Die Mortalität von Dialysepatienten ist relativ hoch. Die Vier-Jahres-Überlebensrate
beträgt lediglich 65 %, damit lebt mehr als ein Drittel aller Patienten nach vier
Jahren nicht mehr. Studien haben bereits Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen
der Permeabilität der Dialysemembran und der Mortalität von Dialysepatienten gezeigt.
Nun konnte erstmals in einer prospektiven, randomisierten, klinischen Studie wissenschaftlich
nachgewiesen werden, dass eine Behandlung mit High-Flux-Dialysatoren im Vergleich
zur Low-Flux-Dialyse mit einer niedrigeren Sterblichkeitsrate chronisch Nierenkranker
einhergeht.
Obwohl sich die Behandlungsqualität in den letzten Jahren deutlich verbessert hat,
ist die kardiovaskuläre Prognose von Dialysepatienten nach wie vor schlecht. Dazu
trägt auch die Tatsache bei, dass Dialysepatienten immer häufiger unter Begleiterkrankungen
wie Bluthochdruck und Diabetes mellitus (Abb. [1]) leiden und mangelernährt sind. So sind mehr als die Hälfte aller Todesfälle bei
diesen Patienten auf kardiovaskuläre Erkrankungen zurückzuführen. Plastisch ausgedrückt
entspricht das kardiovaskuläre Mortalitätsrisiko eines 25-jährigen Dialysepatienten
in etwa dem eines 75-jährigen Nierengesunden.
Abb. 1 Die Inzidenz des Diabetes mellitus hat seit 1991 unter den inzidenten Dialysepatienten
stark zugenommen
Die MPO-Studienpopulation spiegelt tatsächliche Situation wider
Die MPO-Studienpopulation spiegelt tatsächliche Situation wider
Primäres Ziel der MPO[1]-Studie war es zu untersuchen, inwieweit das Überleben von Patienten mit terminaler
Niereninsuffizienz ("end stage renal disease", ESRD) unter Bikarbonathämodialyse durch
den Einsatz von High-Flux- oder Low-Flux-Dialysatoren beeinflusst wird. In die Auswertung
dieser Studie flossen die Daten von 647 Patienten aus 59 Studienzentren in neun europäischen
Ländern ein, die jeweils zur Hälfte entweder mit Low-Flux- oder High-Flux-Dialyse
behandelt wurden. Dabei handelte es sich ausschließlich um Patienten, die seit höchstens
zwei Monaten an der Dialyse waren.
Die überwiegende Zahl der Studienteilnehmer waren, wie Prof. Volker Wizemann (Mitglied
des Steering Committees der MPO-Studie), Gießen, betonte, schwer erkrankte Dialysepatienten.
So lagen 493 mit ihren Serumalbuminwerten unter 4 g/dl. Gemeinsam mit der chronischen
Inflammation sind niedrige Serumalbuminwerte eine Hauptursache für die hohen Morbiditäts-
und Mortalitätsraten bei Dialysepatienten. Wie die Ergebnisse des DOPPS[2]-Reports gezeigt haben, sind je nach Land 56-86 % aller Hämodialysepatienten hypalbuminämisch,
sie liegen also mit ihren Serumalbuminwerten unter 4 g/dl (Abb. [2]).
Abb. 2 Weltweit hat ein Großteil der Hämodialysepatienten Serumalbuminwerte unter
4 g/dl
Zudem handelte es sich bei 24 % dieser europäischen Studienteilnehmer um Diabetiker.
Auch in dieser Hinsicht habe das Patientenkollektiv die tatsächliche Situation in
deutschen Dialysezentren recht gut widergespiegelt, betonte Wizemann. Denn 35 % aller
inzidenten Hämodialysepatienten in Deutschland haben als Grunderkrankung einen Diabetes
mellitus.
Diabetiker und Patienten mit niedrigem Serumalbumin profitieren besonders
Diabetiker und Patienten mit niedrigem Serumalbumin profitieren besonders
Bei den hypalbuminämischen Patienten hatte die High-Flux-Gruppe einen signifikanten
Überlebensvorteil. "Aus dieser Gruppe sind insgesamt 132 Patienten verstorben, davon
aber nur 58 in der High-Flux- und 74 in der Low-Flux-Gruppe," so der Internist. Ein
noch deutlicherer Überlebensvorteil zeigte sich bei den Diabetikern. "Diese Patienten
scheinen ganz besonders von einer High-Flux-Dialyse zu profitieren," unterstrich Wizemann.
Deutlich wurde dieses Ergebnis aus der Kaplan-Meier-Analyse, die einen Überlebensvorteil
zugunsten der High-Flux-Dialyse aufzeigte. "Das bestätigt die kürzlich veröffentlichten
Befunde aus der 4D-Studie[3], die zu fast demselben Ergebnis kommen," berichtete der Experte. Aber selbst wenn
man das gesamte Patientenkollektiv betrachte, lasse sich noch ein tendenzieller Mortalitätsunterschied
zugunsten der High-Flux-Gruppe feststellen.
Auch die Beta2-Mikroglobulinwerte, ein geeigneter Marker für die Mittelmolekülelimination und damit
auch ein Maß für die Dialyseeffizienz, nahmen bei den Patienten aus der High-Flux-Gruppe
im Studienverlauf deutlich geringer zu als in der Low-Flux-Gruppe.
Wesentliche Unterschiede zwischen HEMO- und MPO-Studie
Wesentliche Unterschiede zwischen HEMO- und MPO-Studie
Im Gegensatz zur in den USA durchgeführten HEMO[4]-Studie, in der kein signifikanter Überlebensvorteil zwischen der mit Low-Flux- und
High-Flux-Dialysatoren behandelten Patienten nachgewiesen werden konnte, hat man in
der MPO[5]-Studie auf eindeutige Permeabilitätsunterschiede zwischen den Dialysatoren geachtet.
Es gab nach Aussage von Dr. Thomas Weinreich (Studienarzt der MPO-Studie), Villingen-Schwenningen,
eine klare Klassifizierung anhand des Ultrafiltrationsfaktors (Low-Flux durchschnittlich
10 ml/h x mmHg, High-Flux durchschnittlich 45 ml/h x mmHg) und der Beta2-Mikroglobulin-Permeabilität.
In der HEMO-Studie habe die Clearance der eingesetzten High-Flux-Dialysatoren hingegen
eher den europäischen Middle-Flux-Dialysatoren entsprochen, gab Weinreich zu bedenken.
Auch eine Wiederverwendung der Dialysatoren war, im Unterschied zur HEMO-Studie, nicht
zugelassen. Denn deren Wiederaufbereitung kann, wie der Experte betonte, deren Permeabilität
und Performance-Parameter verändern.
Auch hinsichtlich des Patientenkollektivs gab es deutliche Unterschiede zwischen den
beiden Untersuchungen. So wurden in die MPO-Studie vor allem hypalbuminämische und
inzidente Patienten eingeschlossen, die erst seit weniger als zwei Monaten dialysiert
wurden. In der amerikanischen Studie fanden sich hingegen eher prävalente Patienten.
Darüber hinaus hat man Dialysepatienten mit Serumalbuminwerten unter 2,6 g/dl - und
damit besonders schwer erkrankte Patienten - ausgeschlossen. "Gerade diese Nierenkranken
haben aber ein hohes Mortalitäts- und Morbiditätsrisiko und könnten von einer intensiveren
Dialyse besonders profitieren," gab Weinreich zu bedenken.
Hinzu komme, dass im Schnitt nur eine Beobachtungszeit von 2,8 Jahren erreicht worden
sei. Das sei kürzer gewesen, als der Zeitraum von 3,7 Jahren, den die Patienten vor
Studienbeginn im Schnitt bereits an der Dialyse gewesen seien. Außerdem war die Dialysedauer
auf 4,5 Stunden begrenzt. Damit habe man, nach Aussage des Experten, schwere Patienten
mit einem Körpergewicht über 80 Kilogramm kaum mit der vorgegebenen Dosis von Kt/V
1,2-1,6 dialysieren können und somit faktisch aus der HEMO-Studie ausgeschlossen.
Nicht zuletzt gebe es auch wesentliche Unterschiede der Behandlungspraxis zwischen
den USA und Europa.
Hohe Membranpermeabilität für ein physiologisches Clearanceprofil
Hohe Membranpermeabilität für ein physiologisches Clearanceprofil
Bei einer Behandlung mit High-Flux-Dialysatoren werden nicht nur größere Stoffwechselmoleküle,
insbesondere das Beta2-Mikroglobulin, effizienter aus dem Blut entfernt. High-Flux-Membranen haben deutlich
größere Poren als Low-Flux-Membranen und eine höhere Wasserdurchlässigkeit. Damit
kommen sie in ihren Filtereigenschaften der glomerulären Basalmembran der menschlichen
Niere näher als Low-Flux-Membranen und sind so in der Lage, dem Organismus in kürzerer
Zeit größere Mengen an Flüssigkeit sowie an toxischen harnpflichtigen Substanzen zu
entziehen.
High-Flux-Dialysatoren verfügen über die technisch am weitesten entwickelten Membranen
und werden weltweit zunehmend verwendet. In vielen Ländern werden bereits mehr als
60 % der Patienten mit High-Flux-Dialysatoren behandelt, in Deutschland liegt der
Anteil der High-Flux-Dialyse bei etwa 50%.
Birgit Matejka, München
Quelle: Satellitensymposium "Die MPO-Studie - Die Europäische Antwort auf die Hemo-Studie"
im Rahmen des Nephrologiekongresses in München (GfN)
Eckpunkte der MPO-Studie
Eckpunkte der MPO-Studie
Studiendesign:
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prospektive, randomisierte und kontrollierte multizentrische Studie
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nur inzidente Patienten, seit höchstens zwei Monaten an der Hämodialyse
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primäres Studienziel: Überlebensraten durch High-Flux- versus Low-Flux-Behandlungen
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647 ausgewertete Patienten aus 59 Dialysezentren in neun europäischen Ländern
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Beobachtungszeitraum pro Patient 3-7,5 Jahre
Ergebnisse:
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bei Patienten mit einem Serumalbuminwert unter 4 g/dl hatte die High-Flux-Gruppe einen
signifikanten Überlebensvorteil
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besonders deutlich zeigt sich der Überlebensvorteil einer High-Flux-Behandlung bei
diabetischen Patienten
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