Rehabilitation (Stuttg) 2007; 46(5): 296-309
DOI: 10.1055/s-2007-991135
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Geriatrische Rehabilitation aus dem Blickwinkel des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX)

Geriatric Rehabilitation from the Perspective of Book 9 of the German Social Code, SGB IXH. Fuchs 1
  • 1QUALITY-Klinikentwicklungs-, -betriebs- und -beratungs-GmbH, Düsseldorf
Further Information

Publication History

Publication Date:
23 October 2007 (online)

Zusammenfassung

Die rechtlichen Grundlagen für die Erbringung und Ausführung von Leistungen der geriatrischen Rehabilitation finden sich insbesondere im Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Der vorliegende Beitrag erörtert die Anspruchsgrundlagen und Leistungsvoraussetzungen für die geriatrische Rehabilitation unter Berücksichtigung der Beziehungen zwischen dem Fünften und dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch. Er enthält eine Definition des Begriffs „geriatrische Rehabilitation” im Lichte des SGB IX, beschreibt die Verpflichtung der Leistungsträger sowie das Verfahren zur Feststellung des geriatrischen Rehabilitationsbedarfs und bewertet in diesem Zusammenhang die Eignung der Bezeichnung „geriatrischer Patient” als Identifikationskriterium zur Bedarfsfeststellung. Die Erbringung von geriatrischen Rehabilitationsleistungen ist an die Erreichbarkeit von Teilhabezielen im Sinne des SGB IX sowie die Erfüllung von Leistungsvoraussetzungen gebunden. Die Verantwortung für Gegenstand, Umfang und Qualität der geriatrischen Rehabilitation liegt ebenso bei den Leistungsträgern wie die Verpflichtung zur Sicherstellung der nach Zahl und Qualität erforderlichen Rehabilitationseinrichtungen und -dienste. Der Beitrag erläutert die Rechtsgrundlagen für die verschiedenen Leistungsformen (ambulante, mobile Rehabilitation, im Rahmen des persönlichen Budgets, der integrierten Versorgung oder der Frührehabilitation) und erörtert die geriatrische Rehabilitation im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung sowie der aktivierenden Pflege.

Abstract

The legal foundations for provision and realization of geriatric rehabilitation benefits are contained in particular in Book 9 of the German social code, SGB IX (covering rehabilitation and participation of people with disabilities). This paper discusses claims foundations and benefit prerequisites of geriatric rehabilitation taking into consideration the relations between Book 5 (on health insurance) and Book 9 of the social code. The article includes a definition of “geriatric rehabilitation” in light of the SGB IX, describes the benefit carriers’ obligations as well as the procedure in place for determining geriatric rehab need, in this context appraising the designation as “geriatric patient” in terms of its appropriateness as an identifying criterion in determining need. Provision of geriatric rehab benefits is contingent on a potential for attaining rehab goals as specified by SGB IX as well as on fulfillment of the benefit prerequisites. Responsibility for the content, extent and quality of geriatric rehabilitation lies with the benefit carriers, as is the case for the obligation to secure availability of the required numbers and quality of rehabilitation facilities and services. The article specifies the legal foundations of the various benefit types (ambulatory, mobile rehab, under a Personal Budget, integrated benefit provision, or early rehab), and discusses geriatric rehabilitation in the framework of an insurance-based medical care system as well as of activating care.

Literatur

  • 1 Bundesregierung .Eckpunkte zu einer Gesundheitsreform vom 4.7.2006. Berlin: 2006
  • 2 Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG). BT-Drucks. 16/3100 vom 24.10.2006
  • 3 Fuchs H. Die Gesundheitsreform 2006: Systemwechsel durch die Hintertür.  Soziale Sicherheit. 2006;  ((10)) 342 , ff.
  • 4 Entwurf eines Sozialgesetzbuchs - Neuntes Buch - (SGB IX) Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen. BT-Drucks. 14/5074 vom 10.1.2001
  • 5 Bericht der Bundesregierung über die Lage behinderter Menschen und die Entwicklung ihrer Teilhabe. BT-Drucks. 15/4575 vom 16.12.2004
  • 6 Mrozynski P. SGB IX Teil 1, Regelungen für behinderte und von Behinderung bedrohte Menschen. Kommentar. München: Beck, 2002
  • 7 Bieritz-Harder R. Teilhabe am Arbeitsleben zwischen SGB IX, Diskriminierungsschutz und Arbeitsmarktreformen.  RsDE. 2005;  (Nr. 58) 42 , ff.
  • 8 Neumann V. (Hrsg). Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen. Handbuch SGB IX. Baden-Baden: Nomos, 2004
  • 9 Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz .(Hrsg). SGB IX - Kommentar und Praxishandbuch. Sankt Augustin: Asgard, 2006
  • 10 Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen . (Gesundheits-Reformgesetz - GRG) vom 20.12.1988.  BGBl I. 1988;  ((62)) 2477
  • 11 Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 (GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 - GKV-GRG 2000) vom 22.12.1999.  BGBl I. 1999;  ((59)) 2626
  • 12 Krauskopf D. (Hrsg). Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung. Loseblatt-Kommentar. München: C. H. Beck, 2007
  • 13 Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19.6.2001.  BGBl I. 2001;  ((27)) 1046
  • 14 Medizinischer Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen (MDS) .Begutachtungs-Richtlinie Vorsorge und Rehabilitation vom 28.10.2005. Essen: MDS 2005 - verfügbar unter: http://www.mds-ev.org (Bereich: Downloads)
  • 15 Plate/Meinck/Welti . Brauchen wir einen besonderen gesetzlichen Anspruch auf geriatrische Rehabilitation.  G+Q. 2006;  11 344-347
  • 16 Rahmenempfehlungen zur ambulanten geriatrischen Rehabilitation vom 1.1.2004. In: Gerkens/Schliehe/Steinke (Hrsg): Handbuch Rehabilitation und Vorsorge. Sankt Augustin: Asgard 2006: 9-104
  • 17 Arbeitskreis Teilhabeorientierte Pflege . Empfehlungen für eine Teilhabeorientierte Pflege.  Dezember 2006;  , verfügbar unter: http://www.behindertenbeauftragte.de
  • 18 Fuchs H. Medizinische Leistungen zur Rehabilitation und integrierte Versorgung.  Rehabilitation. 2004;  43 1-10
  • 19 , Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (Rehabilitations-Richtlinien) vom 16.3.2004. Verfügbar unter: http://www.g-ba.de , (Pfad: Info-Archiv, Richtlinien)
  • 20 Hoffmann A. In: Altenpflege 1984: 185 ff.
  • 21 Klie/Krahmer .(Hrsg). Sozialgesetzbuch XI - Soziale Pflegeversicherung. Lehr- und Praxiskommentar LPK-SGB XI. Baden-Baden: Nomos, 2003
  • 22 Schröck R. Einführung. In: Sening H, Wintersberger C (Hrsg). Pflegeleitfaden. Rehabilitative Methoden. München: Urban & Schwarzenberg, 1998
  • 23 , Gutachten 2003 des Sachverständigenrates für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen. Finanzierung, Nutzerorientierung und Qualität. Baden-Baden: Nomos, 2003 - auch verfügbar unter: http://www.svr-gesundheit.de
  • 24 Gemeinsame Empfehlung „Einheitliche Begutachtung” nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. § 13 Abs. 1 SGB IX. In: Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz (Hrsg). SGB IX - Kommentar und Praxishandbuch. Sankt Augustin: Asgard, 2006
  • 25 , ICF-Checkliste, Version 2.1.a, Medizinisches Formblatt zur Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF). Weltgesundheitsorganisation 2003, deutsche Fassung 2005 - verfügbar unter: http://www.deutsche-rentenversicherung-bund.de , (Pfad: Sozialmedizin und Forschung, Klassifikationen)
  • 26 Fuchs H. Bewertung der Begutachtungs-Richtlinie „Vorsorge und Rehabilitation” des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen e. V. vom 28.10.2005 nach den Maßstäben des SGB IX.  , Verfügbar unter: http://www.harry-fuchs.de , (Pfad: SGB IX, Bedarfsorientierung der Reha)
  • 27 , Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) zum Fallpauschalenkatalog 2004. Verfügbar unter: http://www.dimdi.de
  • 28 Fuchs H. Frührehabilitation im Krankenhaus.  Soziale Sicherheit. 2005;  ((5)) 168 , ff.

1 § 11 Abs. 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) i. V. m. Art. 26 (§ 40 SGB V), 27 (Wegfall des für die geriatrische Rehabilitation beabsichtigten § 41 a SGB V).

2 Risikostrukturausgleich, Gesundheitsfonds. Nach § 266 Abs. 4 Nr. 2 SGB V sind für den Finanzausgleich innerhalb der GKV nur die Aufwendungen für Leistungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht, nicht in die Ermittlung der standardisierten Leistungsausgaben einzubeziehen.

3 §§ 6, 9 RehaAnglG, in Kraft ab 1.10.1974, außer Kraft getreten durch das SGB IX am 1.7.2001.

4 Ob und unter welchen Voraussetzungen Leistungen beansprucht werden können.

5 Wie und auf welche Weise diese Leistungen auszuführen sind.

6 Die rechtstechnisch scheinbar unsystematische Einordnung der Regelung in den Ersten Abschnitt „Übersicht über die Leistungen”ändert nichts am materiellen Gehalt der Vorschrift.

7 § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V: Krankheiten erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.

8 So eine dem Verfasser vorliegende, von den geriatrischen Fachverbänden (Deutsche Gesellschaft für Geriatrie - DGG, Deutsche Gesellschaft für Geriatrie und Gerontologie - DGGG - und Bundesarbeitsgemeinschaft der Klinisch-Geriatrischen Einrichtungen) konsentierte Definition „Geriatrischer Patient” einschl. Erläuterungen.

9 Unter „indikationsspezifischen” Rehabilitationsleistungen werden Leis-tungen in Rehabilitationseinrichtungen verstanden, deren Rehabilitationskonzept ausgehend von der Krankheit oder Behinderung definiert ist, die die Teilhabebeeinträchtigung verursacht hat.

10 § 2 Abs. 1 SGB IX. Sollte im Einzelfall als Folge der Pflegebedürftigkeit noch keine Teilhabebeeinträchtigung eingetreten sein, droht diese jedenfalls, sodass die Voraussetzungen für die Anwendung des SGB IX nach § 2 Abs. 2 SGB IX gegeben sind.

11 So die Definition eines von der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen eingesetzten Arbeitskreises „Teilhabeorientierte Pflege”, vgl. [17].

12 Vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB IX „… und schriftlich so zusammenzustellen, dass sie nahtlos ineinander greifen”.

13 So Schröck et al.: „… jegliche Pflege, wo auch immer sie stattfindet, ist per Definition rehabilitativ”[22].

14 Nach Auffassung des Sachverständigenrates ist die rehabilitative Komponente einer aktivierenden Pflege somit noch zu wenig bekannt ([23], Ziff. 469).

15 Auf dem Checklisten-Prinzip basieren viele Projekte zur Praktikabilität der ICF, so z. B. das Core-Set-Projekt von Stucki oder das Core-Set-Projekt zu long term disability pensions der European Union of Medicine in Assurance und Social Security (EUMASS).

16 Abgesehen von der Erwähnung der Gemeinsamen Empfehlung „Einheitliche Begutachtung” findet sich das SGB IX in der gesamten Richtlinie nur in einer Auflistung „der bei der Durchführung von Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen insbesondere zu beachtenden gesetzlichen Vorschriften” (Abschnitt 2.1) und ansonsten in der Richtlinie nicht.

17 Gemeint waren offensichtlich die Richtlinien nach § 92 Abs. 2 Nr. 8 SGB V [19].

18 Neben den Krankenkassen auch die Unfallversicherungsträger sowie die Versorgungsverwaltung.

19 Die insoweit entgegen stehenden Empfehlungen der Spitzenverbände der Kranken- und Pflegekassen vom 28.6.2004 entsprechen nicht mehr dem geltenden Recht. Sie berücksichtigen insbesondere nicht die am 1.7.2004 geänderte Rechtslage, nach der die „Regiefähigkeit der Leistungen” keine Voraussetzung mehr für die Budgetfähigkeit der Leistungen ist.

20 Vgl. [15], insbesondere die Tabelle 1, die einen Überblick über die Entwicklung in den Bundesländern gibt.

Korrespondenzadresse

Harry Fuchs

Quadenhofstr. 44

40625 Düsseldorf

Email: quality@germany.tops.de

URL: http://www.harry-fuchs.de

    >