Schmerztherapie durchgeführt werden (D).
Kommentar
Intermittierende krampfartige Bauchschmerzen mit und ohne zeitlichen Zusammenhang
mit Nahrungszufuhr oder Defäkation sowie anhaltende Bauchschmerzen gehören bei akuten
Schüben bzw. chronisch-aktiven Verläufen zu den häufigsten Symptomen des Morbus Crohn.
Repräsentative Daten zum Gebrauch von Schmerzmitteln zur symptomatischen Behandlung
der mit der Erkrankung assoziierten Bauchschmerzen sowie Schmerzen bei extraintestinalen
Manifestationen bzw. Komplikationen der Erkrankung und ihrer Therapie (z. B. Osteoporose)
fehlen. In klinischen Stichproben wurde die dauerhafte Einnahme von Schmerzmitteln
bei 3 bis 13 % beschrieben [325]
[326]. In einer deutschen Studie gaben 13 % der Patienten zum Untersuchungszeitpunkt die
Einnahme von Analgetika an [327]. In einer US-amerikanischen Studie gaben 38 % der Patienten an, nicht opioidhaltige
Analgetika und 15 % opioidhaltige Analgetika einzunehmen [328].
Im Falle einer symptomatischen Schmerztherapie sind die Regeln der allgemeinen und
speziellen Schmerztherapie zu beachten. Vor Einleitung einer symptomatischen Schmerztherapie
ist auszuschließen, dass die Schmerzsymptomatik durch Optimierung der anti-inflammatorischen
Therapie, chirurgischen Therapie oder durch Absetzen von schmerzauslösenden Medikamenten
behandelbar ist. Eine sorgfältige Analyse der Schmerzsymptomatik und ihrer biologischen,
psychischen und sozialen Komponenten ist durchzuführen. Bei häufigen oder dauerhaften
Schmerzen soll eine kontinuierliche orale Schmerztherapie mit retardierten Präparaten
inklusive einer Bedarfsschmerzmedikation durchgeführt werden. Bei Opioiden sollen
kurz wirksame Darreichungsformen (Tropfen, intravenös) wegen ihrer potenziell suchtfördernden
Wirkung vermieden werden. Die Gabe von Opioiden bei funktionellen gastrointestinalen
Störungen oder psychischen Störungen als Ursache der Schmerzen ist kontraindiziert
[329].
Statement 7.2
Im akuten Schub und bei chronisch-aktiven Verläufen kann bei anhaltenden Bauchschmerzen
trotz anti-inflammatorischer Therapie und fehlenden chirurgischen Therapieoptionen
eine symptomatische Schmerztherapie mit Metamizol oder Opioiden durchgeführt werden.
Eine Dauertherapie mit Opioiden sollte vermieden werden (D).
Kommentar
Zur symptomatischen Schmerztherapie des Morbus Crohn liegen keine kontrollierten Studien
oder Kohortenstudien vor. Empfehlungen zur symptomatischen Schmerztherapie gründen
sich daher auf klinische Erfahrung und auf Extrapolationen von Therapieprinzipien
anderer chronischer nicht karzinombedingter Schmerzsyndrome [330]. Der Einsatz von Paracetamol wird aufgrund des erhöhten Risikos einer Schubauslösung
und aufgrund des Risikos der Hepatotoxizität bei regelmäßiger Einnahme nicht empfohlen
[331]
[332]. Bei der Therapie mit Opioiden sind Kontraindikationen (hochgradige Stenosen von
Dünn- bzw. Dickdarm) sowie Nebenwirkungen (Sedierung, missbräuchliche Verwendung)
zu beachten. Bei Patienten mit psychischer Komorbidität besteht ein erhöhtes Risiko
missbräuchlicher Verwendung von Opioiden [325]
[326]
[333]
[334]. Der chronische Gebrauch von Opioiden ist mit einer höheren Krankheitsaktivität,
Tabakrauchen und reduzierter Lebensqualität assoziiert [328]. Aufgrund der möglichen negativen Auswirkungen einer Langzeittherapie mit Opioiden
auf den Gastrointestinaltrakt und das Immunsystem wird eine Dauertherapie mit Opioiden
bei mit Morbus Crohn assoziierten chronischen Bauchschmerzen nicht empfohlen [335]. In der Akutschmerztherapie bei fulminanten Verläufen sind Opioide kontraindiziert.
Ketamin kann zur Schmerztherapie bei fulminanten Verläufen verwendet werden [336].
Statement 7.3
Bei Diskrepanz zwischen dem Ausmaß der Bauchschmerzen und der entzündlichen Aktivität
sollten nach Ausschluss anderer Schmerzursachen die Therapiestrategien funktioneller
gastrointestinaler Störungen angewendet werden (C).
Kommentar
Eine Subgruppe von Patienten gibt anhaltende Bauchschmerzen und/oder Durchfälle sowie
reduzierte Lebensqualität bei fehlender oder geringer laborchemischer und endoskopischer/histologischer
Aktivität an. In diesem Fall ist zu überprüfen, ob die Kriterien eines Reizdarmsyndroms
erfüllt sind. Die Prävalenz eines Reizdarmsyndroms nach den Rom-Kriterien wird bei
klinischen Stichproben bis zu 45 % der Patienten in Remission angegeben [337]
[338]. Morbus-Crohn-Patienten mit Reizdarmsyndrom weisen eine vermehrte psychische Symptombelastung
mit Angst/Depressivität bzw. komorbide psychische Störungen auf [325]
[338]. Es liegen keine Therapiestudien zur Behandlung eines Reizdarmsyndroms bei Morbus
Crohn vor. Es wird empfohlen, in der Behandlung des Reizdarmsyndroms bei Morbus Crohn
die in den Leitlinien von gastroenterologischen Fachgesellschaften empfohlenen medikamentösen
(Spasmolytika, Antidepressiva) und psychotherapeutischen Behandlungsstrategien einzusetzen
[339].
8. Chirurgie bei Morbus Crohn
In einer Leitlinie über den Morbus Crohn ist es unmöglich, alle chirurgischen Aspekte
des Morbus Crohn zu berücksichtigen. Deshalb beschäftigt sich der Konsensus mit ausgewählten
Aspekten, denen entweder eine besondere Relevanz zukommt oder die häufig kontrovers
diskutiert werden.
Im letzten Jahrzehnt haben Entwicklungen in der medikamentösen Therapie des Morbus
Crohn erheblichen Einfluss auf chirurgische Strategien genommen. Obwohl die meisten
Patienten im Verlauf ihrer Erkrankung noch immer eine chirurgische Maßnahme erleben
werden, so liegt heute die Primärtherapie des Morbus Crohn überwiegend in den Händen
eines Gastroenterologen. Dies bedingt eine enge Kooperation zwischen Gastroenterologie
und Chirurgie zum Wohle der Patienten. Beide Fachvertreter müssen partnerschaftlich
einschätzen, was medikamentöse und chirurgische Maßnahmen z. B. bei der Symptombeseitigung
leisten können. Auch müssen sie zusammen eine Risikoabwägung treffen, damit Patienten
die bestmögliche Therapie zum bestmöglichen Zeitpunkt erhalten können. Bei der Wahl
des geeigneten Operationszeitpunkts muss die zu erwartende Lebensqualität nach der
chirurgischen Intervention der Lebensqualität bei langfristig fortgesetzter medikamentöser
Therapie gegenübergestellt werden.
Traditionell wurden Chirurgie und medikamentöse Therapie als komplementäre Konzepte
bei der Behandlung des Morbus Crohn aufgefasst. Diese Auffassung ist in Änderung begriffen,
da sich Medikamente rasch entwickeln und sich Symptomfreiheit auch durch medikamentöse
Sekundär- und Tertiärtherapien erzielen lässt. Eine chirurgische Maßnahme könnte dann
als Ultima Ratio erscheinen. Dies birgt jedoch erhebliche Risiken, da die Patienten
auf diesem Weg mit einem erhöhten Morbiditäts- und möglicherweise auch Mortalitätsrisiko
zu spät zur Operation kommen.
Die Evidenz, auf der die chirurgische Therapieprinzipien basieren, schließt nur wenige
randomisierte Studien ein. Es gibt jedoch gute Evidenz dafür, dass ausgedehnte Resektionen
unnötig und nachteilig sind [340]. Die gegenwärtige chirurgische Strategie zielt daher darauf ab, die chirurgischen
Maßnahmen auf den Darmabschnitt zu beschränken, der für die krankheitsbegleitenden
Symptome verantwortlich ist. Der restliche Darm bleibt dabei so lange unberührt, wie
er keine Symptome verursacht, selbst wenn er von einer Crohn-Entzündung betroffen
sein sollte. Das Risiko eines operativ bedingten Kurzdarmsyndroms wird mit dieser
Strategie deutlich niedriger liegen. Sollten Patienten in eine Kurzdarmsituation kommen,
so ist dies häufig die Folge insuffizienter Primäroperationen mit septischen oder
anderen Komplikationen, die dann im weiteren Verlauf durch multiple Relaparotomien
mit weiteren Resektionen kompliziert wurden. Selten wird dies beobachtet, wenn Rezidivmanifestationen
mehrfache Operationen über einen längeren Zeitraum erforderlich machen.
Dünndarm oder ileokolische Erkrankung
Lokalisierte Ileum- oder ileozökale Erkrankung
Statement 8.1
Insbesondere bei isoliertem, symptomatischem Ileozökalbefall ist die Operation als
Alternative zur konservativen Therapie zu erwägen (B).
Kommentar
Dies betrifft die Behandlung des klassischen Morbus Crohn, der auf die Ileozökalregion
beschränkt ist, sich auf maximal 40 cm Darm ausbreitet und eine relevante Symptomatik
(CDAI > 220), aber ohne unmittelbar drohenden Darmverschluss aufweist. Besonders sinnvoll
ist die Operation bei medikamentös und endoskopisch therapierefraktären, typischerweise
postprandialen Schmerzen, wenn kein akut entzündliches Geschehen vorliegt. Bezüglich
dieser Stellungnahme gibt es einen hohen Konsens.
In populationsbasierten Untersuchungen müssen 50 – 80 % aller Patienten mit einem
isolierten Befall der Ileozökalregion im Laufe von 10 Jahren operiert werden [341]. Nach einer Resektion gibt es eine Chance von 50 %, dass der Patient dauerhaft in
Remission verbleibt. Dies wird durch mehrere Langzeitstudien unterstützt [342]
[343]
[344]
[345]. Bei der schwierigen Frage nach dem Zeitpunkt der chirurgischen Intervention gilt
es, abzuwägen, wie sich die Lebensqualität nach chirurgischer Behandlung entwickelt
(meist schlagartige Verbesserung) versus medikamentöser Therapie, deren Behandlungserfolg
im Vergleich mitunter nicht vollständig die Symptome beseitigt und nicht so schnell
das Beschwerdebild verbessert [346].
Begleitabszess
Statement 8.2
Bei abdominellem Begleitabszess sollte mit Antibiotika und in der Regel mit perkutaner
oder chirurgischer Drainage behandelt werden. In der Regel wird eine spätere Resektion
notwendig (B).
Kommentar
Wird ein aktiver Dünndarm-Crohn durch einen abdominellen Begleitabszess kompliziert,
erfolgt bevorzugt eine perkutane Drainage. Für den Fall, dass gleichzeitig eine Stenosesymptomatik
vorliegt, wird eine Resektion im Intervall empfohlen. Wenn keine Stenosesymptomatik
vorliegt, kann eine Drainage mit nachfolgender medikamentöser Therapie eine Behandlungsoption
sein. Die Entscheidung hängt damit eindeutig von der individuellen klinischen Situation
ab. Die primäre Erfolgsrate der interventionellen Drainage ist hoch. Allerdings gibt
es Hinweise aus der neueren Literatur, dass > 50 % der Patienten sekundär im Intervall
reseziert werden müssen (meist aufgrund von Fisteln, Stenosen oder Abzessrezidiven)
[347]
[348]
[349]. Die operative Drainage erfolgt dann, wenn der Abszess interventionell nicht zugänglich
ist oder oberflächlich liegt. Nur eine Publikation favorisiert die primäre operative
Behandlung gegenüber der interventionellen Drainage plus medikamentöse Therapie wegen
des geringeren Risikos eines Rezidivabszesses [350]. Zur Frage, ob auf eine perkutane oder chirurgische Abszessdrainage immer eine Resektion
im Intervall folgen muss, liegen keine randomisierten Studien vor. Trotzdem favorisieren
die meisten Serien eine Resektion im Intervall [348]
[350].
Strikturoplastik
Statement 8.3
Die symptomatische Striktur bzw. Stenose, die auf Medikamente nicht anspricht, stellt
eine Indikation zur Intervention dar. Die kurzstreckige endoskopisch erreichbare Stenose
kann dilatiert werden. Alle anderen Stenosen bedürfen der chirurgischen Therapie (B).
Kommentar
Bei den medikamentös therapierefraktären, endoskopisch nicht erreichbaren kurzstreckigen
Stenosen ist die Therapie der Wahl die Strikturoplastik. Die Strikturoplastik nach
Heinecke-Mikulicz erscheint bis zu einer Stenoselänge von 5 cm sinnvoll, wird aber
in der Literatur bei bis zu 10 cm langen Strikturen durchgeführt. Die überwiegende
Meinung ist, dass für Stenosen von > 10 cm Länge die Strikturoplastik nicht empfehlenswert
ist. Es gibt neuere publizierte Serien zu nicht konventionellen Strikturoplastiken
für längerstreckig stenosierte Darmsegmente mit guten Ergebnissen hinsichtlich der
Vermeidung eines Kurzdarmsyndroms [351]
[352]
[353]
[354]
[355]
[356]
[357]
[358]
[359]
[360]
[361]
[362]
[363]
[364]. Eine Darmwandphlegmone, ein Karzinom oder aktive mukosale Blutungen sind Kontraindikationen
für eine Strikturoplastik. Liegen mehrere Stenosen in einem kurzen Darmsegment bei
ausreichender Restdarmlänge ohne Gefahr eines Kurzdarmsyndroms vor, kann eine Resektion
sinnvoll sein. Die Fistel ist nicht unbedingt eine Kontraindikation, da diese im Rahmen
der Strikturoplastik mitentfernt werden kann (Strikturoplastik nach Judd). Rezidivstenosen
nach Strikturoplastik scheinen bei jüngeren Patienten häufiger zu sein als bei älteren
[358]
[362].
Laparoskopische Resektion
Statement 8.4
Unter Einhaltung der in der Crohn-Chirurgie geltenden Kriterien ist die Ileozökalresektion
in laparoskopischer Technik gleichwertig zur konventionellen Technik (A).
Kommentar
Die Literatur enthält eine überschaubare Zahl vergleichender Studien. Die meisten
davon sind retrospektiv und nicht randomisiert [365]
[366]
[367]. Bei Patienten mit Ileozölkalresektion bei Morbus Crohn zeigen zwei prospektive,
randomisierte Studien in Zentren mit spezialisierten chirurgischen Teams bessere Ergebnisse
mit der laparoskopischen Technik. Sie finden im Vergleich zur konventionellen Operationstechnik
weniger Komplikationen und kürzere Krankenhausaufenthalte [368]
[369]. Zum Thema laparoskopische versus offene Ileozökalresektionen gibt es auch zwei
Metaanalysen [370]
[371]. Die beiden Metaanalysen ergaben als wesentliche Vorteile für die laparoskopische
Operation einen kürzeren stationären Aufenthalt und ein schnelleres Ingangkommen der
Darmtätigkeit. Längere OP-Zeiten bei der MIC müssen als Nachteil in Kauf genommen
werden. Ein fixierter Konglomerattumor und multiple Fisteln gelten als relative Kontraindikationen.
Trotzdem muss gesagt werden, dass die Erfahrungen mit anderen laparoskopischen Operationen
(Cholezystektomie, Fundoplikatio) zeigen, dass die Unterschiede zwischen beiden Techniken
verschwinden, sobald Patient und Untersucher verblindet sind. Unterschiede in der
Krankenhausverweildauer und beim postoperativen Schmerz verkleinern sich ebenso.
Morbus Crohn des Kolons
Lokalisierte Kolonerkrankung
Statement 8.5
Eine Operationsindikation ist gegeben bei unter konservativer Therapie refraktärem
Verlauf (D). Die Operationsindikation ist gegeben bei einem auf konservative Therapie
(inklusive endoskopische Dilatation) refraktären Subileus. Dies gilt auch für Kolonstenosen,
deren Dignität nicht abzuklären ist (D).
Statement 8.6
Generell soll bei der Crohn-Chirurgie sparsam reseziert werden. Dies trifft auch für
Kolon-Resektionen zu (C).
Kommentar
Bisher galt, dass eine segmentale Resektion bei limitiertem Crohn-Befall des Kolons
eine höhere Rezidivrate als eine Proktokolektomie aufweist [372]
[373]
[374]
[375]
[376]
[377]. Inzwischen liegt eine Metaanalyse zur Frage Kolonsegmentresektion versus Kolektomie
mit ileorektaler Anastomose vor [378]. Die Häufigkeit symptomatischer und/oder operationspflichtiger Rezidive ist hier
nach beiden Operationsverfahren vergleichbar. Dabei ist das rezidivfreie Intervall
nach Kolonsegmentresektion kürzer. In diese Analyse wurden nur Studien eingeschlossen,
bei denen eine primäre Anastomose durchgeführt wurde. Permanente Stomaanlagen in der
Nachbeobachtungszeit durch Re-Operationen waren bei beiden Verfahren gleich häufig.
In einer prospektiven, nicht randomisierten Studie war die anorektale und Kontinenzfunktion
nach segmentaler Resektion signifikant besser als nach Kolektomie [377]. Obgleich die Rezidivrate nach Kolonresektion mit Anastomose höher ist als ohne
Anastomose [372]
[379], herrscht Übereinstimmung, dass der Wunsch, ein permantes Stoma zu vermeiden, in
der Regel schwerer wiegt als das Risiko einer Rezidiverkrankung.
Hochgradige intraepitheliale Neoplasie
Statement 8.7
Eine absolute OP-Indikation besteht bei einer bestätigten high-grade intraepithelialen
Neoplasie (IEN) (C).
Kommentar
Das Risiko für ein Kolonkarzinom ist bei der Colitis ulcerosa im Vergleich zur Normalbevölkerung
signifikant erhöht [82]. Im Gegensatz dazu sind die Daten zum Karzinomrisiko bei Morbus Crohn widersprüchlich
[83] (s. a. Kapitel Klinische und pathomorphologische Diagnostik).
Intraepitheliale Neoplasien sind Vorläuferläsionen kolitisassoziierter Karzinome.
In der Praxis werden sie allerdings oftmals als Marker oder Ausläufer eines bereits
manifesten Karzinoms diagnostiziert. Ein bioptischer Nachweis von Epitheldysplasien
(IEN) hat insofern eher Indikatorfunktion für das Krebsrisiko eines individuellen
Patienten. Crohn-assoziierte intraepitheliale Neoplasien kommen grundsätzlich in allen
Abschnitten des Kolons und Rektums vor [380].
Ileopouch-anale Anastomose (IPAA)
Statement 8.8
Bei Patienten mit Crohn-Kolitis soll eine IPAA in der Regel nicht vorgenommen werden
(B).
Kommentar
Viele publizierte Kohortenstudien zur restaurativen Proktokolektomie schließen vereinzelt
auch Patienten mit Morbus Crohn ein. Retrospektive Analysen dieser Untergruppe zeigen,
dass sie im Vergleich zu Colitis-ulcerosa-Patienten eine höhere Rate an Komplikationen
aufweisen. Die Versagerrate reicht dabei bis zu 50 % [381]
[382]
[383]
[384]. Allerdings gibt es eine Subgruppe von Crohn-Patienten, die ähnlich den Patienten
mit Colitis ulcerosa eine relativ niedrige Morbiditätsrate aufweist [385]
[386]. Von einigen Autoren werden hierfür Unterschiede in der Pathophysiologie verantwortlich
gemacht. Unter der Voraussetzung, dass es keine Hinweise für eine Beteiligung des
Dünndarms oder der Perianalregion gibt und der Patient bereit ist, ein erhöhtes Komplikationsrisiko
zu akzeptieren, würden einzelne Autoren aufgrund dieser Daten bei ausgewählten Patienten
trotz Diagnose eines Morbus Crohn eine IPAA-Operation in Betracht ziehen. Die Teilnehmer
der Konsensuskonferenz würden allerdings einstimmig von einer solchen Empfehlung abraten
und stützen sich dabei auf eine inzwischen vorliegende Metaanalyse, die bestätigt,
dass Crohn-Patienten mit IPAA häufiger Anastomosenstrikturen, Pouchitis, Pouchfisteln,
Pouchversagen und Inkontinenzprobleme haben als Patienten ohne Morbus Crohn [387].
Chirurgie und Medikation
Chirurgie nach anti-TNF-α-Antikörpertherapie
Statement 8.9
Das Risiko einer perioperativen Gabe von anti-TNF-α-Antikörpern kann in Bezug auf
postoperative Komplikationen nicht eingeschätzt werden, da die Datenlage ungenügend
ist (B).
Kommentar
TNF-α spielt eine Schlüsselrolle in der Immunantwort, sodass dessen Blockade durch
einen spezifischen anti-TNF-α-Antikörper theoretisch zu postoperativen Komplikationen
führen könnte. Allerdings konnte genau dies in 2 retrospektiven Studien nicht gezeigt
werden [388]
[389]. Die Mehrzahl der Experten sieht in einer anti-TNF-α-Antikörpertherapie keinen relevanten
Risikofaktor für chirurgische Komplikationen.
Patienten mit Kortikosteroiden
Statement 8.10
Die Datenlage zur postoperativen Komplikationsrate unter Steroidmedikation bei Crohn
ist uneinheitlich. Die Steroidgabe stellt keine Kontraindikation für eine Operation
dar. Eine präoperative Dosisreduktion sollte interdisziplinär in Abhängigkeit von
der klinischen Situation abgesprochen werden (C).
Kommentar
Insgesamt sind die Aussagen in der Literatur zum Morbiditätsrisiko bei Patienten mit
Morbus Crohn unter Kortisontherapie uneinheitlich. Einige unkontrollierte und retrospektive
Serien zeigen, dass Patienten, die eine Dosis von > 20 mg Prednisolon für > 6 Wochen
einnehmen, ein erhöhtes Risiko für chirurgische Komplikationen haben [390]
[391]
[392]
[393]. Einschränkend muss allerdings festgestellt werden, dass dabei im Analogieschluss
auch Studien zu Patienten mit Colitis ulcerosa herangezogen werden [391]
[392]
[393]. In 2 retrospektiven Auswertungen war das Risiko durch Kortisondosen > 20 mg/Tag
nicht erhöht [389]
[394]. Die meisten Experten sind sich einig, dass eine Behandlung mit Kortikosteroiden
einen Risikofaktor für postoperative Komplikationen darstellen kann und deshalb eine
präoperative Dosisreduktion interdisziplinär angestrebt werden sollte.
Patienten unter Azathioprin-/ 6-Mercaptopurin
Statement 8.11
Eine Azathioprin/ 6-Mercaptopurin-Medikation kann perioperativ sicher fortgesetzt
werden. Ebenso ist die Nachbehandlung mit Azathioprin/ 6-Mercaptopurin als sicher
anzusehen (B).
Kommentar
Azathioprin scheint das Risiko für postoperative Komplikationen nicht zu erhöhen [391]
[392]
[393]
[395]
[396]. Die hierzu vorliegenden Studien schließen zum Teil auch Patienten mit Colitis ulcerosa
ein [391]
[395]. Nur eine in Abstraktform erschienene Studie zeigt eine erhöhte Komplikationsrate
bei Morbus Crohn Patienten unter Azathiorinmedikation [397]. Die meisten Teilnehmer der Konsensuskonferenz stimmen überein, dass Azathioprin
perioperativ keinen relevanten Risikofaktor darstellt.
Eignung für chirurgische Eingriffe
Einen wichtigen Bestandteil des chirurgischen Managements stellt die Selektion der
Patienten für eine chirurgische Maßnahme dar. Ernährungs-, medizinische, soziale,
und psychologische Faktoren beeinflussen die perioperative Fitness. Ein hohes ernährungsmedizinisches
Risiko besteht bei Vorliegen eines der folgenden Kriterien: einem Gewichtsverlust
> 10 – 15 % innerhalb der letzten 6 Monate, BMI < 18,5 kg/m2, Serumalbumin < 30 g/l und/oder einem Subjective Global Assessment Grad C [162]
[398]. Die Verschiebung einer Operation zur Durchführung einer gezielten Ernährungstherapie
für 10 – 14 Tage (enteral ggf. parenteral) ist nur bei hohem ernährungsmedizinischem
Risiko, d. h. schwerer Mangelernährung, angezeigt [389]
[394]
[398]
[399]. Postoperativ kann nach individueller Toleranz frühzeitig mit dem oralen/enteralen
Kostaufbau begonnen werden.
9. Diagnose und Management des fistulierenden Morbus Crohn
Fisteln können bei Patienten mit Morbus Crohn an vielen Lokalisationen auftreten.
Am häufigsten werden sie in der Perianalregion diagnostiziert. Häufig sind auch Fisteln,
die verschiedene Abschnitte des Verdauungstrakts miteinander oder mit anderen Organen
verbinden und Fisteln, die vom Darm zur Bauchwand reichen. Bei der Planung einer Behandlung
Morbus-Crohn-assoziierter Fisteln sollten folgende Aspekte berücksichtigt werden:
-
Bestimmung von Ursprung und Verlauf der Fistel,
-
Untersuchung des fisteltragenden Darmsegments (Entzündung/Stenose),
-
Identifikation von lokal septischen Prozessen (Abszesse),
-
Feststellung, welche Organe betroffen und inwieweit sie für systemische Symptome oder
den Verlust von Lebensqualität verantwortlich sind,
-
Evaluation des Ernährungszustandes des Patienten.
Für perianale Fisteln liegen publizierte Studien in relevanter Zahl vor. Trotzdem
bleibt der Mangel an kontrollierten Studien zur kombinierten medizinischen und chirurgischen
Behandlung ein limitierender Faktor für eine klare Behandlungsempfehlung. Konzepte
zur Therapie der übrigen, selteneren Fisteln sind wenig wissenschaftlich basiert.
Dies begründet, warum dieses Kapitel vielmehr Details zu Expertenmeinungen beinhaltet.
Anorektale/perianale Fisteln
In bevölkerungsbasierten Studien schwankt die Inzidenz perianaler Komplikationen beim
Morbus Crohn zwischen 21 % und 23 % [400]
[401]. Die kumulative Häufigkeit lag 1 Jahr nach Krankheitsdiagnose bei 12 %, nach 5 Jahren
bei 15 %, nach 10 Jahren bei 21 % und nach 20 Jahren bei 26 %. Die Angaben zur Prävalenz
schwanken in Abhängigkeit von der Krankheitsausprägung. Perianale Fisteln zeigten
sich bei 12 % von Patienten mit einem isolierten Befall des Ileums, bei 15 % mit iliocolischem
Befall, bei 41 % der Patienten mit Kolonbefall und unter Aussparung des Rektums und
bei 92 % der Patienten mit Erkrankungen des Kolorektums [402]. Eine perianale Manifestation geht häufig intestinalen Symptomen voraus [401]
[402].
Nicht perianale Fisteln
Diese umfassen Fisteln, die zwischen dem Darm und anderen nicht intestinalen Organen
(z. B. Blase, Harnleiter, Vagina), zwischen 2 unterschiedlichen Darmsegmenten (interenterische
Fisteln) oder zwischen dem Darm und der Bauchwand (enterokutane Fisteln) verlaufen.
Bedingt durch die geringe Inzidenz dieser Fisteln ist die Literatur hierzu spärlich.
Diagnostik von anorektalen und perianalen Fisteln
Fisteldiagnostik
Statement 9.1
Das therapeutische Vorgehen beim fistulierenden Morbus Crohn wird entscheidend beeinflusst
von der Fistellokalisation, den beteiligten Organen und der Krankheitsaktivität. Wegen
der therapeutischen Konsequenzen ist eine Unterscheidung in anale Fisteln und enterische
Fisteln notwendig (D).
Statement 9.2
Beim analen Fistelleiden ist die klinische Untersuchung, ggf. in Narkose, Standard.
Ergänzend stehen die anorektale Endosonografie und das MRT zur Verfügung. In spezialisierten
Zentren wird die Endosonografie zur Festlegung der operativen Behandlungsstrategie
bevorzugt (A). Eine Fistulografie wird nicht empfohlen (C).
Statement 9.3
Da die Ergebnisse der Fisteltherapie vom Entzündungsgrad der Rektumschleimhaut abhängen,
ist zur Festlegung des Therapiekonzepts eine endoskopische Schleimhautbeurteilung
unabdingbar (C).
Kommentar
Beim perianal fistulierenden Morbus Crohn kommt der Diagnostik im Hinblick auf die
Behandlungsstrategie eine Schlüsselrolle zu. Zur Verfügung stehen unter anderem die
Untersuchung in Narkose, die Endosonografie sowie die MRT. All diese Methoden sollten
durch eine Endoskopie des Ano-Rektums ergänzt werden, um die lokale Entzündungssituation
abzuklären. Es gibt nämlich Hinweise aus Einzelberichten, dass das Fistelleiden nur
dann erfolgreich therapiert werden kann, wenn gleichzeitig der entzündliche Crohnbefall
des Darmes behandelt wird. Mit einer Treffersicherheit von ca. 91 % ist die Narkoseuntersuchung
sehr präzise [403]. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, in gleicher Narkose therapeutische chirurgische
Maßnahmen durchzuführen. Hierbei kommt der umfassenden präoperativen Aufklärung des
Patienten eine besondere Bedeutung zu. Perianale Schmerzen deuten fast immer auf ein
Abszessgeschehen hin. Liegt ein Abszess vor oder wird ein solcher vermutet, sollte
kurzfristig eine Narkoseuntersuchung erfolgen, um den septischen Fokus zu lokalisieren
und zu drainieren. Folgekomplikationen eines fortschreitenden Abszessgeschehens im
Schließmuskelbereich können so vorgebeugt werden.
Beim fistulierenden Crohn hat die MRT-Untersuchung eine Treffergenauigkeit von 76 –100
% und kann wertvolle Zusatzinformationen liefern. Die Treffsicherheit der Endosonografie
wird mit 56 –100 % angegeben. Sie ist in einem hohen Maß von der Erfahrung des Untersuchers
abhängig und kann durch Instillation von Wasserstoffperoxid verbessert werden [404]
[405]
[406]. Abhängig von der individuellen Expertise und der Verfügbarkeit der Untersuchungsmethode
würde etwa die Hälfte der Experten eine Narkoseuntersuchung, die andere Hälfte eine
transanale Endosonografie auch zur Primäruntersuchung bevorzugen. Zur Verlaufskontrolle
ist die Endosonografie nur in erfahrenen Händen zu empfehlen. Zu berücksichtigen sind
ebenso technische Grenzen der Methode aufgrund lokaler Problemsituationen wie Abszesse
und Stenosen [407]
[408]
[409]
[410]. In erfahrenen Zentren wird die Endosonografie zur Operationsplanung bevorzugt.
Möglich ist auch eine transperineale Sonografie [411]
[412]. Zur Primärevaluation des Analsphinkters kann fakultativ zur Quantifizierung hier
eine anorektale Manometrie erfolgen [413].
Klassifikation von perianalen Fisteln
In der Literatur wurden verschiedene Klassifikationen vorgeschlagen. Entweder wurde
die Fistel durch ihre Lage im Bereich des anorektalen Rings (z. B. kranial oder kaudal)
oder anatomisch präziser im Bezug auf den äußeren Schließmuskel klassifiziert (nach
Parks) [414]. Darüber hinaus existiert aus Gründen der Praktikabilität eine Einteilung in einfache
und komplexe Fisteln [415]. Aus chirurgischer Sicht wird in der Literatur die Klassifikation nach Parks bevorzugt
[416]
[417].
Eine Fistelklassifikation in einfache und komplexe Fisteln basierend auf klinischen
und endoskopischen Kriterien wurde von der Mehrzahl der Experten die Einteilung nach
Parks von einigen Experten bevorzugt. Andere Klassifikationssysteme wurden selten
genutzt. Von vielen Experten wurde der „perianal disease activity index” (PDAI) zur
allgemeinen Beurteilung der perianalen Erkrankung als hilfreich erachtet [418].
Behandlung von Fisteln
Prinzipiell sollten nur symptomatische Analfisteln therapiert werden. Im Vordergrund
steht hier immer eine interdisziplinäre Betreuung mit einer Verlaufskontrolle von
gastroenterologischer und chirurgischer Seite [419]
[420]
[421]
[422]
[423].
Einfache perianale Fisteln
Statement 9.4
Nur bei symptomatischen perianalen Fisteln besteht eine Therapieindikation. Die Fisteltherapie
ist eine interdisziplinäre Aufgabe. Dies gilt auch für ano-vaginale Fisteln (D).
Die Spaltung von transsphinktären Fisteln ist in der Regel kontraindiziert (D).
Kommentar
Asymptomatische einfache perianale Fisteln sollten nicht behandelt werden. Nur wenn
diese symptomatisch sind, können z. B. nicht schneidende Setons oder eine Fistulotomie
empfohlen werden. Fast alle Teilnehmer der Konsensuskonferenz benutzen Antibiotika
als erste therapeutische Option [416]
[423]
[424]
[425]. Metronidazol (750 – 1500 mg/d) oder Ciprofloxacin (1000 mg/d) sind Mittel der Wahl.
Azathioprin/ 6-Mercaptopurin kann als zweite Option und Infliximab als dritte Option
eingesetzt werden [426]
[427]
[428]
[429]. Allerdings favorisieren viele Experten beim Vorliegen einer symptomatischen einfachen
Fistel von Beginn an eine kombinierte medikamentöse und chirurgische Strategie [407]
[430].
Transsphinktäre Analfisteln sollten in der Regel nicht komplett gespalten werden.
Distale (auch transsphinktere) Fisteln ohne wesentliche Sphinkterbeteiligung können
gespalten werden. Bei proximalen Fisteln ist ein individuelles Vorgehen (Langzeitfadendrainage,
plast. Verschluss, Spaltung mit primärer bzw. sekundärer Rekonstruktion) zu wählen.
Vollständig extrasphinktär subkutan verlaufende Fisteln sollten stets gespalten und
exzidiert werden. Komplexe transsphinktäre Fisteln werden generell zunächst fadendrainiert,
um sie in eine einfache Fistel zu überführen [431]
[432]. Plastische Deckungen sind im Einzelfall möglich [431]
[432]. Eine Ileostomaanlage – bzw. bei nicht befallenem Kolon eine Sigmoidostomie – sollte
bei einem komplexen Fistelsystem, bei Inkontinenz oder einer fistelassoziierten Rektumstenose
in Betracht gezogen werden. Die Proktektomie gilt nur als Ultima Ratio bei einem therapierefraktären
anorektalen Befall.
Fissuren stellen i. d. R. keine Operationsindikation dar.
Komplexe perianale Erkrankung
Statement 9.5
Vor einer konservativen Therapie müssen perianale Abszesse ausgeschlossen oder drainiert
werden (B). Die sezernierende Fistel, die nicht unter Antibiotikatherapie inaktiviert
werden kann, sollte mit einer Setondrainage behandelt werden (D). Das weitere Vorgehen
sollte einer eng interdisziplinär abzustimmenden Sequenz von Immunsupressiva, Infliximab
und Deviationsstoma folgen (D).
Statement 9.6
In Abhängigkeit vom Schweregrad der Erkrankung, fehlendem Ansprechen auf medikamentöse
Therapie und/oder stark eingeschränkter Lebensqualität sollte eine Diversionsenterostomie
durchgeführt werden. Die Proktektomie ist eine Ultima Ratio (D).
Statement 9.7
Fisteln sind Ausdruck einer aktiven Grunderkrankung. Nach Abszessausschluss bzw. Drainage
sollte daher in der Regel eine begleitende immunsuppressive Therapie eingeleitet werden.
Azathioprin/ 6-Mercaptopurin ist dabei Therapie der ersten Wahl. Bei Versagen dieser
Therapie und/oder hoher Krankheitsaktivität sollte Infliximab eingesetzt werden. Nur
bei nachgewiesener Wirksamkeit ist eine Erhaltungstherapie mit Infliximab sinnvoll
(D).
Statement 9.8
Bei inaktivierter Fistel ohne aktive entzündliche Veränderungen im Rektum kann ein
plastischer Fistelverschluss durchgeführt werden (D).
Kommentar
Sofern unter einer Antibiotikatherapie eine symptomatische/sezernierende Fistel nicht
inaktiv wird, ist eine Setondrainage sinnvoll, bei der in der Regel auch eine partielle
Fistulektomie erforderlich ist.
Vor einem plastischen Verschluss einer Rektumfistel muss ein simultaner sonstiger
intestinaler Befall insbesondere im Enddarm ausgeschlossen bzw. saniert sein. Als
Therapie der Wahl zum Verschluss einer inaktivierten Rektumfistel gilt dann ein Mukosaverschiebelappen
von rektal her.
Ano-vaginale Fisteln
Statement 9.9
Bei der symptomatischen ano-vaginalen Fistel gelten identische Therapieprinzipien.
Auch bei diesen Fisteln kann nach Inaktivierung ein plastischer Fistelverschluss durchgeführt
werden (D).
Kommentar
Ano-vaginale Fiseln stellen per se keine Operationsindikation dar, solange es sich
um oligo-symptomatische Fisteln handelt. Eine Operationsindikation ist gegeben bei
stark symptomatischen Fisteln. Voraussetzung für einen plastischen Fistelverschluss
ist ein entzündungsfreies Rektum. Als Therapie der Wahl gilt ein rektaler Mukosaverschiebelappen.
Als alternatives Operationsverfahren (i. d. R. mit temporärer Schutzenterostomie)
kann die sog. Martius-Plastik, eine Episioproktektomie mit primärer Rekonstruktion,
eine Grazilisplastik oder neue alloplastische Verfahren angewandt werden [267]
[268].
Ano-vaginale Fiseln stellen per se keine Operationsindikation dar, solange es sich
um oligo-symptomatische Fisteln ohne Begleitinfektion im Bereich der Vagina oder ableitenden
Harnwege handelt. Eine Operationsindikation ist gegeben bei stark symptomatischen
Fisteln und rezidivierenden vaginalen und Harnwegsinfektionen. Voraussetzung für einen
plastischen Fistelverschluss ist ein entzündungsfreies Rektum. Als Therapie der Wahl
gilt ein rektaler Mukosaverschiebelappen. Als alternatives Operationsverfahren kann
die sog. Martius-Plastik angewandt werden [431]
[432].
Enterische Fisteln
Statement 9.10
Nur symptomatische enterische Fisteln müssen therapiert werden. Die Vorgehensweise
hängt von der Lokalisation, der Einbeziehung von Nachbarorganen und der Symptomatik
ab (D).
Kommentar
Eine absolute OP-Indikation besteht bei enterischen Fisteln nur bei einem funktionellen
Kurzdarmsyndom (Bypass). Kürzerstreckige interenterische Fisteln, z. B. zwischen terminalem
Ileum und Colon ascendens, stellen keine absolute OP-Indikation dar. Es wird nur das
fisteltragende entzündete Segment reseziert. Die Fistelmündung, der sog. Fisteleinschuss,
in nicht Crohn-befallene Darmabschnitte bzw. Nachbarorgane wie Blase oder Uterus wird
nur exzidiert und übernäht [433]. Ansonsten werden interenterische Fisteln nur im Rahmen eines operativen Eingriffs
aufgrund einer anderweitigen Indikation mitbehandelt [433].
Zur konservativen Therapie der enterischen Fistel benutzen die meisten Experten initial
ähnliche medikamentöse Strategien wie bei perianalen Fisteln. Dass eine antibiotische
Therapie (Ciprofloxazin und Metronidazol) alleine erfolgreich in der Fisteltherapie
eingesetzt werden kann, konnte bisher in einer nicht randomisierten prospektiven Studie
nachgewiesen werden. Der Erfolg konnte in dieser Studie bei perianalen Fisteln nur
stabilisiert werden, wenn anschließend eine Erhaltungstherapie mit Azathioprin durchgeführt
wurde [434]. In einer randomisierten Doppelblindstudie wurde gezeigt, dass die Behandlung von
perianalen Fisteln mit Ciprofloxacin zusätzlich zu Infliximab signifikant erfolgreicher
ist als Infliximab alleine [409].
An mögliche Abszesse bei blind endenden Fisteln muss gedacht werden. Diese sollten
in einem ersten Schritt drainiert werden.
Enterovesikale Fisteln
Statement 9.11
Eine OP-Indikation besteht bei Nachweis einer enterovesikalen Fistel (D).
Kommentar
Zur Anwendung von Infliximab bei Patienten mit enterovesikalen Fisteln existiert nur
eine größere Fallserie, die eine Abheilung bei weniger als der Hälfte der Patienten
zeigte [435].
Enterokutane Fisteln
Statement 9.12
Obwohl keine direkten Daten vorliegen, wird bei hoher Krankheitsaktivität und ausgedehnter
Krankheitsmanifestation eine abgestufte Immunsuppression mit Azathioprin/ 6 MP und
anti-TNF-α-Antikörpern empfohlen. Bei kurzstreckigem Befall mit isolierten enterokutanen
Fisteln und hoher Fördermenge und/oder lokalen Versorgungsproblemen sollte primär
eine operative Fistelsanierung erfolgen (D).
Kommentar
Das Vorgehen bei enterokutanen Fisteln ist uneinheitlich. Es gibt hierzu nur retrospektive
Fallsammlungen. Operative und konservative Konzepte werden dort mit unterschiedlicher
Erfolgsrate berichtet [436]. Zusätzlich zur Subgruppe der Patienten mit enterkutanen Fisteln in der ACCENT-II-Studie
zur Infliximab-Erhaltungstherapie beschreiben 2 Autoren medikamentöse Therapien enterokutaner
Fisteln mit Infliximab [435]
[437]
[438]. Die Ansprechrate lag dabei zwischen 0 und 68 %.
Interenterische Fisteln
Statement 9.13
Eine dringliche Operationsindikation besteht bei funktionellem Kurzdarmsyndrom (Bypass)
(D).
Fisteln im Retroperitoneum
Statement 9.14
Blind endende, im Retroperitoneum abszedierende Fisteln sollten operativ angegangen
werden (D).
Kommentar
Blind endende Fisteln stellen immer eine absolute OP-Indikation dar [439]. Blind endende retroperitoneale Fisteln können zu schweren Sepsisverläufen führen.
Medikamentöse Therapie
Metronidazol und Ciprofloxacin
Es gibt keine randomisierten kontrollierten Studien zur Wirksamkeit von Metronidazol
und/oder Ciprofloxacin in der Behandlung von perianalen Fisteln beim Morbus Crohn.
Unkontrollierte Fallserien sind die einzige Basis für die Empfehlung beider Substanzen
[422]
[440]
[441]. Antibiotika sind effektiv in der Symptombekämpfung, induzieren allerdings selten
eine vollständige Fistelheilung. Nach Absetzen der Antibiotika kommt es in der Regel
zu einer klinischen Verschlechterung.
Azathioprin/ 6-Mercaptopurin
Es gibt keine randomisierten kontrollierten Studien zur Abheilung von perianalen Fisteln
bei Morbus Crohn durch Azathioprin oder 6-Mercaptopurin als primären Endpunkt. Die
Daten, die den Einsatz dieser Medikamente unterstützen, kommen aus 5 randomisierten
Studien, in denen die Fistelheilung sekundärer Endpunkt der Studie war und weiteren
unkontrollierten Fallserien [442]
[443]. In diesem Kontext scheinen AZA und 6-MP die Abheilung von Fisteln sowie die Remissionserhaltung
effektiv zu unterstützen [444].
Infliximab
Infliximab war die erste Substanz, für die in RCTs gezeigt werden konnte, dass sie
die Abheilung perianaler Fisteln und die Remissionserhaltung für ein Jahr bewirken
kann. In der Behandlung einfacher und komplexer Fisteln konnte gezeigt werden, dass
Dosen von je 5 mg/kg in Woche 0, 2 und 6 die komplette Abheilung (Versiegen sämtlicher
Sekrete zu 2 Untersuchungszeitpunkten, die 2 Monate auseinander liegen) in 55 % der
Fälle bewirken [445]. Die ACCENT-II-Studie bestätigte diese initiale Ansprechrate und randomisierte Responder
mit 5 mg/kg alle 8 Wochen gegen Placebo [437]
[446]. Nach 54 Wochen zeigten 36 % der randomisierten Patienten durch Infliximab eine
komplette Fistelheilung, verglichen mit 19 % der Patienten in der Placebogruppe. Eine
Erhaltungstherapie mit Infliximab reduzierte die Krankenhausaufenthalte und chirurgische
Interventionen [447]. Diese Effekte wurden im klinischen Alltag durch mehrere unkontrollierte Fallstudien
bestätigt [448]
[449].
Cyclosporin A
Die einzigen Daten zur intravenösen Gabe von Cyclosporin A bei perianalen Fisteln
beim Morbus Crohn stammen aus mehreren unkontrollierten Fallserien, die zusammen weniger
als 100 Patienten einschließen [450]. Patienten, die auf die Behandlung ansprachen, wurden auf orales CsA umgesetzt.
Allerdings war die Wirkung nach Absetzen des Medikaments schnell verloren.
Tacrolimus
Unkontrollierte Fallserien zeigten, dass Tacrolimus in der Behandlung des perianalen
Fistelleidens beim Morbus Crohn wirksam ist [451]
[452]
[453]
[454]. Eine daraus resultierende randomisierte plazebokontrollierte Studie zeigte, dass
Tacrolimus (0,2 mg/kg/Tag oral) nach 4 Wochen zu einem Ansprechen der perianalen Fisteln
(Verschluss von mindestens 50 % der Fistel), nicht jedoch einer zu Abheilung (Verschluss
von 100 % der Fisteln) führte [455].
Andere Behandlungskonzepte
Fallberichte und unkontrollierte Studien zeigten einen Benefit von enteraler oder
parenteraler Zusatzernährung. Andere Behandlungsansätze wie Mycophenolat-Mofetil Thalidomid,
GM-CSF oder hyperbare Sauerstoffbehandlung sind noch als experimentell einzustufen
[456]
[457]
[458]
[459]
[460]
[461].
Teil IV Extraintestinale Manifestationen, Psychosomatik und komplementäre und alternative
Therapien
Teil IV Extraintestinale Manifestationen, Psychosomatik und komplementäre und alternative
Therapien
10. Extraintestinale Manifestationen
Extraintestinale Manifestationen bei Patienten mit Morbus Crohn sind relativ häufig
und treten bei etwa 30 % aller Patienten auf [462]. Während einige extraintestinale Manifestationen vorwiegend im Rahmen von Schüben
des Morbus Crohn auftreten (z. B. Erythema nodosum), sind andere weitgehend unabhängig
vom Verlauf der Grunderkrankung (z. B. Typ-II-Arthritis). Die meisten extraintestinalen
Manifestationen werden von dem behandelnden Gastroenterologen sicher erkannt und behandelt.
In einigen Situationen ist die Expertise von anderen Fachärzten (z. B. Augenarzt bei
Uveitis) notwendig, um die Diagnose zu bestätigen und die Therapie einzuleiten. Auffällig
ist der Mangel an kontrollierten, randomisierten Studien über die Behandlung von extraintestinalen
Manifestationen des Morbus Crohns, sodass die Arbeitsgruppe als Grundlage für die
Therapie auch auf Fallberichte oder Fallsammlungen zurückgreifen musste.
Gelenkmanifestationen
Diagnostik
Statement 10.1
Die Diagnose der CED-assoziierten peripheren Arthritis erfolgt klinisch und basiert
auf charakteristischen Merkmalen und dem Ausschluss anderer spezifischer Formen der
Arthritis (D). Bei der peripheren Arthritis ist der Typ I pauciartikulär und betrifft
akut die großen Gelenke zu Zeitpunkten einer bestehenden CED-Aktivität, während der
Typ II polyartikulär ist und eine größere Zahl peripherer Gelenke unabhängig von der
CED-Aktivität betrifft (B). Die axiale Arthritis, einschließlich der Sakroiliitis
und der ankylosierenden Spondylitis, wird nach konventionellen, rheumatologischen
Kriterien diagnostiziert und wird von charakteristischen radiologischen Veränderungen,
die am sensitivsten in der MRT dargestellt werden, unterstützt (D).
Kommentar
Bei Morbus Crohn kann eine entzündliche Beteiligung des Achsenskeletts, eine Arthritis
der peripheren Gelenke und das unspezifische Symptom der Arthralgie auftreten. Der
rheumatologische Symptomenkomplex ist in das Konzept der seronegativen Spondyloarthritiden
(SpA) integriert. Die Klassifikationskriterien der Europäischen Spondyloarthritis-Studiengruppe
sind bei einem Patienten mit Morbus Crohn erfüllt sofern a) ein früherer oder gegenwärtiger
entzündlicher Wirbelsäulenschmerz von mindestens 3 Monaten Dauer oder b) eine asymmetrisch
oder vorwiegend an den unteren Extremitäten bestehende Synovialitis vorliegt [463]. Orchard et al. [464] haben darüber hinaus bei Patienten mit Morbus Crohn eine weitere Unterteilung der
peripheren Arthritiden in einen Typ I und II vorgeschlagen.
Bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) wird die Prävalenz
der SpA in spezialisierten Zentren mit 10 – 32 % [462]
[465]
[466]
[467], in universitären gastroenterologischen Zentren in Deutschland mit 14 % und in Belgien
mit 32 % angegeben. Sie ist somit bei einer geschätzten Häufigkeit in der deutschen
Allgemeinbevölkerung von 1,9 % [468] gegenüber dieser deutlich erhöht.
Therapie der peripheren Arthritis
Statement 10.2
Die Behandlung der CED-assoziierten Arthritis basiert fast vollständig auf Extrapolationen
von anderen Formen der Arthritis. Im Fall der peripheren Arthritis Typ I sollte die
Behandlung des zugrunde liegenden Morbus Crohn im Vordergrund stehen (C). Bei der
Typ-II-Arthritis werden Sulfasalazin, Methotrexat und in refraktären Fällen anti-TNF-Antikörper
(B) eingesetzt.
Kommentar
Die periphere Arthritis wird in die Typen I und II unterteilt [464]. Der Typ I ist pauciartikulär und betrifft große (vorwiegend tragende) Gelenke einschließlich
der Knöchel, Knie, Hüften, Handgelenke, Ellbogen und Schultern. Es sind weniger als
5 Gelenke betroffen. Die Arthritis tritt üblicherweise schubassoziiert akut auf, ist
selbstlimitierend (eher Wochen als Monate), hinterlässt am Gelenk keinen dauerhaften
Schaden und erfordert daher keine spezifische rheumatologische Therapie. Der Typ II
ist polyartikulär und betrifft meist die kleinen Gelenke der Hand; die Arthritis persistiert
länger (Monate oder Jahre) und kann unabhängig von der Aktivität des Morbus Crohn
auftreten. Die Therapie erfolgt daher analog der Behandlung der Spondyloarthritiden.
Die Diagnose der peripheren Arthritis erfolgt klinisch durch die schmerzhaft geschwollenen
Gelenke. Die Differenzialdiagnose schließt die Osteoarthritis, die septische Arthritis
oder die koinzidente seropositive rheumatoide Arthritis oder Nebenwirkungen der Behandlung
(z. B. einen Steroidentzug, eine Osteonekrose, eine Azathioprin-induzierte Arthropathie
oder ein Infliximab-assoziiertes Lupus-ähnliches Syndrom) ein.
Therapie der Arthralgie
Statement 10.3
Bei chronischen peripheren Arthralgien können in der Akutbehandlung Analgetika wie
Novalminsulfon oder Opioide eingesetzt werden (D). NSAR sollten nicht routinemäßig
eingesetzt werden aufgrund der inkonsistenten Datenlage bezüglich der Exazerbation
der Grunderkrankung (D). COX-2-selektive Antiphlogistika sind bezüglich des Rezidivrisikos
günstiger, können aber nicht generell empfohlen werden (B).
Kommentar
Die ätiologische Zuordnung von Arthralgien ist schwierig. Eine verlässliche Evidenz
für die Behandlung von Arthralgien bei Patienten mit Morbus Crohn ist nicht vorhanden.
RCTs bei Patienten mit CED zeigten für COX-2-Antagonisten keinen negativen Effekt
auf die Grunderkrankung [469]
[470].
Therapie der axialen Arthritis
Statement 10.4
Bei Patienten mit axialer Arthritis ist eine Therapie mit anti-TNF-α-Antikörpern wirksam
(B). Die Patienten profitieren zudem von einer intensiven Physiotherapie (C).
Kommentar
Die axiale Arthritis schließt die Spondylitis und Sakroileitis ein. Die asymptomatische
Sakroileitis ist häufig. Bis zu 50 % der Patienten mit Morbus Crohn zeigen einen abnormen
radiografischen Befund. Der Befall der Wirbelsäule, insbesondere der Sakroiliakalgelenke,
wird durch die rheumatologischen Kriterien des entzündlichen Rückenschmerzes charakterisiert.
Traditionelle Basistherapeutika (DMARD) (z. B. Sulfasalazin, Methotrexat oder Leflunomid)
sind zur Behandlung der axialen Erkrankung bei Patienten mit Spondyloarthritis ineffektiv.
NSAR sind wirksam, es gilt jedoch das unter Therapie der Arthralgie gesagte. Anti-TNF-Antikörper
sind bei Patienten mit ankylosierender Spondylitis die wirksamste Therapie [471], ihre Wirksamkeit auf die Arthritis ist auch bei Patienten mit Morbus Crohn nachgewiesen
[472]
[473]
[474]
[475].
Osteoporose
Definition
Statement 10.5
Die Diagnose einer Osteoporose wird durch Messung des T-Wertes < –2,5 an der LWS mittels
DEXA gestellt. Eine Osteopenie entspricht einem T-Wert von < –1 und > –2,5 an der
LWS (D). Der Nachweis einer verminderten Knochendichte (BMD) bei Patienten mit Morbus
Crohn ist ein Faktor für ein erhöhtes Frakturrisiko (B).
Kommentar
Die Messung der Knochendichte an der LWS ist ein präzises Verfahren mit hoher Reproduzierbarkeit
[476]. Eine Knochendichtemessung zur Diagnose einer Osteoporose sollte bei Patienten durchgeführt
werden, die mit systemischen Steroiden längerfristig behandelt wurden, einen chronisch-aktiven
Verlauf ihrer Erkrankung aufweisen oder ausgedehnte Dünndarmresektionen aufweisen.
Vordringliches Ziel der Therapie zur Osteoporose-Prophylaxe ist es aber, ggf. durch
eine Therapieeskalation die systemische Steroidtherapie unnötig werden zu lassen.
Knochendichtemessungen bei Kindern und Jugendlichen sind nur sinnvoll, wenn sie unter
Berücksichtigung der alters- und geschlechtsspezifischen Normwerte interpretiert werden.
Bei der DEXA-Methode kommt es zu einer Fehleinschätzung, wenn die Kinder für ihr Alter
zu klein sind, was bei MC-Patienten der Fall sein kann [477]
[478]
[479].
Therapie
Statement 10.6
Patienten mit Nachweis einer erniedrigten Knochendichte (T-Wert < –1) oder einer Malabsorption
mit erhöhtem Parathormon sollten eine Substitutionstherapie mit Kalzium und Vitamin
D erhalten. Gleiches gilt für Patienten unter einer Steroidtherapie (C). Gleichzeitig
wird körperliches Training, Einstellung des Rauchens und eine Reduktion des Alkoholkonsums
empfohlen (D).
Statement 10.7
Patienten mit nachgewiesenen Frakturen sollten mit Bisphosphonaten behandelt werden
(C). Die Wirksamkeit einer Primärprävention von Frakturen bei Patienten mit Morbus
Crohn und einer signifikant verminderten Knochendichte (T-Wert < –2,5) mit Bisphosphonaten
ist nicht nachgewiesen.
Kommentar
Die Therapie mit Kalzium und Vitamin D beugt einem Knochenmasseverlust unter einer
Steroidtherapie vor und führt in der Langzeitanwendung zu einer signifikanten Steigerung
der Knochendichte [480]. Große kontrollierte Studien mit Patienten mit Morbus Crohn liegen hierzu nicht
vor. Die Empfehlung leitet sich aus den vorliegenden Daten für die steroidinduzierte
Osteoporose ab [481]. Eine Reihe von Bisphosphonaten führt bei Patienten mit Morbus Crohn zu einer signifikanten
Anhebung der Knochendichte [482]
[483]. Eine Primärprävention von Frakturen durch Aminobisphosphonate konnte bisher bei
Patienten mit Morbus Crohn nicht nachgewiesen werden. Hierzu wären Studien mit hohen
Patientenzahlen über mehrere Jahre notwendig.
Hautmanifestationen
Diagnostik
Statement 10.8
Die Diagnose von Hautmanifestationen bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen
wird auf dem Boden klinischer Kriterien gestellt. Hierbei sollten andere Hauterkrankungen
ausgeschlossen werden. Eine Hautbiopsie ist nur in seltenen Fällen notwendig (B).
Kommentar
Die Diagnose Erythema nodosum wird aufgrund der typischen erhabenen, rot-violett verfärbten
subkutanen Hautknötchen gestellt. Am häufigsten sind die distalen Streckseiten der
Extremitäten betroffen. Gewöhnlich finden sich diese Veränderungen im Rahmen eines
akuten Schubes der Crohn-Erkrankung. Falls eine Hautbiopsie durchgeführt wurde, findet
sich histologisch eine unspezifische fokale Panniculitis [484]. Differenzialdiagnostisch kommen metastatische Hautmanifestationen des Morbus Crohn
(histologisch: nicht verkäsende Granulome) und sehr seltene, meist in kasuistischen
Mitteilungen erwähnte Hautveränderungen wie Psoriasis, Rosacea, Epidermolysis bullosa
acquisita und das Sweet-Syndrom infrage [485]
[486].
Das Pyoderma gangraenosum kann am ganzen Körper auftreten, bevorzugt im Bereich von
Stoma oder Streckseiten der unteren Extremität. Bei Verdacht auf Pyoderma gangraenosum
ist eine Hautbiopsie obsolet [487]. Das Pyoderma gangraenosum ist durch eine Hautnekrose mit tiefen exkavierten Ulzera
gekennzeichnet.
Therapie
Statement 10.9
Die Behandlung des Erythema nodosum orientiert sich an der Therapie des zugrunde liegenden
Morbus Crohn. Der Einsatz von systemischen Steroiden ist häufig notwendig (C).
Statement 10.10
Das Pyoderma gangraenosum wird mittels systemischer Steroide behandelt (C). Eine immunsuppressive
Therapie mit Azathioprin sollte begonnen werden. Bei therapierefraktären Fällen werden
anti-TNF-α-Antikörper (A), Cyclosporin oder Tacrolimus (D) eingesetzt.
Kommentar
Die Therapie des Erythema nodosum entspricht der Therapie der Grunderkrankung. Gewöhnlich
wird eine Therapie mit systemischen und gegebenenfalls lokalen Steroiden begonnen
[488]
[489]. Eine immunsuppressive Therapie mit Azathioprin sollte erwogen werden, falls steroidrefraktäre
Verläufe oder gehäuft Rezidive auftreten. Die systemische Gabe von Steroiden wird
häufig als die Therapie der ersten Wahl zur Behandlung eines Pyoderma gangraenosum
angesehen [488]. In kasuistischen Mitteilungen wurde über die erfolgreiche Therapie mit Cyclosporin
[490] und Tacrolimus [491] berichtet, sodass in therapierefraktären Fällen diese Therapie erwogen werden kann.
Die Effizienz einer Infliximabtherapie wurde in einer kleinen placebokontrollierten
Studie nachgewiesen [492]. Allerdings sollte aufgrund des Nebenwirkungsspektrums die Gabe von Infliximab ebenfalls
nur bei therapierefraktären Fällen erwogen werden.
Augenmanifestationen
Statement 10.11
Um die Diagnose einer unkomplizierten Episkleritis zu stellen, müssen zunächst die
Komplikationen einer Uveitis ausgeschlossen werden. In der Regel ist hierzu die Überweisung
zum Facharzt (Ophthalmologen) zur Spaltlampen-Untersuchung notwendig (D). Die Episkleritis
erfordert keine systemische Therapie. Sie reagiert normalerweise auf die topische
Gabe von Kortikosteroiden (D).
Statement 10.12
Die Uveitis wird mit Kortikosteroiden behandelt. Es kann sowohl eine systemische als
auch topische Anwendung erforderlich sein (D). Eine immunmodulatorische Therapie mit
Azathioprin, Methotrexat oder Infliximab scheint in resistenten Fällen hilfreich zu
sein (D).
Kommentar
Die Therapie von Augenmanifestationen bei Morbus Crohn stützt sich lediglich auf Fallberichte
und Fallsammlungen. Kontrollierte Studien zu diesem Thema existieren nicht [493].
Hepatobiliäre Erkrankungen
Diagnostik
Statement 10.13
Das diagnostische Vorgehen bei hepatobiliären Erkrankungen in Verbindung mit Morbus
Crohn entspricht der Standarddiagnostik bei erhöhten Leberwerten mit abdominalem Ultraschall
und Labor einschließlich Virologie und Autoimmunmarkern (D). Die ERCP stellt derzeit
den Goldstandard der Diagnostik bei PSC dar (D). Die PSC hat ein erhöhtes Risiko für
Cholangiokarzinome, bei Vorliegen einer Crohn-Colitis ist das Risiko für kolorektale
Karzinome erhöht (A).
Kommentar
Hepatobiliäre Erkrankungen sind bei Patienten mit Morbus Crohn nicht unüblich. Die
PSC kommt bei Morbus Crohn insgesamt seltener als bei Colitis ulcerosa vor, findet
sich aber bei etwa 9 % der Patienten mit Crohn-Kolitis. Pericholangitis, Fettleber,
chronische Hepatitis, Leberzirrhose und Gallensteine treten häufiger auf als bei der
Normalbevölkerung. Manche bei Morbus Crohn eingesetzte Medikamente können lebertoxisch
sein. Erhöhte Leberwerte und Cholestase-Hinweise sollten Anlass für eine erweiterte
Labordiagnostik und Ultraschall sein. Wenn die Standarddiagnostik nicht weiterführt
und medikamenten-toxische Nebenwirkungen unwahrscheinlich sind, ist die Wahrscheinlichkeit
einer PSC gegeben. Die ERCP stellt derzeit den Goldstandard in der Diagnostik der
PSC dar. In der MRCP werden etwa 10 – 15 % der Fälle mit PSC nicht diagnostiziert
(bei überwiegenden Stenosen der intra- oder extrahepatischen Gallengänge ohne dilatierte
Abschnitte) [494]
[495]
[496]
[497]. In manchen Abteilungen wird die MRCP als Erstlinienuntersuchung durchgeführt. Falls
diese unauffällig ausfällt, ist eine nachfolgende ERCP zum Ausschluss von Strikturen
indiziert. Die Leberbiopsie mit Histologie dient der Stadieneinteilung der PSC und
dem Nachweis des Small Duct Disease [498]. Die PSC ist ein wichtiger Risikofaktor für die Entstehung von Cholangiokarzinomen
und Kolonkarzinomen [499]
[500].
Therapie
Statement 10.14
Eine Behandlung der PSC mit hoch dosierter Ursodeoxycholsäure muss erfolgen (B). Die
ERCP mit Dilatation und/oder Stenteinlage sollte zur Behandlung dominanter Strikturen
eingesetzt werden (C). Die fortgeschrittene Lebererkrankung bedarf der Lebertransplantation
(A).
Kommentar
Ursodeoxycholsäure in einer Dosierung von 15 mg/kg führt zur raschen Verminderung
der Serumtransaminasen und bessert in Dosierungen von 20 – 25 mg/kg die Prognose gemessen
an Histologie und Cholangiografie [501]
[502]
[503]
[504]
[505]
[506]. Ursodeoxycholsäure kann sehr wahrscheinlich das Kolonkarzinomrisiko (indirekte
Evidenz von CU-Patienten) und vermutlich auch das Gallengangskarzinomrisiko senken
[507]
[508]
[509]. Die zusätzliche entzündungshemmende, antifibrotische und immunsuppressive medikamentöse
Behandlung ist Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen (z. B. Steroide, Azathioprin,
Tacrolimus etc.). Bei dominanten Gallengangsstenosen ist die endoskopische Dilatation
indiziert. In fortgeschrittenen Fällen besteht keine Alternative zur Lebertransplantation.
Seltene extraintestinale Manifestationen bei Morbus Crohn
Statement 10.15
Extraintestinale Manifestationen des Morbus Crohn im Bereich des Pankreas, der Nieren,
der Lunge und des Nervensystems werden kasuistisch beschrieben, aber sind nicht klar
definiert. Auch eine erhöhte Inzidenz thrombembolischer Ereignissse, Vaskulitiden
und Amyloidosen wurden in Fallsammlungen beschrieben. Abzugrenzen sind Nebenwirkungen
von Medikamenten. Die Diagnostik und Therapie dieser Ereignisse sind nicht spezifisch
für Patienten mit Morbus Crohn und richten sich nach den allgemeinen Leitlinien (D)
[510].
11. Psychosomatik
Statement 11.1
Psychische Störungen sind eher eine Folge als eine Ursache des Morbus Crohn. Das Ausmaß
der seelischen Belastung korreliert mit der Krankheitsschwere, beeinflusst die gesundheitsbezogene
Lebensqualität und den Krankheitsverlauf (B).
Statement 11.2
Psychosoziale Faktoren (Persönlichkeitsmerkmale, belastende Lebensereignisse, Alltagsbelastungen)
sind in der Ätiologie des Morbus Crohn nicht gesichert (D).
Kommentar
Patienten mit Morbus Crohn weisen im Vergleich zu Patienten mit Colitis ulcerosa oder
anderen chronischen Erkrankungen etwas häufiger psychische Störungen (bis zu 50 %
Depression) und eine schlechtere Lebensqualität auf [511]
[512]
[513]
[514]
[515]
[516]
[517]
[518].
Eine Studie mit einem großen CED-Patientenkollektiv zeigte, dass Depressionen bei
CED-Patienten dreifach häufiger sind (16,3 vs. 5,6 %) als in der Allgemeinbevölkerung
[519]. In dieser Studie hatten 17 % der depressiven Patienten in den letzten 12 Monaten
Selbstmordgedanken. Bei Personen, die aktuell depressiv waren, hatten Frauen häufiger
als Männer Selbstmordgedanken (50 vs. 31 %). Insbesondere die depressive Krankheitsverarbeitung
ist ein Prädiktor für die gesundheitsbezogene Lebensqualität [520]. Es wurde eine Beziehung zwischen psychischen Faktoren und der Prävalenz von dem
Reizdarmsyndrom ähnlichen Symptomen bei Patienten mit CED in Remission beschrieben
[338]
[521]
[522]
[523]. Die psychosozialen Folgen der Krankheit werden mit steigender Schwere der Erkrankung
bedeutsamer. Zahlreiche Studien zeigen, dass die Lebensqualität von der Krankheitsaktivität,
den assoziierten Symptomen, aber auch vom Geschlecht der Betroffenen beeinflusst wird
[327]
[524]
[525]
[526]
[527]
[528]
[529]
[530]. Frauen mit CED haben meist eine größere Beeinträchtigung der psychischen Befindlichkeit
und Lebensqualität als männliche Betroffene [525]
[531]
[532].
Studien zum Einfluss psychosozialer Faktoren auf die Entstehung des Morbus Crohn sind
limitiert [516]
[533] und haben eher hypothetischen Charakter. Der Einfluss psychosozialer Faktoren auf
die Symptommanifestation und den Verlauf des Morbus Crohn ist allerdings evident.
Dies wird im Folgenden dargestellt.
Krankheitsverlauf beeinflussende psychosoziale Faktoren
Statement 11.3
Depressivität, Ängstlichkeit und wahrgenommener chronischer Stress sind Risikofaktoren
für ein Rezidiv. Es ist nicht gesichert, dass akute belastende Lebensereignisse Rückfälle
initiieren (B). Die meisten Patienten sind der Ansicht, dass Stress einen Einfluss
auf ihre Erkrankung hat (C).
Kommentar
Prospektive Studien konnten zeigen, dass Patienten mit depressiver Stimmung, gesteigertem
Stressempfinden und assoziierter Angst ein höheres Risiko für eine höhere Krankheitsaktivität
haben [511]
[534]
[535]
[536]. Im Gegensatz zu den Patienten mit Colitis ulcerosa fanden prospektive Untersuchungen
widersprüchliche Ergebnisse zum Einfluss von Stress bei Patienten mit Morbus Crohn.
Einzelne belastende Lebensereignisse haben offensichtlich keinen Effekt auf die Krankheitsaktivität
[533]
[537]
[538]
[539]
[540]
[541]. Chronische Stressbelastungen zeigen jedoch einen Zusammenhang mit der Krankheitsaktivierung
[535]
[542]
[543]. Psychische Faktoren können auch dafür verantwortlich sein, dass von den Betroffenen
höhere Scores in den subjektiven Items (Allgemeinbefinden, Schmerz u. a.) der Aktivitätsindizes,
wie z. B. des CDAI, angegeben werden [544]
[545]. Die Betroffenen selbst und die Mehrzahl der Experten der Konsensuskonferenz schreiben
dem psychosozialen Distress eine modulierende Funktion für den Krankheitsverlauf zu
[546]
[547]
[548]. Laborexperimentelle Studien zeigten eine gesteigerte Stressantwort mit größerer
Epitheldestruktion bei CED-Patienten. Dies weist auf eine stressinduzierte Aktivierung
mukosaler Mastzellen (über die Gehirn-Bauch-Achse) und deren möglichen Bedeutung für
die Aktivierung der chronisch-entzündlichen Darmerkrankung hin [549].
Therapeutische Ansätze
Arzt-Patienten-Verhältnis, Information und klinische Versorgung
Statement 11.4
Die psychosozialen Folgen und die gesundheitsbezogene Lebensqualität sollten auch
unter Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Aspekte bei den planmäßigen Arztbesuchen
erfragt werden. Individuelle Information und Erklärung der Erkrankung sollten in einem
persönlichen Gespräch gegeben werden. Der Krankheitsverlauf kann durch die Kombination
von Selbstmanagement und patientenzentrierten Konsultationen verbessert werden (B).
Kommentar
Gesundheitsbezogene Wahrnehmungen haben einen Einfluss auf die Krankheitserfahrung
[513]. Unter geschlechtsbezogenen Aspekten sind Frauen mit einer CED häufiger erwerbsunfähig
[550]
[551]. In einer Subgruppenanalyse der Deutschen Crohn-Interventionsstudie ([552], s. auch unter „Psychotherapie”), hatten Frauen eine höhere Zahl an Krankenhaus-
und Krankschreibungstagen als Männer. In der multivariaten Regressionsanalyse zeigte
sich ein signifikanter Geschlechts- und Depressionseffekt auf die Anzahl der Krankheitstage
und ein signifikanter Geschlechts- und Alterseffekt auf die Anzahl der Krankenhaustage.
Bei einer Befragung von Mitgliedern der Selbsthilfeorganisation Deutsche Morbus Crohn/Colitis
ulcerosa Vereinigung (DCCV) wurden die Antworten zu sexuellen Problemen von 410 Betroffenen
mit denen von 334 nicht betroffenen Gleichaltrigen verglichen. Bei den Männern gab
es keine krankheitsbezogenen sexuellen Funktionsstörungen. Frauen hingegen berichteten
über mehr Einschränkungen im Sexualbereich [553]
[554]. Beeinflusst wurde diese verringerte sexuelle Funktion durch eine depressive Verstimmung.
Männliche Jugendliche scheinen im Vergleich zu gesunden Gleichaltrigen mehr Probleme
und eine schlechtere Lebensqualität zu haben [555].
Eine größere Beachtung der Tatsache, dass psychisch unter Stress stehende Patienten
Schwierigkeiten haben, klinisch relevante Informationen zu verarbeiten [546], kann zu einer Verbesserung der Arzt-Patient-Kommunikation führen [556]. Es ist wichtig, Betroffene im persönlichen Gespräch mit empathischer Unterstützung
zu informieren [557]. Ein niedrigerer Informationsstand ist mit größeren Ängsten assoziiert [558]. Selbstmanagement-Handbücher und patientenzentrierte Konsultationen verbessern die
Krankheitskontrolle der Betroffenen [559]
[560], aber die alleinige Übermittlung von Patientenbroschüren ist nicht hilfreich und
kann sogar die gesundheitsbezogene Lebensqualität verschlechtern [561]. Patienten-Schulungsprogramme scheinen einen mäßigen oder nur sehr begrenzten Einfluss
auf den Verlauf der Krankheit oder die psychische Situation der Betroffenen zu haben
[562]
[563]
[564].
Integrierte psychosoziale Versorgung
Statement 11.5
Ärzte sollten den psychosozialen Status des Patienten und den Bedarf für zusätzliche
psychologische Behandlung erfassen und eine Psychotherapie empfehlen, wenn eine Indikation
besteht. In Zentren für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen sollte eine integrierte
psychosomatische Versorgung angeboten werden (B).
Kommentar
Zur Evaluation der Lebensqualität stehen CED-spezifische Fragebogen zur Verfügung:
Die am häufigsten verwendeten Instrumente sind der „Inflammatory Bowel Disease Questionnaire”
(IBDQ, [565]) und „The Rating Form of Inflammatory Bowel Disease Patient Concerns” (RFIPC, [513]). Der IBDQ wurde auch in einer deutschen Fassung validiert [566]
[567] und existiert auch in einer Kurzform (SIBDQ, [565]), deren deutsche Übersetzung ebenfalls validiert wurde [568]. Die „Short Health Scale” (SHS), ein krankheitsspezifischer Fragebogen zur Bedeutung
der CED für die Lebensqualität, ist nun auch für Patienten mit Morbus Crohn (allerdings
nur in englischer Sprache) validiert [569].
Psychische Störungen verschlechtern nicht nur die Lebensqualität der Betroffenen,
sie tragen auch unabhängig von der Schwere der Erkrankung zu einer vermehrten Inanspruchnahme
ärztlicher Hilfe (Anzahl der Arztbesuche) bei [570]. Um den subjektiven Bedarf der Betroffenen an psychologischer Betreuung zu erfassen,
wurde ein standardisierter Fragebogen, der ADAPT (Assessment of the Demand for Additional
Psychological Treatment), an Patienten mit CED entwickelt und validiert [571]
[572]. Zur einfachen Erfassung von psychosozialem Stress bei CED-Patienten in der klinischen
Praxis wurde das „Lübeck Semistructured Interview for Psychosocial Screening” (LIPS-IBD)
entwickelt [573]. Ein Training von Gastroenterologen, psychosoziale Faktoren in die klinische Praxis
zu integrieren, sollte in Erwägung gezogen werden, da eine bessere Unterstützung der
Betroffenen in der klinischen Betreuung einen günstigen Einfluss auf deren psychischen
Stress haben kann [574]. Obwohl dazu keine Daten zur Evidenzprüfung verfügbar sind, sieht sich die überwiegende
Mehrheit der Experten der Konsensuskonferenz in der Lage, eigenständig die Empfehlung
zur Psychotherapie geben zu können [86]
[575]
[576]. Da psychische Störungen, insbesondere die Depression, einen Risikofaktor für die
Krankheitsaktivierung darstellen, und diese vorwiegend mit einem schweren (häufig
chronisch aktiven) Krankheitsverlauf einhergehen, ist eine integrierte psychosomatische
Versorgung oder eine enge Kooperation mit psychosomatischen Einrichtungen für die
adäquate Versorgungsqualität in Zentren, die CED-Patienten betreuen, wesentlich. Eine
Untersuchung zeigte, dass die Betroffenen häufig Defizite in der Informationsübermittlung
und beim Zugang zu adäquater Betreuung empfinden [577].
Selbsthilfegruppen
Statement 11.6
Patienten sollten über die Existenz von Patientenselbsthilfeorganisationen informiert
werden (D).
Kommentar
Selbsthilfeorganisationen und Selbsthilfegruppen mit und ohne professionelle Unterstützung
werden aus Sicht von Patienten, Pflegepersonal und Ärzten eine wichtige Rolle in der
Krankheitsbewältigung (Wissen um Erkrankung, Behandlungsmöglichkeiten und soziale
Rechte, emotionale Akzeptanz und Unterstützung] zugeschrieben [578]
[579]. Allerdings ist die Mehrzahl der deutschen Morbus-Crohn-Patienten weder Mitglied
der deutschen Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung (DCCV) noch Mitglied einer
anderen CED-Selbsthilfegruppe. Selbsthilfegruppenmitglieder erachten allgemeine und
CED-spezifische Informationen sowie gegenseitige emotionale Unterstützung als wesentliches
Element [580]. Die meisten Patienten, die auf eine Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe angesprochen
werden, geben allerdings an, nicht daran interessiert zu sein, manche beteiligen sich
nur für umschriebene Zeiten. Als Gründe für die Nichtteilnahme an einer Selbsthilfegruppe
werden fehlende Zeit sowie die fehlende Bereitschaft, die eigene Erkrankung vor anderen
auszubreiten, genannt [580]
[581]. Die Datenlage zu Auswirkungen der Teilnahme an CED-Selbsthilfegruppen auf die Lebensqualität
ist spärlich und uneinheitlich. Die Übergänge zwischen reiner Selbsthilfe, expertenunterstützter
Selbsthilfe und expertengeleiteter Gruppenpsychotherapie sind fließend. In einer deutschen
Studie wurde eine Assoziation zwischen Mitgliedschaft in der DCCV und reduzierter
allgemeiner Lebenszufriedenheit festgestellt [327]. Shepanski et al. [582] stellten in einer nicht kontrollierten Studie eine Verbesserung der Lebensqualität
bei Kindern und Jugendlichen nach der Teilnahme an einem einwöchigen Ferienlager fest,
welches von der US-amerikanischen Crohn’s and Colitis Foundation gesponsert worden
war. In einer unkontrollierten US-amerikanischen Studie wurde ein besseres Krankheitsverständnis
nach einer expertengeleiteten Familienunterstützungsgruppe, an der die erkrankten
Kinder und ihre Eltern teilnahmen, festgestellt [583]. In einer brasilianischen randomisierten kontrollierten Studie verbesserte die Teilnahme
an monatlichen ärztlich geleiteten „Supportmeetings” die Lebensqualität im Vergleich
zur Kontrollgruppe ohne Supportmeetings [584].
Psychotherapie
Statement 11.7
Psychotherapeutische Interventionen sind bei psychischen Störungen wie Depressionen
und Angststörungen, reduzierter gesundheitsbezogener Lebensqualität mit seelischen
Belastungen und bei maladaptiver Krankheitsbewältigung indiziert (B).
Statement 11.8
Die Wahl des psychotherapeutischen Verfahrens ist abhängig von der psychischen Störung
und sollte durch Psychotherapeuten erfolgen. Die Indikation für eine Therapie mit
Psychopharmaka sollte bei komorbiden psychischen Störungen (z. B. Depression, Angststörung)
ärztlich gestellt werden (D).
Kommentar
Psychotherapie hat einen positiven Effekt vorwiegend auf die psychologischen Dimensionen
der Erkrankung, wie psychisches Wohlbefinden, Strategien zur Krankheitsverarbeitung
und subjektiv empfundene psychische Stressbelastung [585]
[586]
[587]. In einer Studie, in der sowohl Patienten mit Colitis ulcerosa als auch solche mit
Morbus Crohn behandelt wurden, zeigte Psychotherapie auch einen Einfluss auf die Krankheitsaktivität
[585]. In dieser Studie sind jedoch Inhomogenitäten bei der Randomisierung der Behandlungs-
und Kontrollgruppe festzustellen. Daher sind die Ergebnisse nicht in den evidenzbasierten
Empfehlungen enthalten.
Zu den in einer randomisierten kontrollierten Studie mit kognitiv-behavioraler und
manualisierter Psychotherapie gefundenen positiven Effekten auf die depressive Verstimmung
und die subjektiv empfundene Krankheitsschwere bei Jugendlichen mit CED liegen bisher
keine Daten für erwachsene Patienten vor [588]. Die Diagnose Morbus Crohn alleine genügt daher nicht, eine Psychotherapie zu empfehlen.
Studien zur Psychotherapie bei Patienten ohne psychische Störungen zeigen für diese
einen geringen oder keinen Vorteil [589]
[590]
[591]
[592]. In einer Nachuntersuchung der deutschen Multicenterstudie konnte allerdings gezeigt
werden, dass bei der Überprüfung der Krankenhaustage und der Krankschreibungstage
ein Jahr vor und ein Jahr nach der Behandlung die psychotherapeutisch behandelte Gruppe
im Vergleich zur Kontrolle eine signifikante Verringerung der Krankenhaustage aufwies
und damit ein Benefit für diese zusätzliche Therapie angenommen werden kann [552].
In der Literatur findet sich keine Evidenz für die bevorzugte Wahl einer bestimmten
psychotherapeutischen Methode. Entspannungsübungen sind sinnvoll, da sie leicht zu
erlernen und durchzuführen sind und ihre Wirksamkeit erwiesen ist [585]
[587]
[593]. Experten sehen es als Vorteil, wenn der oder die Psychotherapeut/In Erfahrung in
der Behandlung von Patienten mit CED besitzt. Bisher gibt es kaum spezifische Untersuchungen
zur Anwendung von Psychopharmaka bei CED. In einer systematischen Übersichtsarbeit
[594] aller relevanten Studien seit 1990 konnten 12 relevante Publikationen von nicht
randomisierten Studien identifiziert werden. Trotz der teilweise gefundenen positiven
Wirkungen liefern die Studien keine verlässlichen Daten über die Effektivität von
Antidepressiva auf den Krankheitsverlauf oder die -aktivität der CED. Die Wirksamkeit
von Antidepressiva in der Therapie komorbider depressiver Stimmungen wurde bisher
nur in nicht kontrollierten Studien nachgewiesen.
Raucherentwöhnung
Statement 11.9
Patienten, die trotz ärztlicher Empfehlung das Rauchen nicht aufgeben, sollen durch
patientenzentrierte Gespräche zur Teilnahme an einer strukturierten Raucherentwöhnung
motiviert werden (B).
Kommentar
Tabakrauchen erhöht das Risiko eines endoskopischen und klinischen Rezidivs, eines
stenosierenden oder penetrierenden Verlaufs, der Notwendigkeit von Operationen und
immunsuppressiver Therapie, von Osteoporose und ist mit einer herabgesetzten Lebensqualität
und einem verminderten Ansprechen auf Infliximab assoziiert [595]. Ein Teil der rauchenden Patienten erfüllt die Kriterien einer Nikotinabhängigkeit
[596]. Eine Interventionsstudie (wiederholte Beratung bezüglich der Sinnhaftigkeit des
Rauchstopps, Angebot der Teilnahme an einem Raucherentwöhnungsprogramm) zeigte, dass
rauchende Patienten, die für mehr als 1 Jahr mit dem Rauchen aufhörten, einen günstigeren
Verlauf der Erkrankung hatten als weiterrauchende Patienten [597]. Die Wirksamkeit eines Rauchstopps ist der einer immunsuppressiven Therapie vergleichbar.
Die Durchführung einer Raucherentwöhnung ist als primäre konservative Maßnahme in
der Behandlung des Morbus Crohn bei rauchenden Patienten anzusehen [598]. Ärztlicher Ratschlag und motivierende Gesprächsführung erhöhen bei tabakassoziierten
Erkrankungen die Rate erfolgreicher Rauchstoppversuche [599]
[600].
Kinder und Jugendliche
Statement 11.10
Das erhöhte Risiko für eine psychische Störung bei früher Erstmanifestation muss besonders
berücksichtigt werden. Den Patienten und ihren Familien sollte bei Bedarf eine psychosoziale
Unterstützung angeboten werden (C).
Kommentar
Als für Kinder und Jugendliche besonders relevante psychosoziale Krankheitsfolgen
wurden Abwesenheit von Schule und Ausbildung, erniedrigtes Selbstwertgefühl auf grund
eines krankheitsbedingten Minderwuchses sowie die Belastungen durch eine enterale
Ernährung beschrieben [555]
[601]. Eltern von an Morbus Crohn erkrankten Kindern weisen höheren psychischen Distress
auf als Eltern von gesunden Kindern oder von diabetischen Kindern [602]. Die Hauptsorgen der Eltern beziehen sich auf Nebenwirkungen der Medikamente und
die Zukunft des Kindes [603]. In Familien mit einem an Morbus Crohn erkrankten Kind wurde eine höhere Rate von
familiärer Dysfunktion festgestellt als in Familien mit gesunden oder diabetischen
Kindern [604]. Eine Subgruppe von Kindern und Jugendlichen mit Morbus Crohn weist im Vergleich
zu gesunden Gleichaltrigen ein erniedrigtes psychosoziales Funktionsniveau, niedrigere
gesundheitsbezogene Lebensqualität und vermehrten psychischen Distress auf. Die meisten
Patienten mit mildem Krankheitsverlauf haben das gleiche psychosoziale Funktionsniveau
wie gesunde Gleichaltrige, 20 % geben jedoch erhebliche emotionale und Verhaltensprobleme
an [605]. Jugendliche mit CED sind im Vergleich zu gesunden Gleichaltrigen ängstlicher und
depressiver und geben mehr soziale Probleme an [606]. Jugendliche mit Morbus Crohn berichten jedoch weniger Depressivität und Verhaltensprobleme
als Jugendliche mit Reizdarmsyndrom [607]. Familiäre Dysfunktion und emotionale sowie Verhaltensprobleme sind mit einer unzureichenden
medikamentösen Therapietreue assoziiert [608]. Eine depressive Störung nach psychiatrischen Kriterien kann bei bis zu 25 % nachgewiesen
werden. Krankheitsaktivität und Kortisontherapie sind mit Depressionen assoziiert
[609]. Neben hoher Krankheitsaktivität geht eine depressive Krankheitsverarbeitung häufiger
mit einer erniedrigten Lebensqualität einher [610]. In einer unkontrollierten Studie wurde ein besseres Krankheitsverständnis nach
einer Familienunterstützungsgruppe, an der die erkrankten Kinder und ihre Eltern teilnahmen,
festgestellt [583]. In einer kontrollierten Studie verbesserte eine manualisierte kognitive Verhaltenstherapie
bei Jugendlichen mit CED das seelische Befinden und die Lebensqualität [588].
12. Komplementäre und alternative Therapien
Der Gebrauch der komplementären und alternativen Medizin bei CED ist bei Erwachsenen
[611]
[612]
[613]
[614]
[615]
[616]
[617]
[618] und Kindern [619]
[620] in Deutschland hoch.
Aufgrund der langen Tradition einzelner komplementärmedizinischer Verfahren (z. B.
wird die Traditionelle Chinesische Medizin seit über 3500 Jahren verwandt) fehlen
häufig Evaluationsstudien nach neuen Formen der evidenzbasierten Medizin (EbM). Daher
wird auch häufig der Begriff Erfahrungsheilkunde für diese Heilmethoden verwendet.
Ältere Studien zu diesen Verfahren weisen analog der konventionellen Medizin methodologische
Probleme auf, die eine adäquate Evaluation erschweren.
Die Arzneimittel der besonderen Therapierichtung (Phytopharmaka, Homöopathika und
Anthroposophika) waren bisher bei ihrer Zulassung bzw. beim In-Verkehr-bringen weniger
strengen Regularien als Allopathika unterworfen (meist sog. Registrierungsverfahren).
In den letzten Jahren wurde bei der WHO eine zunehmende Anzahl von unerwünschten Arzneimittelwirkungen
(UAW) von Phythopharmaka registriert. Deshalb hat die WHO Leitlinien für nationale
Gesundheitsbehörden veröffentlicht, um kontextspezifische und zuverlässige Informationen
zum Gebrauch von Phytopharmaka und komplementären Arzneimitteln zu schaffen [621]. In Deutschland müssen für diese Arzneimittel – analog zu allopathischen Arzneimitteln
– regelmäßig Pharmakovigilanzdaten und Sicherheitsdaten (Periodic Safety Update Reports,
PSUR) erbracht werden.
Das große öffentliche Interesse an Alternativ- und Komplementärmedizin rechtfertigt
eine weitere Evaluation dieser Methoden. Das schließt die folgenden Methoden ein:
Traditionelle Chinesische Medizin inklusive Akupunktur, Anthroposophische Medizin,
Aromatherapie, Ayurvedische Medizin, Homöopathie, immunmodulative Therapien, manuelle
Therapien (Osteopathie, Massagen etc.), Mind/Body-Medizin, Nahrungsergänzungsmittel,
Naturheilkunde, Qi Gong, Reiki.
Definition
Statement 12.1
Unkonventionelle Therapien sind alle Verfahren, die als nicht anerkannt und/oder wissenschaftlich
überprüft gelten (dazu gehören Verfahren, die mit Begriffen wie Erfahrungsmedizin/Erfahrungsheilkunde,
integrierte Medizin, holistische Medizin umschrieben werden). Komplementärmedizinische
Verfahren (z. B. Homöopathie, Naturheilverfahren, Traditionelle Chinesische Medizin
[TCM] inklusive Akupunktur, Anthroposophische Therapieverfahren und Ayurvedische Medizin)
werden als Ergänzung zu konventionellen Standardtherapien angewendet. Verfahren, die
die konventionellen Standardtherapien ausschließen, werden als alternative Therapieverfahren
bezeichnet (D).
Die Definition wurde erstmals auf der Konsensuskonferenz 1999 zum Verständnis der
unterschiedlichen Begriffe verwendet und wird in der Literatur und in Lexika (z. B.
Pschyrembel) überwiegend dementsprechend angewendet. In anderen Auslegungen werden
unkonventionelle Therapieverfahren definiert als Methoden, die nicht in der medizinischen
Ausbildung an den Universitäten gelehrt werden oder Verfahren, die nicht zur Standardversorgung
in den Krankenhäusern gehören.
Die angloamerikanische Literatur unterscheidet weniger in alternativ und komplementär
und verwendet den gemeinsamen Terminus „Complementary and alternative Medicine” (CAM).
Neuere Literatur spricht bei kombinierter Anwendung von konventioneller und komplementärer
Methoden auch von integrativer Medizin [619]
[622]
[623]
[624]
[625].
Methodik
Methodik und Fragestellung bestimmen nach EbM-Regeln das jeweilige Studiendesign und
damit die Bewertung für eine EbM-Hierarchisierung. Dieser Sachverhalt ist bei der
Bewertung komplementärmedizinischer Literatur zu berücksichtigen [626].
Einige komplementäre Therapieverfahren beziehen sich auf das salutogenetische Potenzial
des Patienten und schließen die Arzt-Patienten-Beziehung als Wirkprinzip ein. Eine
randomisierte kontrollierte Studie ist daher nicht immer durchführbar, dies ist bei
einer EbM-Hierarchisierung zu berücksichtigen [627].
Ferner zeichnen sich komplementär- und alternativmedizinische Verfahren meist durch
komplexe Verfahrensweisen aus, die durch einfache Wirknachweise eines Einzelfaktors
nicht zu belegen sind, sondern systemisch erfasst werden müssen. Dazu können Beobachtungsstudien
herangezogen werden, die systemische Wirkungen abbilden können und als Evaluationsmethode
geeignet wären [627], da ihre Ergebnissen meist zu RCTs gleichwertig sind [628]
[629].
Anwendung und Prävalenz
Statement 12.2
Patienten sollten über die Anwendung komplementärer Heilmethoden befragt werden. Es
wird empfohlen, mit ihnen über ihre Gründe für die Anwendung komplementärmedizinischer
Verfahren zu sprechen (D).
Statement 12.3
Aufgrund des hohen Anteils an Patienten, die komplementärmedizinische Therapien anwenden,
sollten Ärzte sich über diese Verfahren informieren (D).
Kommentar
In mehreren Studien wurde beschrieben, dass mindestens die Hälfte (31 bis 78 %) der
erwachsenen Patienten mit CED komplementäre Heilmethoden anwendet [611]
[616]
[617]
[630]
[631]
[632]. In einer repräsentativen Studie für Deutschland zu dem Thema lag die Inanspruchnahme
bei 52,9 % [615]. Bei Kindern mit CED ist der Gebrauch von CAM nicht geringer als bei Erwachsenen
[619]
[620]
[633]
[634]
[635].
30 – 70 % der Patienten informiert ihre Ärzte nicht über die Anwendung komplementärer
Heilmethoden [611]
[614]
[617]. Die Anwendung und das Verschweigen komplementärer Heilmethoden wird durch die konventionell
behandelnden Ärzte unterschätzt. Als Gründe für die Anwendung komplementärmedizinischer
Verfahren wurden in den Studien die Suche nach der optimalen Therapie, der Wunsch,
ohne Kortison auszukommen, Nebenwirkungen der konventionellen Therapie, der Wunsch
nach Stärkung der Eigenaktivität und der Eigenverantwortung, ein ganzheitlicher Therapieansatz
sowie Unzufriedenheit mit der konventionellen Therapie und (relatives) Therapieversagen
genannt [613]
[615]
[616]
[619]
[620]
[630]
[633]
[636]
[637]
[638]
[639]. Über 70 % der Anwender von CAM ziehen subjektiv einen Benefit aus diesen Therapien.
Die am häufigsten benutzten komplementären Methoden durch CED-Patienten sind Homöopathie,
Phythotherapie, Traditionelle Chinesische Medizin einschließlich Akupunktur, Diäten,
Vitamine und Nahrungsergänzungsmittel [611]
[614]
[615]
[617]
[619]
[620]. Bei Kindern korrelierte der Gebrauch von CAM mit der Zunahme von Fehlstunden in
der Schule, Internetgebrauch und einem schlechteren Verlauf des Morbus Crohn [620]
[633].
Prädiktoren für den Einsatz komplementärmedizinischer Verfahren sind ein höherer Bildungsstand,
eine Vollwerternährung sowie eine kumulative Kortison-Tabletteneinnahme von mehr als
10 g Gesamtmenge. Ein höherer Body-Mass-Index (BMI) war negativ mit dem Einsatz von
CAM verbunden [615].
Ursache einer Anwendung von CAM durch Betroffene ist häufig eine Unzufriedenheit mit
der konventionellen Therapie. Viele Betroffene sehen sich nicht durch die naturwissenschaftlich
orientierte konventionelle Medizin in ihrer komplexen mehrdimensionalen Persönlichkeit
erfasst. Die Auffassungen von Arzt und Patient zum Krankheitsverständnis und den Umgang
mit der Erkrankung wie auch zum Selbstbild und Weltbild unterscheiden sich häufig
[613]
[615]
[616]
[619]
[620]
[630]
[633]
[636]
[637]
[638]
[639]. So kommt es dazu, dass außerhalb der ärztlichen Versorgung Beratung und Hilfe von
CAM-Therapeuten gesucht wird (z. B. bei Heilpraktikern). Nicht selten verfahren die
Betroffenen dabei ‚zweigleisig’: Der Facharzt therapiert konventionell und der Patient
sucht parallel nach weiteren Therapiemöglichkeiten, ohne dass der Arzt Kenntnis von
den zusätzlich angewandten CAM-Verfahren erhält und der CAM-Therapeut entbehrt den
speziellen medizinischen Sachverstand bei Morbus Crohn. Circa die Hälfte der CED-Patienten
berichtet ihren behandelnden Ärzten nicht vom Gebrauch der komplementären Therapie
aus Angst vor herabsetzender Bewertung durch den Arzt [611]
[614]
[617]. Andererseits fragen weniger als 20 % der behandelnden spezialisierten CED-Ärzte
den Patienten nach dem Gebrauch von CAM [611]
[614]. Um hier Gefahren zu minimieren, sollte eine Zweigleisigkeit der Therapie durch
den Betroffenen vermieden werden und eine enge Abstimmung beider Therapierichtungen
erfolgen. Dazu sind ausreichende Kenntnisse der komplementären Therapieverfahren beim
primär behandelnden Arzt erforderlich. Nur eine kompetente und sachliche Beratung
auch auf dem Gebiet von CAM durch den primär behandelnden Arzt kann diese Zweigleisigkeit
für den Patienten vermeiden.
Alternative Therapieverfahren
Statement 12.4
Alternativtherapien anstatt einer evidenzgesicherten Therapie sind abzulehnen (D).
Kommentar
Da Alternativtherapien anstatt einer evidenzgesicherten Therapie benutzt werden, sind
diese abzulehnen, da definitionsgemäß keine äquipotente Wirkung nachgewiesen ist (Phythotherapeutika
und andere immunmodulierenden Substanzen mit geprüfter Äquipotenz zu einer Standardtherapie
sind somit keine alternativen Heilmittel). Komplementäre Therapien, welche als Ergänzung
einer Standardtherapie angewendet werden, sollten in Absprache mit den behandelnden
Ärzten erfolgen und können eine Standardtherapie unterstützen.
Komplementärmedizinische Verfahren
Alle komplementären Therapien bei Morbus Crohn sollten durch wissenschaftliche Evidenz
der Wirksamkeit belegt sein, auch wenn sie teilweise seit Jahrhunderten angewendet
werden. Sie sollten mit demselben allgemeinen Ansatz bzgl. Wirksamkeit und Sicherheit
bewertet werden wie konventionelle Therapien.
Obwohl die Messung der Patientenzufriedenheit und Wirksamkeitsbeurteilung ein wichtiger
Teil des Evaluationsprozesses ist, müssen die Messungen durch objektivere Methoden
der Messung einer Verbesserung der Krankheitsaktivität und der Lebensqualität begleitet
werden.
Nahrungsergänzungsmittel üben einen biologischen Effekt aus und können aufgrund begleitender
Mangelzustände bei Morbus Crohn supportiv hilfreich sein und werden häufig positiv
in ihrer Wirksamkeit durch die Betroffene bewertet.
Akupunktur
Statement 12.5
Akupunktur kann im akuten Schub komplementär zur Reduktion der Krankheitsaktivität
eingesetzt werden (A).
Kommentar
In einer prospektiv randomisierten und kontrollierten, einfach blinden klinischen
Studie wurde die Akupunktur bei aktivem Morbus Crohn untersucht. Der CDAI und das
Alpha-1-Glykoprotein nahmen nach der Akupunkturbehandlung gegenüber der Kontrollgruppe
signifikant ab, eine Senkung des CDAI um 100 Punkte wurde in seiner statistischen
Signifikanz verfehlt [640].
Omega-3-Fettsäuren
Statement 12.6
Omega-3-Fettsäuren können zur Remissionserhaltung nicht empfohlen werden (D).
Kommentar
In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass bei Morbus-Crohn-Patienten durch die
Ergänzung von Fischöl-Präparaten ein Benefit erzielt wurde. In einer doppelblinden,
placebokontrollierten Studie zur Remissionserhaltung mit 78 Morbus-Crohn-Patienten
wurde die Wirksamkeit von Fischöl-Präparaten bewertet. Es konnte eine signifikante
Reduktion der Relapse-Rate gezeigt werden [641]. Das in der multizentrischen italienischen Studie verwendete Omega-3-Fettsäure-Präparat
wurde bisher in Deutschland oder anderen europäischen Ländern nicht zugelassen und
steht daher nicht zur Verfügung. Daher kann trotz Evidenzlevel 1b keine Empfehlung
zur Anwendung von Omega-3-FS bei Morbus Crohn gegeben werden, da sich sämtliche am
Markt befindlichen Präparate von der verwendeten Studienmedikation unterscheiden.
Experimentelle Daten weisen positive Effekte einer Entzündungshemmung in Tiermodellen
auf [642]
[643]
[644] und nur eine Studie bei Morbus Crohn zeigt noch einen positiven Effekt auf die Remissionserhaltung
[645].
Boswellia serrata
Statement 12.7
Boswellia serrata ist im akuten Schub einer Therapie mit Mesalazin zur Reduktion der
Krankheitsaktivität nicht unterlegen. Das Präparat ist in Deutschland nicht zugelassen
(D).
Kommentar
Gerhardt et al. 2001 [646] haben über die Wirksamkeit und Sicherheit von Boswellia serrata extract H 15 und
5-ASA bei der Behandlung eines aktiven Morbus Crohn berichtet. In dieser randomisierten,
doppelblinden, Verum-kontrollierten Non-Inferiority-Studie mit Parallelgruppendesign
wurden 102 Patienten der H 15-Gruppe oder der 5-ASA-Gruppe randomisiert zugeteilt.
In beiden Gruppen sank der CDAI um den gleichen Wert. Die Autoren schließen daraus,
dass H 15 gegenüber 5-ASA nicht unterlegen ist. Das Präparat H 15 ist in Deutschland
nicht zugelassen oder registriert und kann nur über internationale Apotheken bezogen
werden. Bei der Wirksamkeitsbewertung von Boswellia serrata sollte berücksichtigt
werden, dass auch Mesalazin bei der Therapie des akuten Schubes nur eine geringe Wirksamkeit
hat.
Trichuris suis ovata
Statement 12.8
Trichuris suis ovata (TSO) führt bei leicht bis mäßiggradiger Krankheitsaktivität
zu einer Remissionsinduktion. Das Präparat ist in Deutschland nicht zugelassen und
kann nicht empfohlen werden (D).
Kommentar
Für die iatrogene Kolonisierung des Darmes bei Morbus Crohn mit Trichuris-suis-Eiern
konnte in einer ersten Pilotstudie eine eindrucksvolle Remissionsinduktion von einem
Abfall > 100 CDAI-Punkten oder einen CDAI-Wert unter 150 bei 79,3 % (21 / 29 Patienten)
in Woche 24 gezeigt werden [647]. Grundlagendaten untermauern den positiven Effekt von TSO® bei Morbus Crohn [648] durch Nachweis eines Switches von T-Helfer-1- zu T-Helfer-2-Zellen. Das Präparat
(TSO) ist in Deutschland nicht registriert oder zugelassen und kann nicht empfohlen
werden, da derzeit die Schweinebandwurmeier den geforderten arzneimittelrechtlichen
Anforderungen nicht genügen. Patienten erhalten das Präparat über das Internet, worüber
Ärzte informiert sein sollten.
Probiotika
Statement 12.9
Probiotika (E. coli Nissle, Lactobacillus GG und Saccharomyces boulardii) sind in
ihrer Wirksamkeit zur Remissionserhaltung nicht gesichert (A).
Kommentar
Probiotika dürften als einen der Wirkmechanismen eine Immunmodulation besitzen. Bei
Colitis ulcerosa sind Studien zur Remissionserhaltung wie auch Remissionsinduktion
bei leichter bis mittlerer Aktivität mit positivem Ergebnis publiziert [649]
[650]. Ein Review der Cochrane Library 2006 ergab allerdings bei Morbus Crohn keinen sicheren
Hinweis auf eine Wirksamkeit in der Remissionserhaltung für Probiotika (E. coli Nissle
1917, Lactobacillus GG, Saccharomyces boulardii) [651].
Eine deutsche Studie zur Therapie mit E. coli Nissle bei Morbus Crohn mit Kolonbefall
zeigt einen positiven Effekt auf eine Remissionserhaltung [652]. Aufgrund der kleinen Patientenzahl in dieser Studie ist eine weitere Absicherung
vor Empfehlung der Therapieanwendung von E.coli Nissle bei Morbus Crohn notwendig.
Danksagung
Danksagung
Die Konsensuskonferenz wurde durch Mitarbeiter der Medizinischen Klinik I der Charité
Berlin, Campus Benjamin Franklin, insbesondere Frau Schönberg unterstützt. Außerdem
bedanken wir uns für die finanzielle Unterstützung der Leitlinienüberarbeitung bei
der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten und dem Kompetenznetz
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen (BMBF).