Zusammenfassung
Hintergrund: Neugeborene von Drogen konsumierenden Müttern haben ein hohes Risiko an einem neonatalen
Abstinenzsyndrom (NAS) zu leiden. In Abhängigkeit von den durch die Mutter eingenommenen
Substanzen ist der neonatale Entzug oft verbunden mit einer ausgeprägten neurologischen
Symptomatik sowie einem langen stationären Aufenthalt. Schwere Entzugsformen werden
häufiger bei Kindern von Müttern mit Methadoneinnahme beobachtet, weniger ausgeprägte
bei mütterlichem Konsum anderer Opioide wie Heroin oder auch bei Substitutionstherapie
mit Buprenorphin. Im Einzugsgebiet der Universitätsklinik für Kinder und Jugendliche
Leipzig wurde zwischen den Jahren 1997 und 2003 ein deutlicher Anstieg der Anzahl
Neugeborener von Müttern mit Drogenanamnese beobachtet.
Methoden: Im Rahmen einer retrospektiven Analyse der betreuten Neugeborenen wurden neben den
soziodemografischen Daten der Mütter auch die demographischen Daten der Kinder erfasst.
Es wurden Art, Verlauf und Dauer der Therapie des NAS, Art und Dosierung der medikamentösen
Therapie sowie die Modalitäten der Entlassung untersucht.
Patienten: In den Jahren 1997–2003 wurden insgesamt 49 Neugeborene von Müttern mit bekanntem
Drogenmissbrauch stationär betreut ([Abb. 1 ]).
Ergebnisse: Bei den von den Müttern (n=48) während der Schwangerschaft eingenommenen Substanzen
handelte es sich vorwiegend um Methadon (n=33), des Weiteren um Heroin, Benzodiazepine
und in Einzelfällen auch um Kokain und Cannabis. 3 Frauen erhielten eine Substitutionsbehandlung
mit Buprenorphin. Beigebrauch zur Substitutionstherapie bestand in 15 Fällen. Der
Nachweis mindestens einer der von der Mutter konsumierten Drogen im kindlichen Urin
gelang in 36/48 Fällen. Bei 35 Neugeborenen wurden Symptome im Sinne eines NAS beobachtet.
Dies entspricht einer Inzidenz von 71%. Die Beurteilung der Symptomatik und die Steuerung
der medikamentösen Therapie erfolgten anhand des Finnegan-Scores. Neben supportiven
Maßnahmen erhielten alle Neugeborenen mit NAS eine medikamentöse Therapie mit Phenobarbital
(n=42). 14 dieser Kinder wurden zusätzlich mit Morphin behandelt (Therapieversagen
33%). Bei einer mittleren Dauer der medikamentösen Therapie von 14 Tagen zeigte sich
im Vergleich, dass das NAS infolge Methadoneinnahme mit Beigebrauch anderer Drogen
einen längeren Therapiezeitraum erforderte als die Entzugstherapie bei Neugeborenen
von Müttern mit Heroinkonsum (16 vs. 10 Tage). Jedoch war die Dauer des stationären
Aufenthaltes bei Kindern heroinabhängiger Mütter länger als bei Kindern methadonsubstituierter
Mütter. Im Vergleich der Neugeborenen von Müttern mit Methadondosen bis 20 mg/d oder
mehr als 20 mg/d ergab sich ein Nachteil für die Kinder der Mütter mit der höheren
Methadondosierung.
Schlussfolgerung: Mit steigendem Opioidkonsum in der Einzugsregion (Suchtbericht der Stadt Leipzig)
wurde auch ein deutlicher Anstieg des NAS beobachtet. Dabei handelte es sich in über
50% der Fälle um einen Methadonentzug. Die schwerwiegenden Symptome und die langwierige
Therapie des neonatalen Entzuges unterstreichen die Forderungen nach vereinheitlichten
Behandlungsprinzipien mit dem Ziel einer besseren Strategie für die ärztliche und
psychosoziale Betreuung drogenabhängiger Schwangerer sowie die Diagnostik und medikamentöse
Therapie des Abstinenzsyndroms der Neugeborenen.
Abstract
Background: Infants of drug abusing mothers are at high risk to suffer from neonatal abstinence
syndrome (NAS). Depending on the drug signs of neonatal withdrawal vary but mainly
include central nervous system irritability. NAS causes long duration of hospital
stay. Severe withdrawal signs are seen in infants exposed to methadone, infants exposed
to other opioids like heroin or buprenorphine have been shown to be less symptomatic.
Between the years 1997 and 2003 following the border opening there was a dramatic
increase in drug exposed newborns seen in the area of Leipzig (East Germany).
Methods: In a retrospective study maternal and infant characteristics, severity of symptoms,
duration of withdrawal and hospital stay, duration and kind of treatment as well as
modalities for release from hospital were analyzed.
Results: From 1997 to 2003 49 drug exposed newborns were admitted to our neonatal care unit.
There was an increase of the number of affected infants within these years ([Fig. 1A ]). Maternal drug abuse (n=48) included mainly methadone (n=33), in second line heroine
and benzodiazepines, in a few cases also cocaine and cannabinoides. 3 mothers received
substitution therapy with buprenorphine. Additional drug use to substitution therapy
was seen in 15 mothers. Drugs of abuse were detected in infant urine specimen (36/48).
35 of exposed newborns showed signs of NAS (incidence of NAS 71%). For evaluation
of withdrawal signs and conduction of therapy the Finnegan score was used. As first
line pharmacological treatment phenobarbitone was administered (n=42), secondary morphine
was used (n=14, treatment failure 33%). Mean duration of hospital stay was 21 days.
Mean duration of pharmacological treatment was 14 days with longer duration for methadone
exposed infants vs. non-methadone exposed infants (16 vs. 10 days). Hospital stay
was longer for non-methadone exposed infants. Maternal intake of more than 20 mg methadone
per day vs. up to 20 mg per day caused longer duration of hospital stay (28 vs. 20
days, p=0,015).
Conclusion: Long duration of hospital stay and pharmacological treatment call for optimised principal
guide lines for diagnosis, treatment and long term follow-up. The results also underline
the need for further research for an effective pharmacological treatment.
Schlüsselwörter
neonatales Abstinenzsyndrom (NAS) - Entzug - Methadon - Morphin - Phenobarbital -
Finnegan-Score
Key words
neonatal abstinence syndrome (NAS) - withdrawal - methadone - morphine - phenobarbitone
- Finnegan score