Die Programme der bisher 40 Tagungen in den 46 Jahren des Bestehens der Deutschsprachigen
Mykologischen Gesellschaft (DMykG) spiegeln eindrucksvoll die Entwicklungsgeschichte
jener Antimykotika wieder, die zum Einsatz gegen tief lokalisierte, lebensbedrohliche
Mykosen geeignet sind. An dieser Entwicklungsgeschichte hat unsere Gesellschaft mit
ihren Tagungen als Forum des wissenschaftlichen, kritischen Erfahrungsaustausches
einen gewichtigen Anteil. Ein solcher geschichtlicher Rückblick macht zugleich deutlich,
dass es auf diesem Feld Perioden höchst fruchtbarer Kooperationen zwischen den Wissenschaftlern
der Deutschsprachigen Mykologischen Gesellschaft und der pharmazeutischen Industrie
gab und immer noch gibt, die für den Therapiefortschritt unabdingbar sind.
Wie alles begann: Einführung von Amphotericin B
Wie alles begann: Einführung von Amphotericin B
Das erste verfügbare, gegen tiefe Mykosen wirksame Medikament war Amphotericin B.
Es wurde 1955 beschrieben und wird seit 1957 zur antimykotischen Therapie eingesetzt
- und ist somit sogar älter als unsere Fachgesellschaft. Der erste Produzent war Squibb-von
Heyden. Bis heute ist das breite antimykotische Wirkspektrum der Substanz unerreicht.
Von Beginn an aber waren die möglichen, schweren Nebenwirkungen ein bedeutendes Handicap
im therapeutischen Einsatz. Dennoch gilt das Wort des Basler Mykologen Hans Scholer:
"Es sind in den 1960er-Jahren mehr Menschen dadurch verstorben, dass ihnen Amphotericin
B aus Angst vor Nebenwirkungen verweigert wurde, als an den gefürchteten Nebenwirkungen
selbst!"
Schnell folgt eine weitere antimykotisch wirksame Substanz
Schnell folgt eine weitere antimykotisch wirksame Substanz
Schon kurz nach der Einführung von Amphotericin B, nämlich 1963, wurde die antimykotische
Wirkung des 5-Fluorocytosins (5-FC) beschrieben. Zur klinischen Anwendungsreife gebracht
hat die Substanz die Arbeitsgruppe um Hans Scholer von der Firma Hoffmann-La Roche
in Basel. Erstmals vorgestellt wurde sie dann 1969 auf der DMykG-Tagung in Krefeld.
Schnell hatte sich jedoch ein bedeutender Nachteil von 5-Fluorocytosin herauskristallisiert.
Wegen seiner Neigung, in der bekämpften Pilzpopulation 5-FC-Resistenzen zu induzieren,
wurde es nur in Kombination mit Amphotericin B eingesetzt.
In dieser Kombination war es aber auch möglich, das Amphotericin B in einer deutlich
geringeren Dosierung (der halben Dosis der Monotherapie) zu geben, was die viel gefürchteten
Nebenwirkungen deutlich verringerte. Darüber hinaus verminderte das in der parenteralen
5-FC-Zubereitung enthaltene Kochsalz die Nebenwirkungen des Amphoterin B zusätzlich.
Dieses Phänomen hat Hugo T. Heidemann, Essen, auch theoretisch untermauert, wofür
er 1993 den Forschungsförderpreis der Deutschsprachigen Mykologischen Gesellschaft
(DMykG) erhielt.
Immerhin zwei Jahrzehnte lang war die Kombination aus 5-Fluorocytosin plus Amphotericin
B der Goldstandard zur Therapie von Candidosen, Cryptococcosen, Chromomykosen und
zum Teil auch Aspergillosen. Ein weiterer Fortschritt des Amphotericin-B-Einsatzes
war die Einführung liposomaler Zubereitungen mit ihren vorteilhaften pharmakokinetischen
Eigenschaften, die auf der Tagung der Deutschsprachigen Mykologischen Gesellschaft
1990 in Göttingen ein wichtiges Thema waren.
Mit Hans Scholer und der Firma Hoffmann-La Roche untrennbar verbunden sind die ersten
umfangreichen industriegestützten Veranstaltungen zur Weiterbildung in der medizinischen
Mykologie. Wurden doch die Therapiefortschritte der 1960er-Jahre deswegen klinisch
nicht ausgeschöpft, weil es den Klinikern, die Mykoserisikopatienten betreuten, weithin
an mykologischen Kenntnissen und am "mykologischen Bewusstsein" mangelte. Scholer
wirkte damals mit seinen Basler Mitarbeiterinnen Annemarie Polak und Hannelene Müller,
dem St. Gallener Internisten Theodor Wegmann und Johannes Müller aus Freiburg in zahllosen
Weiterbildungsveranstaltungen dieser Unkenntnis entgegen.
Azol-Antimykotika weckten große Hoffnungen
Azol-Antimykotika weckten große Hoffnungen
Mit Clotrimazol präsentierte die Firma Bayer 1969 in Krefeld eine weitere Neuheit:
das erste Azol-Antimykotikum. Diese neue Wirkungsklasse sollte die Chemotherapie der
Mykosen revolutionieren. Dementsprechend war an Clotrimazol die große Hoffnung geknüpft,
auch tiefe Mykosen therapieren zu können. Da dieses Azolderivat jedoch Leberenzyme
induziert, welche den Wirkstoff abbauen und so dessen Serumspiegel unter die Wirksamkeitsgrenze
drücken, konnte Cotrimazol zumindest diese Hoffnung nicht erfüllen. Dafür aber beherrschte
der Wirkstoff jahrelang unangefochten die Therapie der Dermatomykosen und stellte
dieses Feld auf eine ganz neue Grundlage. Auch die Firma Bayer hatte unter der Federführung
von Manfred Plempel einen bemerkenswerten Anteil an der Förderung der medizinischen
Mykologie.
Fast zeitgleich erweiterte die Firma Janssen das Spektrum der Therapeutika gegen tiefe
Mykosen mit einem Azol-Antimykotikum. Miconazol, konnte sich mit seinen pharmakologischen
Eigenschaften als systemisch wirksames Antimykotikum besser behaupten als Clotrimazol
und ging daher als erstes gegen tiefe Mykosen wirksames Azolpräparat in die Geschichte
der Mykologie ein.
Zehn Jahre später präsentierte die Firma Janssen Ketoconazol auf der MYK 1980 in Aachen
der wissenschaftlichen Öffentlichkeit. Janssen hatte mit dem Einsatz von Azolderivaten
bei Parasitosen mit dieser Wirkstoffklasse bereits erhebliche Erfahrung gesammelt,
was offensichtlich der Entwicklung von Antimykotika zugute kam. Ketoconazol konnte
sich gut fünf Jahre lang als systemisches Antimykotikum behaupten, erwies sich auch
als gut wirksam gegen Mykosen bei AIDS und spielt heute noch eine wichtige Rolle als
preiswertes Präparat in der Behandlung tropischer Mykosen.
1986, auf der Mykologentagung in Freiburg im Breisgau, kam dann Itraconazol ins Spiel,
ebenfalls ein Janssen-Präparat. Dies war das erste Azoltherapeutikum, das auch gegen
Schimmelpilzmykosen wirksam war, sodass sich hiermit eine Alternative zum Amphotericin
B auftat. Mit der Bewertung der drei Antimykotika Miconazol, Ketoconazol und Itraconazol
hat sich auch die Firma Janssen als Sponsor der medizinisch-mykologischen Weiterbildung
einen Namen im deutschsprachigen Raum gemacht.
Ein neues Azolantimykotikum steigt in den Ring
Ein neues Azolantimykotikum steigt in den Ring
Ein "Paukenschlag" in der Geschichte der Antimykotika war die erste Präsentation von
Fluconazol auf der Mykologentagung 1988 in Baden bei Wien. Mit dieser neu eingeführten
Substanz bot Pfizer ein Azol mit einer hervorragenden Wasserlöslichkeit und einem
exzellenten Verteilungsmuster an - besser als alle anderen Azol-Antimykotika bislang
bieten konnten. Für Pfizer war es das erste Antimykotikum in seiner Produktpalette.
Das erklärt wohl die außerordentliche Behutsamkeit, mit der neben den üblichen prospektiven
Studien klinische Erfahrungen im Rahmen eines "Compassionate-Usage"-Programms gesammelt
wurden, bevor 1990 endgültige Zulassungsanträge gestellt wurden. In diesem Programm
wurden Patienten mit tief lokalisierten Candidosen und Cryptococcosen unentgeltlich
behandelt und der Krankheitsverlauf umfassend dokumentiert. Im Verlauf dieser zwei
Jahre beteiligten sich 180 Kliniker und 50 niedergelassene Ärzte an der Aktion. Die
dabei gesammtelten Erfahrungen wurden in einem Workshop in Bad Neuenahr wie auch auf
den folgenden DMykG-Tagungen vorgestellt.
Der Wirkungsschwerpunkt von Fluconazol lag bei den Candidosen, der Cryptococcose,
den amerikanischen Mykosen durch dimorphe Pilze und bei Dermatomykosen. Rückblickend
wissen wir heute, dass sich durch den Einfluss des Fluconazols die Epidemiologie der
Candidose drastisch geändert hat. Das nebenwirkungsarme Fluconazol hat auch die jahrzehntelang
sehr kontrovers geführte Debatte über die Indikation einer Prophylaxe bei Mykoserisikopatienten
auf eine solide Basis gestellt.
Mit der Einführung von Fluconazol begann auch Pfizer, sich im Rahmen der Förderung
der medizinischen Mykologie zu engagieren. Denn das beste Therapeutikum nütze nichts,
wenn die die Risikopatienten betreuenden Ärzte kein "Mykosebewusstsein" haben, wenn
die Labormykologen nicht leistungsfähige diagnostische Verfahren entwickeln und für
den diagnostischen Alltag zur Verfügung stellen und wenn das unübersehbar bunte Bild
der Mykosen auf dem Hintergrund unterschiedlichster Grunderkrankungen nicht kasuistisch
und epidemiologisch ausgewertet wird - so der Gedanke des Unternehmens. Aus diesem
Grund geht Pizer mit seiner Wissenschaftsförderung über das unmittelbare therapeutische
Anliegen und über das ökonomische Interesse hinaus und schließt alle Bereiche der
medizinischen Mykologie in die Förderung ein.
Die bislang letzten erfolgreichen Antimykotika-Entwicklungen
Die bislang letzten erfolgreichen Antimykotika-Entwicklungen
Diese Förderungsstrategie hat sich für beide Partner ausgezahlt. Pfizer hat mit der
Entwicklung von Voriconazol auch in der Behandlung der Aspergillosen eine neue Marke
gesetzt. Voriconazol wurde auf der DMykG-ECMM-Tagung 1999 in Dresden erstmals vorgestellt
und 2002 eingeführt. Inzwischen ist es zum therapeutischen Goldstandard geworden.
Mit dem Posaconazol der Firma Schering-Plough-Essex, das auf der MYK-Tagung 2005 in
Leipzig erstmals vorgestellt wurde, geht die Entwicklung bei den Azol-Antimykotika
weiter.
Bereits 1988 präsentierte die Freiburger Mykologengruppe auf der Mykologentagung in
Baden bei Wien eine antimykotische Substanz einer neuen Klasse: Cilofungin aus der
Schmiede der Firma Eli-Lilly war damit das erste Echinocandin. Mit dieser Substanz
wurde ein neuer Wirkungsmechanismus therapeutisch nutzbar gemacht. Anders als Amphotericin
B und die Azole greifen die Candine nämlich nicht an der zytoplasmatischen Membran
an, sondern inhibieren das Wachstum der Pilzzelle, indem sie die Glukansynthese in
der basalen Zellwandschicht stören, was eindrucksvoll im elektronenmikroskopischen
Bild gezeigt werden konnte. Eli-Lilly gab die Echinocandine allerdings bald ab, und
erst 14 Jahre später wurde mit Caspofungin der Firma MSD Sharp & Dohme das erste Echinocandin
in der klinischen Praxis verfügbar.
Derzeit werden die Erfahrungen mit den inzwischen zur klinischen Anwendungsreife gelangten
Echinocandin-Antimykotika gesammelt und ausgewertet - dem Caspofungin (MSD-Sharp &
Dohme), dem Micafungin (Astellas) und dem Anidulafungin (Pfizer).
Abb. 1 Invasive pulmonale Aspergillose
Vorsicht: Kein Grund zur Entwarnung
Vorsicht: Kein Grund zur Entwarnung
Zwar sehen wir in den letzten beiden Jahrzehnten einen geradezu exponentiellen Zuwachs
an Möglichkeiten zur Therapie tief lokalisierter Mykosen. Das ist freilich kein Grund,
im weiteren Entwicklungsbemühen nachzulassen. Denn neben der Optimierung der bisher
eingesetzten Therapieoptionen bei den inzwischen relativ gut beherrschbaren Mykosen
bestehen noch große Problemfelder wie
Es gibt also noch viel zu tun! Packen Sie's an!
Prof. Johannes Müller, Emmendingen